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KOMMENTAR: Nach tödlichen Schüssen in Alsfeld - Debatte um PolizeieinsatzDarf man die Polizei kritisieren? Aber ja!

MeinungMEINUNG|ALSFELD. Der tragische Tod eines Alsfelders, der durch zwei Schüsse der Polizei ums Leben kam, bewegt die Stadt zutiefst. Nach dem ersten Schock machen sich Fragen breit. Es wird diskutiert – und alleine schon das ist für einige ein Skandal. Hat die Polizei in dieser Situation richtig gehandelt? Und darf man die Polizei überhaupt kritisieren? Die erste Frage ist äußerst komplex, die zweite hingegen ganz einfach zu beantworten: Aber ja! Es ist wichtig, das Handeln der Polizei stets zu hinterfragen. Ein Kommentar von Juri Auel.

Die Polizei wird gegen 22.23 Uhr alarmiert. Bewohner wollen im Bereich der Grünberger Straße Schüsse gehört haben. Beamte der Alsfelder Polizei machen sich auf den Weg, in Streifenwagen und mindestens einem zivilen Polizeifahrzeug. Am Ort des Geschehens angekommen, eröffnet der 54-Jährige das Feuer auf sie. Mindestens sechs Schüsse feuert er insgesamt ab.

Die Beamten kramen ihre Maschinenpistolen hervor, suchen das Gespräch mit dem Herrn. Weil er mit scharfer Munition auf sie zielt, rufen sie ein Spezialeinsatzkommando nach Alsfeld. Als die Spezialisten noch auf dem Weg sind, spitzt sich die Lage zu. Gegen Mitternacht eskaliert sie. Ein Schuss aus einer Maschinenpistole der Polizei trifft den Mann in seiner Brust. Die Beamten fordern ihn erneut auf, seine Pistole niederzulegen. Er reagiert nicht. Kurz darauf ein zweiter Schuss. Wenige Minuten danach ist der Mann tot. So schildert es die Staatsanwaltschaft. Ob ein oder zwei Polizisten geschossen haben, darüber schweigt sie. Es lässt sich vonseiten der Behörde nicht ausschließen, dass es der Mann darauf anlegte, von der Polizei erschossen zu werden.

Der abgesperrte Tatort in Alsfeld. Foto: ol

Der abgesperrte Tatort in Alsfeld. Foto: ol

Wie schrecklich muss das sein? Für die Familie des Erschossenen, die mit ihm in dem Haus wohnte? Für die Nachbarn, die das Ganze an dem Abend mitbekommen haben? Und natürlich für die Polizisten, die am Einsatz beteiligt waren. Natürlich ließe sich einfach sagen, auf solche Fälle werden sie trainiert, das ist ihr Job. Jemanden im Einsatz zu töten und selbst beschossen werden – Berufsrisiko. Doch so einfach ist das nicht.

Der oder die Beamten, die auf den Mann geschossen haben – und auf die vorher selbst geschossen wurde –  werden diesen Einsatz ihr Leben lang nicht vergessen. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass sie professionelle Hilfe brauchen, das Erlebte zu verarbeiten. Ob sie sich nun als Helden fühlen, denen die Stadt zu danken hat? Wahrscheinlicher ist, dass sie diesen Abend am liebsten ungeschehen machen würden.

Die Staatsanwaltschaft hat aktuell keine Zweifel daran, dass die Beamten in Notwehr handelten und von ihrer Seite aus nur geschossen wurde, um ihr eigenes Leben und das der übrigen Bevölkerung zu schützen. Die Bedrohung für sie und andere war so wie es aussieht akut. Deswegen gab es keinen Warnschuss. Deswegen zielten sie auf den Oberkörper des Mannes und nicht auf seine Arme oder Beine. Diese Vorgehensweise ist nachvollziehbar. Es gibt seitens der Ermittlungsbehörden ebenfalls keinen Zweifel daran, dass die Polizisten alles andere versucht haben, um die Situation friedlich und ohne Blutvergießen zu beenden. Und das ist – man kann es gar nicht genug betonen – Gott sei Dank der Standard der deutschen Polizei.

Elf Tote durch Schüsse der Polizei

Alsfeld wird durch die Ereignisse Teil einer zum Glück sehr überschaubaren Statistik. Wie SPIEGEL ONLINE berichtet, kamen durch den Schusswaffengebrauch von Polizisten in Deutschland im Jahr 2016 „lediglich“ elf Menschen ums Leben, 28 wurden verletzt. In anderen Ländern liegen diese Zahlen deutlich höher. Beispiel USA: Auf die Bevölkerungszahl umgerechnet töteten US-Polizisten 20 mal mehr Menschen im selben Zeitraum – in absoluten Zahlen waren es 963. Deswegen ist in Deutschland die Diskussion um Polizeigewalt zu Recht eine andere als in den USA, wo Konfliktlagen von der Polizei eher nach dem Motto „erst schießen, dann fragen“ gelöst zu werden scheinen.

Der Vergleich zeigt, dass der Gebrauch der Schusswaffe in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern tatsächlich für die Polizei die Ultima Ratio, die letzte verbleibende Möglichkeit, ist. Und dafür kann man den Verantwortlichen nicht genug danken und seinen Respekt erweisen.

Doch auch wenn die Polizisten in Deutschland nicht blind drauflosballern, so ist es hier wie in anderen demokratischen Rechtsstaaten natürlich nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Öffentlichkeit, das Handeln der Beamten zu hinterfragen. Das Argument der Polizisten, sie seien Profis und der Laie hätte keine Ahnung von Polizeitaktik, zieht nicht. Das Recht, das Vorgehen der Sicherheitsbehörden zu hinterfragen unterscheidet die Demokratie von einem Polizeistaat oder einer anderen Form der Diktatur, und es unterscheidet unsere Polizei von irgendeiner dahergelaufenen Privatmiliz oder Söldnerbande. Wer das Gewaltmonopol in einem demokratischen Staat hat, der muss sich immer rechtfertigen, wenn er seine Gewalt einsetzt. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

Falsches Verhalten im konkreten Fall höchst unwahrscheinlich

Dass aber der Alsfelder Polizei im konkreten Fall ein falsches Verhalten vorzuwerfen ist, ist nach allem was wir und die Staatsanwaltschaft bislang wissen höchst unwahrscheinlich. Der 54-Jährige soll schon am frühen Abend Suizidabsichten geäußert haben, die Streife nahm zwei Gewehre von ihm mit. Unwahrscheinlich, dass die Beamten ihn nicht fragten, ob er noch mehr Waffen in seinem Haus hatte und damit eventuell fahrlässig handelten. Hätten sie ihn zusätzlich zu seinem eigenen Schutz einweisen lassen sollen? Schwer zu sagen. Derartige Drohungen sich umzubringen kommen ziemlich häufig vor, sagt die Staatsanwaltschaft. Sehr oft seien sie nicht ernst gemeint.

So bleibt es dabei: Im Allgemeinen ist es immer richtig und wichtig in einer Demokratie, das Handeln der Polizei zu hinterfragen. Wenn sich herausstellt, dass die Beamten richtig gehandelt haben, ist alles gut. Und wenn die Polizei wie beim G-20-Gipfel in Hamburg erst durch den Druck der Öffentlichkeit Fehler zugibt, ist es sogar noch besser.

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14 Gedanken zu “Darf man die Polizei kritisieren? Aber ja!

  1. Wo leben wir den hier? Da liegt schon einer auf der Straße und ballert mit seiner scharfen Waffe weiter um sich. Ohne Rücksicht auf das Leben von anderen!
    Was wäre denn gewesen, wenn es einen Unschuldigen getroffen hätte?
    Wenn der Vorfall früher eingetroffen wäre und ein Kind aus reiner Neugierde in die Fronten geraten wäre, was sagt ihr dann?
    Und ihr diskutiert hier über eine Entscheidung, die ein Polizist in Sekunden treffen musste.
    Ihr diskutiert hier über Menschen die uns beschützen sollen, denen aber unser Staat Steine in den Weg legt, wenn sie Recht und Ordnung aufrechterhalten wollen.
    Wenn es sein Wille war aus dem Leben zu scheiden (laut Bericht), dann ist es schade, das Kugeln vom Steuerzahler dazu benutzt werden mussten und ein Polizist sich jetzt dafür rechtfertigen muss und jetzt damit leben muss, einen Menschen erschossen zu haben.
    «Ne schöne Jrooß ahn all die, die unfählbar sinn»

  2. Kritisieren? Nein! Niemand der der der Situation nicht beigewohnt hat, kann eine Beurteilung treffen. Qualifizierte, geschulte Polizisten, müssen ad hoc Entscheidungen treffen, die u.U. über Leben und Tod entscheiden. Die Beurteilung der Situation liegt bei der Staatsanwaltschaft und benötigt keine Besserwissereien von Personen, die sich eine Beurteilung glauben anmaßen zu können.

  3. DANKE Gerhard – So ist es !!

    und zu der Abstimmung – mir gefallen keiner der Drei antwort möglichkeiten.

  4. @Reiner Schäfer
    Wer noch „unabhängigen Pressearbeit in unserem Land“ glaubt muss schon sehr Naiv sein…
    Siehe:
    https://fassadenkratzer.wordpress.com/2014/10/31/der-journalismus-als-herrschafts-instrument/
    http://www.wissensmanufaktur.net/pressefreiheit-wird-nur-noch-simuliert

    Übrigens: Es gibt nur wenige Staaten weltweit die mehr Suchergebnisse bei Google entfernen lassen wie die BRD.
    https://www.dailysabah.com/deutsch/deutschland/2017/08/28/google-transparenzbericht-deutschland-belegt-bei-internetzensur-spitzenplaetze

  5. Auch ich bin der Meinung, dass die Wichtigkeit der unabhängigen Pressearbeit in unserem Land nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Denn sie ist es, die – wie im Bericht ganz richtig dargelegt – uns von anderen zweifelhaften Staatsformen unterscheidet. Wer diese Tatsache nicht versteht, hat das mit der Demokratie auch nicht verstanden.

  6. Ich finde den Bericht sehr lesenswert. Ich kann darin nichts Verwerfliches feststellen. Ich denke, dass ein paar Leute nicht den Verstand haben, um diesen zu verstehen. Sei des drum…….

  7. Ich danke den Frauen und Männer der Polizei für Ihr Eingreifen in so einer schwierigen Situation! Nicht immer ist es den Helfern vergönnt, eine solche Situation mit einem positiven Erfolg zu meistern!

    Dem Polizisten oder der Polizistin, welche an diesem Abend, eine solch folgenreiche Entscheidung hat treffen müssen, wünsche ich für die Zukunft alles Gute! Ich wünsche Ihnen, dass Ihr Körper und Geist vor Schaden Bewart bleibt!

    Den Hinterbliebenen mein herzlichstes Beileid für Ihren Verlust!

  8. Es scheint so, als hätten die meisten Kommentatoren und Kommentatorinnen weder den Bericht gelesen, noch verstehen sie die Wichtigkeit der Pressearbeit. Selbstverständlich soll und muss jedes Handeln in einer Demokratie und deren Institutionen kritisiert werden (können). Davon lebt eine Demokratie (vom Volk)! Jede/r der meint, dass eine Kritik an einem Ereignis oder einer Tätigkeit einer Diffamierung der Institution und deren Angehörigen (in diesem Fall der Executiven) gleichzusetzen ist, sollte den obigen Bericht nochmals lesen und Wörter wie beispielsweise „Polizeistaat“ oder „Rechtsstaat“ googlen.

    Kritik ja und von jedem! In dieser konkreten Situation soll dann die Judikative entscheiden.

  9. Schickt doch mal dies Schreiberlinge, die so einen Müll verbreiten an die Front. Sollen die sich mal beschießen lassen.

  10. Hallo ohne Worte,
    Ich kann dir nur zustimmen ?
    Da braucht man nicht diskutieren, er war mit einer scharfen Waffe auf der Straße, hat geschossen…

    Mehr braucht man nicht sagen!!!

  11. Wenn ich ich diesen Bericht lese, bekomm ich echt es kotzem im Hals. Polizeibeamte / Leute von der Spezialeinheit genießen eine Ausbildung um mit solchen Situationen klar zu kommen. Wer hier die die Ausbildung der Polizei/Einsatztruppe anzweifelt, sollte sich erstmal inne gehen, was er persönlich selbst als normalo Bürger anrichten kann um was nützliches zu bewerkstelligen ohne selbst erschossen oder angeschossen zu werden. Die Polizei / Sondereinheit hat hier vollkommen richtig gehandelt. Wären noch weiter unschuldige verletzt oder getötet worden, wie wäre dann da das geschrei gewesen, warum Handelt die Polizei nicht !!!!!!!! alleine diese Umfrage von Oberhesesen Live finde ich persönlich unter aller Kanone!!!!!, Fakt ist, es wurde ein Mann erschossen, wieviele Unbeteiligten wurden verletzt? Hätte es auch schlimmer kommen / sollen müssen damit der Tod des Amokläufers gerechtfertigt ist?

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