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Zweiter Verhandlungstag im Untreuefall - Angeklagter angeblich erpresstRichter: „Totalausfall der Kontrolle“ bei Sparkasse Oberhessen

REGION/GIESSEN. Es war eigentlich nur die Zusammenfassung der Aussage eines Mitarbeiters der Bank, doch wenn der vorsitzende Richter Jost Holtzmann das so sagt, klingt es fast wie ein erstes kleines Urteil im Untreueprozess um die Sparkasse Oberhessen. Bei den Sicherheitssystemen des Instituts, sagt Holtzmann, habe es einen „Totalausfall“ gegeben. Derweil wurden neue Details um den Angeklagten Sparkassenmitarbeiter bekannt, der die knapp neun Millionen Euro veruntreute: Maik H. wurde offenbar erpresst. Aus dem Gießener Landgericht berichten Juri Auel und Luisa Stock.

Bevor der zweite Verhandlungstag an diesem verregneten Dezembermorgen im Saal Nummer 227 beginnt, wird es kurz laut auf dem Flur des zweiten Stocks im Gießener Landgericht. Hände greifen nach anderen Händen, Gelächter schallt durch den trostlosen Raum. Es sind ehemalige und immer-noch Angestellte der Sparkasse Oberhessen, die sich da treffen. Man kennt sich.

Ihre Motivation dem Prozess am Montag beizuwohnen: unterschiedlich. „Neugierde, pure Neugierde“ sagt eine Frau, die sich als ehemalige Sparkassenmitarbeiterin zu erkennen gibt. Mit dem Angeklagten habe sie nie etwas zu tun gehabt. Ganz anders ist es bei der Dame, die neben ihr steht. Sie will ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Elf Jahre habe sie unter Maik H. im Rechnungswesen der Sparkasse Oberhessen gearbeitet. „Ich möchte ihn nur noch einmal sehen“, sagt sie.

Der Vorsitzende Richter Jost Holtzmann bei der Eröffnung der Verhandlung am Montag. Fotos: jal

Der Vorsitzende Richter Jost Holtzmann (Mitte) bei der Eröffnung der Verhandlung am Montag.

Kollegen von ihr haben bei Zeugenaussagen zu Protokoll gegeben, dass H. ein guter Chef war. Stets freundlich sei er gewesen. Habe immer ein offenes Ohr für alles und jeden gehabt. Seitdem die Tat im April diesen Jahres aufflog, hat sich so manches radikal geändert. „Viele sehen jetzt nur noch die eine Tat“, erzählt die Mitarbeiterin. Sie könne das nicht, diese guten elf Jahre einfach so vergessen. Sie verurteilt das, was ihr Chef getan hat. Wegen seines Fehlverhaltens sei sie aus ihrer Lieblingsabteilung versetzt worden. Aber: „Mir fällt es schwer, beide Personen unter einen Hut zu bringen“, sagt sie. Die zwei Personen, das sind einerseits Maik H. als vorbildlicher Vorgesetzter im Chefsessel und andererseits Maik H. als geständiger Millionen-Veruntreuer auf der Anklagebank.

Es ist der Zeuge Mario D., der an diesem Montag eindrucksvoll nahelegen wird, dass diese zwei Personen mehr miteinander zu tun haben, als mancher vielleicht denkt. D. ist Fachbereichsleiter für die allgemeine Revision der Sparkasse Oberhessen. Er hat den Fall intern für die Bank aufgearbeitet. Seine Analyse wird Richter Jost Holtzmann später mit den Worten „Totalausfall der Kontrollmechanismen“ zusammenfassen.

Die Kolleginnen und Kollegen hätten sehr viel Vertrauen in den Angeklagten gehabt, der damals als Leiter des Rechnungswesens der Sparkasse Oberhessen in Nidda beschäftigt war. „Wenn das von Herrn H. kommt, wird das schon in Ordnung sein“, sei die Devise gewesen. Der 38-Jährige ergänzt: „Das war letztlich die Schwachstelle.“

Vorgesetzter verzichtete auf vorgeschriebene Prüfungen

In einer verlesenen Zeugenaussage einer dem Angeklagten unterstellten Mitarbeiterin heißt es, der Angeklagte habe stets eine plausible Erklärung gehabt, wenn es Fragen zu einem Vorgang gegeben habe. Die Hauptschwachstelle seien aber nicht die dem Angeklagten unterstellten Mitarbeiter gewesen, sagt der Prüfer – sondern der direkte Vorgesetzte des Angeklagten. Dieser habe H. so viel vertraut, dass er sogar auf die vorgeschriebenen vierteljährlichen Prüfungen von gewissen Konten absah, für die H. zuständig war. Dies habe er wegen der guten Arbeitsleistung des Kollegen nicht für nötig gehalten, soll der inzwischen entlassene Banker in internen Vernehmungen gesagt haben. Bei anderen Konten, die H. für seine Zwecke missbrauchte, war H. selbst der Kontrolleur von anderen – und musste so zunächst nicht viel befürchten.

H. – untersetze Figur, braune Brille, modisch weiß-grau-lila kariertes Hemd – hat zugegeben, über acht bis zehn Jahre Geld von mehreren bankinternen Konten auf einem einzigen bankinternen Konto zusammengefasst und portionsweise auf ein Privatkonto bei der Deutschen Kreditbank (DKB) überwiesen zu haben. Von dort aus hob er es ab, investierte es unter anderem in Grundstücke, Aktien, oder Immobilien und überwies es auf Konten Dritter, die er teilweise auch verwaltete. Die Ermittler fanden heraus, dass auf H. 76 aktive und 37 inaktive Konten registriert waren. Oberhessen-Live berichte damals exklusiv, dass es die DKB und nicht die Sparkasse war, die schließlich den Verdacht einer Straftat witterte.

Mit einem System aus verwirrenden bankinternen Buchungen hat der Angeklagte den Abfluss des Geldes verschleiert. Die Verschiebungen seien zwar schwer zu entdecken gewesen, dennoch hätten der direkte Vorgesetzte des Mannes oder andere Mitarbeiter Verdacht schöpfen müssen, sagt der Bank-Ermittler. „Bei konsequenter Umsetzung der vom Vorstand vorgeschriebenen Regeln hätte es bei der ersten Buchung auffallen müssen“, sagt D. – und ergänzt: „Ich habe für mich selbst noch nicht abschließend geklärt, wie das so lange unentdeckt bleiben konnte.“

Staatsanwalt Matthias Rauch.

Staatsanwalt Matthias Rauch.

Besonders brisant und kurios wird es zum Ende seiner Aussage. Der Bankkaufmann erklärt, dass der Angeklagte generell nur ein geringes Budget als Zahlung an eine externe Bank habe anweisen dürfen. Doch nicht nur das: Das einzige interne Konto der Sparkasse, welches H. nutze, um Geld auf sein privates Konto bei der DKB zu überweisen, sei eigentlich nur für Einnahmen vorgesehen – und nicht für Zahlungen nach außen. Frage des Staatsanwalts Matthias Rauch: „Dann hätte es ja erst recht auffallen müssen?“ Antwort des Zeugen: „Grundsätzlich ja.“ Von den Zuschauerstühlen wabert kurz hämisches Gelächter und ungläubiges Gezische durch den Sitzungssaal.

Der Angeklagte gibt im Vorfeld dem Prüfer Recht. „Aufgrund meiner umfangreichen Vorkenntnisse hat es keine großen Planungen bedurft. Ich kenne alle Vorgänge, das war kein Hexenwerk“, sagt H.. Generell scheint es zur Taktik seines Verteidigers Michael Simon zu gehören, der Sparkasse Oberhessen eine gewisse Mitschuld an dem Ausmaß des Skandals zu geben. So zitiert er aus einer Zeugenaussage einer Mitarbeiterin, wonach sie nur zwei Tage ins Rechnungswesen eingearbeitet worden sei. Zudem versucht er den Bankprüfer D. vorzuführen, indem er fragt, ob es in dessen Institut schon immer üblich sei, dass sich das Rechnungswesen selbst kontrolliere.

Aktive Mitwisser soll H. nicht gehabt haben. Auch seine Familie soll von seinen illegalen Tätigkeiten nichts gewusst haben. Ein Ermittler sagt, die Ehefrau des Angeklagten habe glaubwürdig überrascht gewirkt, als sie von den Vorwürfen erfuhr. Auch bei dem Prozess anwesende Verwandte zeigten sich ratlos. „Jedem hätte ich das zugetraut, nur nicht dem Maik“, sagt einer von ihnen vor der Verhandlung.

Das war kein HexenwerkMaik H. über seine Taten

H. selbst wirkt vor allem zu Beginn der Verhandlung auf den ersten Blick sehr gefasst. Fragen des Gerichts erklärt er in einem solch ruhigen und verständlichen Ton, als handele es sich um in Beratungsgespräch in seiner Bank. Doch je länger die Verhandlung dauert, desto mehr fällt auf, wie sehr den Familienvater seine Situation belastet. Äußerst selten schaut der 44-Jährige Zeugen direkt an, die meiste Zeit starrt er förmlich in den Laptop seines Verteidigers. Dabei nestelt er immer wieder an seinen kurzgeschorenen, braunen Haaren und kneift sich in die Augenbrauen.

Besonders bewegt zeigt sich H., als der Vorsitzende aus drei Artikeln der Bild-Zeitung zitiert und die den Akten beigefügten Berichte hochhält, neben denen in halbseitiger Größe ein Bild des Angeklagten prangt. Eine Mischung aus Scham und Verzweiflung verzerrt in diesem Moment H.s Gesicht, das er hinter seinen Händen verbirgt. Tränen steigen ihm in die Augen.

Bei der Prozesseröffnung wurde die Öffentlichkeit rasch ausgeschlossen. Um die Intimsphäre H.s zu schützen. Denn in dem Verfahren geht es auch um das Sexleben des ehemaligen SPD-Lokalpolitikers aus dem Wetterau-Kreis. Er habe „einen Hang zum Ausleben sexueller Vorlieben in Verbindung mit Drogen“ gehabt, sagt H. selbst. Der Vorsitzende Richter erklärt, dies sei allerdings keine Sucht in einem klinischen Sinne.

Das Gießener Landgericht.

Das Gießener Landgericht.

Dass H. ein Großteil des veruntreuten Geldes in Rauschgift und SM-Praktiken investierte, war bereits bekannt. Was allerdings erst am zweiten Verhandlungstag durch die vorgetragene Zusammenfassung der Verhandlungseröffnung wirklich publik wird: H. wurde offenbar erpresst. Ob und wenn ja in welchem Zusammenhang die angebliche Erpressung mit dem Drogenkonsum und dem Sexleben des Angeklagten steht, dazu möchte sich Staatsanwalt Rauch auf OL-Nachfrage nicht äußern – da die Details dazu ja unter Ausschluss der Öffentlichkeit erörtert worden seien.

Auf die Frage des Vorsitzenden, warum er so lange immer weiter gemacht habe, sagt H.: “Das ist wie son Zug, da sind sie drin.“ Die Gefahr aufzufliegen habe zwar bestanden, aber um seine Sucht zu finanzieren und für weitere Erpressungen gewappnet zu sein und nebenbei etwas für seine Familie vorzusorgen, habe er immer weiter gemacht. Als er aufgeflogen war, sei er selbst erschrocken über die Gesamtsumme gewesen, die sich über die Jahre angehäuft habe.

H. ist bereit, alles zurückzubezahlen – mit Zinsen

Mit dem Schadensbetrag ist das so eine Sache: H. hat den Ermittlungen zufolge zwar fast neun Millionen veruntreut, angeklagt ist er aber nur wegen etwa der Hälfte des Betrags. Eine Vielzahl der Einzelfälle ist nämlich schon verjährt. Richter Holtzmann zitiert zum Anfang der Verhandlung aus einem Beschluss des Arbeitsgerichtes Gießen, wonach sich H. zum einen gegen seine fristlose Kündigung bei der Sparkasse gewehrt und zum anderen mit seinem Ex-Arbeitgeber in einem Vergleich zur Schadenswiedergutmachung geeinigt habe.

Demnach erklärt sich H. bereit, die volle Schadenssumme von 8,773.528 Euro und 71 Cent plus 5 Prozent Zinsen über dem Leitzins zurückzuzahlen. Die strafrechtlich relevante weil noch nicht verjährte Summe von etwas über vier Millionen Euro werde zwar durch beschlagnahmte Gelder beglichen werden können, aber selbst wenn dies erfolgt sei, sagt Verteidiger Simon, bleibe seinem Mandaten durch die Zinsen ein „namenhafter Berg“ an Schulden von etwa acht bis neun Millionen Euro.

„Er wird gefangen sein in seinen Taten bis an sein Lebensende“, ergänzt der Rechtsanwalt. „Nach 30 Jahren sind auch diese Forderungen verjährt“, entgegnet der Richter. Am Donnerstag könnte dem Vorsitzenden zufolge schon ein Urteil fallen. Dass es eine Haftstrafe geben wird, ist dem Vernehmen nach sicher. Der Verteidigung zufolge bereitet sich H. bereits auf seinen Gefängnisaufenthalt vor. Nach Verbüßung der Haft wolle er versuchen, einen Job bei einem nahe gelegnen Flughafen oder der Bahn zu bekommen, heißt es von H. selbst.

12 Gedanken zu “Richter: „Totalausfall der Kontrolle“ bei Sparkasse Oberhessen

  1. @ Axel Werner Hoffmann

    Der Wahnsinn hat Methode. Im Vogelsberg heißt das „gut vernetzt“, obwohl es sich um reine Seilschaften handelt (siehe https://www.business-wissen.de/artikel/kontakte-durch-netzwerke-und-seilschaften/). Anderes Beispiel für die Verquickung von Politik und Wirtschaft im Vogelsberg: Die unübersichtlich verschachtelte OVAG (Anteilseigner Vogelsbergkreis, Wetteraukreis und Landkreis Gießen) über ihre Schwester-Gesellschaft Hessen-Wind in Vertretung eines Privatunternehmens eine Windkraftanlage in den Wald, deren Fundament entgegen den vorgelegten Plänen nicht als Flachgründung ausgeführt wird, sondern mit sogenannten Rüttelstopfsäulen von 13 Metern Tiefe, die bis in wasserführende Schichten reichen und das Grundwasser gefährden. Das Amt für Bauen und Umwelt des Vogelsbergkreises hätte das überwachen und verhindern können, denn 13 m tiefe Rüttelstopfsäulen entstehen nicht einfach so über Nacht. Doch dann hätte der VB als Bauaufsichtbehörde sich selbst als OVAG-Anteilseigner und Auftragnehmer eines Privatinvestors überwachen müssen. Aber so ist es eben im Vogelsberg: Politik und Wirtschaft tauschen nach Belieben die Pöstchen und schanzen sich die lukrativen Pfründen zu. Und wir kleinen Leute sind am Ende die Gelackmeierten, die sich an überteuerten Nachtspeicher-Tarifen und Energiewende-Subventionen dumm und dusselig bezahlen. Aber bald ist ja Landtagswahl. Warum halten wir uns nicht an die lockeren Sprüche von Frau Nahles: Morgen Kinder wird’s was geben… nämlich auf die Fresse!

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  2. @Hans Schneck

    Danke für die Aufklärung. Da scheint wirklich mit zweierlei Maß gemessen worden zu sein. Wäre interessant, ob die Untergebene von H. sich ihrer Kündigung arbeitsrechtlich widersetzt und dami8t Erfolg hat. Hier hätte auch Landrat Görig sich mal für die Belange der kleinen Leute einsetzen können, um sozialdemokratisches Profil zu zeigen. Aber Schleckerfrauen und Tengelmänner bringen natürlich mehr Punkte als eine kleine Sparkassenangestellte in der Provinz. Nicht zu vergessen das nachfolgende Zitat aus oberhessen live (https://www.oberhessen-live.de/2017/08/29/landrat-manfred-goerig-eher-pragmatiker-als-rampensau/): „Görig bleibt allerdings bei seiner Aussage: Mit dem operativen Geschäft habe er selbst nichts zu tun – und Vorstandschef Günter Sedlack habe auch in der Krise einen prima Job gemacht. Das ist eine Sichtweise, die man nicht unbedingt teilen muss. Doch der große Aufschrei der Opposition blieb bislang aus.“
    Vielleicht hilft der große Aufschrei der Oberhessen-online-Leser dem Landrat dabei, sich an die Wählerschichten zu erinnern, die die Sozialdemokratie groß gemacht haben.

  3. @ulrich Lange
    Mit Bauernopfer und „die Kleinen“ meine ich die offenbar schnell entlassene Untergebene des H., während dessen direkter Chef wohl frühestens zum Jahresende gehen soll (vermutlich wird er weggelobt). Der Chef Revisor sitzt wohl auch noch fest im Sattel, ganz zu Schweigen vom obersten Chef und Zampano Sedlak, der die eigentliche Verantwortung tragen müsste- dafür auch fette Kohle einsteckt- und deshalb als erster in hohem Bogen rausfliegen müsste.

  4. @Thomas Schneider

    Der Wahnsinn hat Methode. Im Vogelsberg heißt das „gut vernetzt“. Wenn zum Beispiel die unübersichtlich verschachtelte OVAG (Anteilseigner Vogelsbergkreis, Wetteraukreis und Landkreis Gießen) über ihre Schwester-Gesellschaft in Vertretung eines Privatunternehmens eine Windkraftanlage in den Wald haut, deren Fundament entgegen der bundesimmissionsschutzrechtlichen Genehmigung und der vorgelegten Pläne nicht als Flachgründung ausgeführt wird, sondern mit sogenannten Rüttelstopfsäulen von 13 Metern Tiefe, die bis in wasserführende Schichten reichen und das Grundwasser gefährden, dann hätte das Amt für Bauen und Umwelt des Vogelsbergkreises das überwachen und verhindern müssen und können, denn 13 m tiefe Rüttelstopfsäulen entstehen nicht über Nacht. Doch auch hier wieder Vertrauensseligkeit wie in Grimms Märchen. Vogelsbergkreis als Behörde hätte Vogelsbergkreis als OVAG-Anteilseigner und Auftragnehmer eines Privatinvestors überwachen müssen. Am Kopf stinkt der Fisch und hinten scheißt die Ente. Politik und Wirtschaft tauschen nach Belieben die Pöstchen und schanzen sich die lukrativen Pfründen zu. Und wir kleinen Leute sind am Ende die Gelackmeierten, die sich an überteuerten Nachtspeicher-Tarife und Energiewende-Subventionen dumm und dusselig bezahlen. Bald ist Landtagswahl und halten wir uns an die lockeren Sprüche von Frau Nahles: Morgen Kinder wird’s was geben… nämlich auf die Fresse!

  5. @Thomas Schneider
    Sie sprechen einen Missstand an, der unser Staatswesen zunehmend dysfunktional macht. Hinzu kommt der Abbau von Manpower in Justiz und Verwaltung aufgrund neoliberaler Glaubenssätze („schlanker Staat“). Da kann man Gesetze machen wie man will. Wenn dann niemand da ist, der ihre Einhaltung überwacht, macht der schlanke Staat uns alle ärmer und nur die Rechtsbrecher fett. Aber das ist ja vielleicht das Endziel des Neoliberalismus.

  6. @ Hans Schneck

    Sie haben recht: „Die Kleinen hängt man…“ Ich habe allerdings nicht verstanden, wer hier das Bauernopfer sein soll, d.h. welche niederrangige Person „geopfert“ wurde, um Führungspersonen zu schützen (vgl. https://www.redensarten-index.de/suche.php?suchbegriff=~~ein%20Bauernopfer&bool=relevanz&suchspalte%5B%5D=rart_ou)? Meines Erachtens darf man die verschiedenen Ebenen – strafrechtliche Verantwortung, nicht justiziables Versagen verantwortlicher Vorgesetzter – und bestimmte Missstände im gesamten Umfeld (politisch, wirtschaftlich usw. nicht zu sehr vermischen. Wenn man die vorliegende Sparkassen-Affaire denn als Lehrstück begreifen will, dann müsste man vielleicht den überall herrschenden Anpassungsdruck beklagen, der es verhindert, dass Missstände oder Verfehlungen Einzelner an das Licht der Öffentlichkeit gelangen. Ich bin immer wieder erschrocken, wie unfrei diverse Amtsträger in ihren Funktionen sind. Ständig muss abgewiegelt, schön gefärbt und (auch gegen das eigene Gewissen oder den eigenen Sachverstand) „mitgetragen“ werden, was dann schwere Fehlentwicklungen oder Schäden für die Allgemeinheit bewirkt. In Sonntagsreden wird ständig nach Whistleblowern verlangt. Wenn man aber sieht, wie es denen ergeht, müsste man jedem raten, lieber mit den Wölfen zu heulen oder mit den Schafen zu blöken!

  7. Das Gemauschel von Politik und öffentlich-rechtlicher Sparkasse erreicht nun seinen Höhepunkt; über zehn Jahre konnte ein Verbrecher ungestört schalten und walten, und die Vertreter der politischen Kontrollorgane schweigen dazu. Die Sparkasse läßt dafür die Lauterbacher Stadtkirche weihnachtlich erleuchten und tut so, als ob nicht passiert ist. In diesem Jahr wurden mit der Begründung der Kostenerhöhung die Gebühren wieder saftig erhöht. Warum gibt es keine Instanzen, die diesem Treiben ein Ende setzen und deutliche Zeichen setzen mit nach aussen wahrnehmbaren Konsequenzen? Wir brauchen für solche Skandale nicht mehr nach oben deuten, wir haben sie vor der Haustüre. Wie tief ist dieses Land gesunken, dass solche Ereignisse ohne Aufschrei der Öffentlichkeit vonstatten gehen klnnen? Der gesamte Vogelsberg scheint derweil im vorweihnachtlichen Winterschlaf zu verharren. Die Fusion zur Sparkasse Oberhessen hat für den Vogelsberg nichts Gutes gebracht. Warum können benachbarte Institute gleicher Struktur ohne wirtschaftlichen Probleme weiterarbeiten? Sind Sparkassen, Stromversorger oder Müllzweckverbände nur noch dazu da, „verdienten“ Politikern aus den beiden Landkreisen den künftigen Ruhestand zu versilbern?

  8. Nicht zu vergessen alle Politiker die im Aufsichtsrat sitzen. Das ist die absolute lachnummer, das in den Konzernen lauter Politiker in den Aufsichtsräten sitzen und von denselben bezahlt werden. Da ist doch klar das sie nur die Belange der Konzerne vertreten, anstatt diese zu beaufsichtigen und wenn etwas schief läuft einzugreifen.

  9. Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Maik H. … Ach, ja – da werden doch gleich zwei Feindbilder bedient: Der überbezahlte leitende Sparkassen-angestellte und der SPD-Kommunalpolitiker… Totalausfall der Kontrolle… „Mit einem System aus verwirrenden bankinternen Buchungen hat der Angeklagte den Abfluss des Geldes verschleiert.“ … „Die Hauptschwachstelle seien aber nicht die dem Angeklagten unterstellten Mitarbeiter gewesen, sagt der Prüfer – sondern der direkte Vorgesetzte des Angeklagten. Dieser habe H. so viel vertraut, dass er sogar auf die vorgeschriebenen vierteljährlichen Prüfungen von gewissen Konten absah, für die H. zuständig war.“
    Weist der Fall Maik H., der zugleich ein „Fall Sparkasse Oberhessen“ und vielleicht sogar ein „Fall Kommunalpolitik“ ist (schließlich sitzt SPD-Landrat Manfred Görig im Verwaltungsrat des Geldinstituts!) nicht auf das Grundproblem hin, das man mit den Worten eben dieses Landrats folgendermaßen beschreiben könnte: „„Im Vogelsberg sind die aktiven Menschen gut vernetzt, und die Beteiligung ist gut organisiert“. Vielleicht ist man einfach z u gut vernetzt und ist die Bürgerbeteiligung so gut organisiert, dass die Mächtigen und ihre Entscheidungen ganz einfach zu wenig kontrolliert werden (siehe
    http://fzulrichstein-buergerforum.npage.de/gut-vernetzt-im-vogelsberg.html).
    Man könnte sich doch einmal fragen, warum die notorisch klammen Kommunen nicht viel stärker auf die selbst im Zinstief noch sprudelnden Gewinne der Sparkassen zugreifen. Auch das ARD-Magazin „Panorama“ hat sich diese Frage schon mit Gewinn gestellt (siehe http://www.ardmediathek.de/tv/Panorama/Keine-Aussch%C3%BCttung-Sparkassen-horten-Ge/Das-Erste/Video?bcastId=310918&documentId=35597598). Allgemein und für die heimische Region ist eine Antwort schnell gefunden. Wer sitzt mit im Verwaltungsrat der Sparkasse? Der Landrat. Und wer sitzt in dem erlauchten Kreis, den der Landrat nach Gutsherrenart zusammenruft, wenn einmal wieder „Bürgerbeteiligung“ gefragt ist (z.B. im Zusammenhang mit den in den Vogelsberg fließenden Summen für alle möglichen Förderprogramme)? Richtig: Der Sparkassendirektor! Ob da in der Sparkasse Millionen abhanden kommen oder im Rahmen von Fördermaßnahmen unter angeblicher Bürgerbeteiligung Hunderttausende in undurchsichtigen Kanälen (Stichwort Beratungs-Büros) oder irgendwelchen Nonsense-Projekten wie der vorübergehenden Anmietung von drei Batterieautos unter der Überschrift „E-Mobilität im Vogelsberg) versickern, macht vielleicht juristisch einen Unterschied. Im Prinzip sind aber die Ursachen gleich: Zu viel „Vernetzung“, zu wenig Kontrolle durch den in aller Regel von wirklicher „Beteiligung“ ausgeschlossenen Bürger. Die Kontrollmechanismen werden ausgehöhlt, wenn die zu Kontrollierenden selbst bestimmen können, wie und durch wen sie kontrolliert werden (Stichwort intransparente Zugangswege zur Bürgerbeteiligung) oder sich unter den bestens vernetzten Seilschaften Vertrauensseligkeit als Grundmentalität (und wahrscheinlich Zugangsvoraussetzung) ausbreitet.

  10. Zu dem Kommentar von „Pecker“: Die Kleinen (damit meine ich natürlich nicht den H.) hängt man, die Großen lässt man laufen……so war das halt schon immer und so ist es auch hier der Fall! Bauernopfer gesucht und gefunden.

  11. Ich frage mich, wieso bislang offenbar nur eine Untergebene des Kriminellen H. entlassen wurde und sein Direkter Vorgesetzter erst zum Jahresende gehen muss / beurlaubt ist. Wieso ist niemand von der Revision entlassen worden, die ja die eigentliche Kontrollfunktion ausgühren muss. Und wieso sitzt eigentlich dieser Sedlak noch nicht auf der Straße. Der ist doch derjenige, der als Vorstandsvorsitzender die Kontrollsysteme nicht nur installieren sonderen auch deren Funktion und Einhaltung überwachen muss. Der Fisch stinkt auch hier vom Kopfe her!

  12. Schande!

    Ich überlege, meine Sparkasse Oberhessen-EC zu zerschneiden und mein Konto woanders zu eröffnen.

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