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Vogelsberg und Wetterau kamen im letzten Jahr auf 1,8 Millionen Gäste-ÜbernachtungenIm Vogelsberg übernachtet man gerne

VOGELSBERG (ol). Touristen zieht es in heimische Betten: Die Tourismus-Region Vogelsberg und Wetterau verzeichnete im vergangenen Jahr 1,84 Millionen Übernachtungen von Gästen aus dem In- und Ausland. Das sind zwei Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit.

Die NGG Nord-Mittelhessen beruft sich dabei auf Angaben des Statistischen Bundesamtes, das die Beherbergungszahlen der deutschen Reisegebiete ausgewertet hat. NGG-Geschäftsführer Andreas Kampmann spricht von einer „starken Bilanz – die jedoch nur mit dem starken Engagement der Beschäftigten überhaupt möglich ist“.

Allein im Vogelsbergkreis beschäftigt das Gastgewerbe nach Angaben der Arbeitsagentur rund 1.600 Menschen. „Allerdings fehlen hier zunehmend Fachkräfte – auch, weil die Branche ein waschechtes Image-Problem hat“, ist Kampmann überzeugt. Ein Hauptgrund: immer extremere Arbeitszeiten. Zwar gehöre das Arbeiten am Abend oder am Sonntag für Hotelfachleute und Kellner fest zum Job. „Aber in den vergangenen Jahren sind die Schichten deutlich länger und die Erholungszeiten kürzer geworden. Das macht nicht jeder ewig mit“, sagt der Geschäftsführer der NGG-Region Nord-Mittelhessen.

Kritik an der Forderung, das Arbeitsgesetz zu lockern

Kampmann kritisiert insbesondere die Forderungen von Unternehmern, das Arbeitszeitgesetz zu lockern. „Geht es nach dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), dann sollen 13-Stunden-Arbeitstage bald zum Normalfall werden. Aber hier steht die Gesundheit der Beschäftigten auf dem Spiel. Nicht umsonst gibt es gesetzliche Grenzen“, sagt Kampmann. Das Arbeitszeitgesetz schreibe eine Regelarbeitszeit von acht Stunden täglich vor. In Ausnahmefällen könne sie auf zehn Stunden ausgedehnt werden.

Nach einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin steige das Unfallrisiko nach der achten Arbeitsstunde exponentiell an. Und wer oft im Schichtdienst arbeitet, der habe ein erhöhtes Risiko, am Herzen oder an Diabetes zu erkranken.
„Die guten Übernachtungszahlen und steigende Umsätze zeigen, wie groß der Einsatz der Beschäftigten in der Gastronomie und Hotellerie ist“, sagt Kampmann. Im Vogelsbergkreis arbeiteten gerade gelernte Fachkräfte „längst am Limit“. Die dürfe man nicht mit „Horror-Arbeitszeiten“ verprellen. Schon jetzt falle es der Branche schwer genug, Schulabgänger für eine Ausbildung zu gewinnen.

Die NGG warnt davor, das Gastgewerbe zum „Vorreiter für ausufernde Arbeitszeiten“ zu machen. Bei einer aktuellen Branchenumfrage der Gewerkschaft sollen 81 Prozent der Befragten angegeben haben, ihre Arbeitsbelastung habe in den letzten Jahren zugenommen. Fast jeder Zweite müsse demnach in der Freizeit für den Betrieb einspringen.

Jeder vierte Beschäftigte arbeitet regelmäßig am Wochenende

Dabei würden ungewöhnliche Arbeitszeiten auch viele andere Wirtschaftsbereiche betreffen. Bundesweit arbeite mittlerweile jeder vierte Beschäftigte regelmäßig am Wochenende. Das seien rund neun Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – und 700.000 mehr als noch im Jahr 2010. In der Hotellerie und Gastronomie liege die Quote der Wochenendarbeiter sogar bei 86 Prozent, hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ermittelt.

Hinzu komme die Arbeit auf Abruf, von der im Gastgewerbe jeder Vierte betroffen ist. „Wenn der Chef per WhatsApp in letzter Sekunde die Dienste verteilt, dann können Beschäftigte ihren Alltag kaum planen“, kritisiert Kampmann.
Statt längere Arbeitszeiten zu fordern, sollten Hoteliers und Gastronomen die Branche attraktiver machen: „Das fängt bei einer guten Ausbildungsqualität an und reicht bis zur Bezahlung nach Tarifvertrag. Und wenn das Personal Spaß an der Arbeit hat, dann kommen die Gäste auch gern wieder.“

2 Gedanken zu “Im Vogelsberg übernachtet man gerne

  1. Die alljährlich vorgestellten Angaben des Statistischen Bundesamtes über die Beherbergungszahlen des Vogelsbergs sagen über die tatsächliche Situation wenig aus. Ich glaube nicht, dass die Steigerung der Übernachtungszahlen um zwei Prozent innerhalb von zehn Jahren die Schlagzeile rechtfertigt, „Im Vogelsberg übernachte[t] man gerne“. Auf der anderen Seite berücksichtigt die Statistik nur Beherbergungsbetriebe ab 12 Betten. Für kleinere Betriebe und Ferienwohnungen gilt die Auskunftspflicht nach Beherbergungsstättenverordnung nicht. Von daher kann aber davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Übernachtungen im Vogelsberg wesentlich höher liegt als in der Beherbergungsstatistik aufgeführt.
    Was die Qualität der Gastronomie angeht, bemisst sich der gastronomische Rang einer Region übrigens nicht unbedingt an der Zahl der Sterne-Restaurants. Da läge der Vogelsbergkreis wohl im bundesweiten Vergleich hoffnungslos hinten. Näher am durchschnittlich zahlungskräftigen Gast sind gut geführte Gasthäuser, insbesondere die Dorfgasthäuser, die gerade für den Wander- und Fahrradtourismus ein unverzichtbares Netz zum Ruhen und Rasten bereit stellen.
    Daher werden alljährlich fünf Betriebe bei dem Wettbewerb „Die 50 besten Dorfgasthäuser in Hessen“ von Landesregierung, Hotel- und Gastronomieverband sowie dem Brauerbund Hessen/Rheinland-Pfalz ausgezeichnet (siehe https://www.kreis-anzeiger.de/lokales/vogelsbergkreis/schotten/vogelsberger-pfun-mischen-vorne-mit_20024342#).

  2. >> Statt längere Arbeitszeiten zu fordern, sollten Hoteliers und Gastronomen die Branche attraktiver machen: „Das fängt bei einer guten Ausbildungsqualität an und reicht bis zur Bezahlung nach Tarifvertrag. Und wenn das Personal Spaß an der Arbeit hat, dann kommen die Gäste auch gern wieder.“ <<
    Das Dilemma ist doch, das "der Gast" in Hotels und Restaurant bei weitem nicht das zahlen möchte, was er als Arbeitnehmer selbst dort kosten würde. Urlaub wird erst dann so richtig schön, wenn man über die zahlreichen Bestpreis-Portale auch das Äußerste noch an Rabatten und Sonderleistungen herausgeschlagen hat. Und die kostenlose Stornierung soll möglichst noch 24 Std. vor Reiseantritt möglich sein.
    Konkurrenzfähig ist am Ende nur noch der Familienbetrieb mit lauter inoffiziellen Arbeitsverhältnissen.
    P.S.: Einen Großteil der Wochenend-Reisen und Kurztripps würde es ohne all die Sonderaktionen nach dem Motto "All inclusive", aber "billig-billig-billig" sowie ohne prekäre Jobs am Rande der Legalität gar nicht geben. Da buchen Finanzbeamte, vor allem solche im Ruhestand, dann ganz besonders gern. Am Montag drauf beklagt man dann wieder die schlechte Steuermoral in der Gastronomie.

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