Gesellschaft0

Mit dem Daumen im Wind um die Welt: Stefan Korn berichtet von unterwegs – Eher zwiespältige Erfahrungen als segelnder Tramper auf dem OzeanEin Tattoo besiegelt die erste Atlantik-Überquerung

VOGELSBERGKREIS/ATLANTIK. Als Tramper einmal um die Welt: Das ist das Ziel, das sich der 30-jährige Stefan Korn aus Hopfgarten gesteckt hat, als er im Oktober 2014 zu einer fantastischen Langzeitreise aufbricht. Bei Oberhessen-live berichtete er bereits über seine Erfahrungen des ersten Jahres. Nun erzählt Stefan Korn von einer wahrlich ungewöhnlichen Reiseetappe: wie man als Tramper über den Atlantik kommt. Von Seekrankheit, Einöde und netten Schweden.

„Du kannst mit Segelbooten über den Atlantik trampen!“, meinte irgendwann mal jemand zu mir. Nicht, dass mich Segeln großartig reizen würde. Aber über Ozeane trampen? Das klang spannend. Das klang nach absoluter Bewegungsfreiheit. Das klang so, als ob ich das irgendwann mal ausprobieren müsste.

Ich war zuvor noch nie auf einem Segelboot, als ich in diesem milden Oktober gerade auf dem Weg nach Gibraltar war. Segeln? Das hab ich mit Stürmen, Seekrankheit und weißen Walen die alte Holzschiffe zerlegen, verbunden. Cirka 10 Tage verbrachte ich in der Marina auf Gibraltar, habe Kontakte geknüpft, Segler getroffen und bin mit englischen Marines in diversen Nächten in den örtlichen Pubs abgestürzt. Irgendwann hab ich dann das erste Boot gefunden, was mich und eine Freundin mitnehmen sollte. Von Gibraltar nach Teneriffa. Ein guter 4 Tage-Turn. Ideal um erste Segelerfahrungen zu sammeln. Unser Kapitän war ein alter Seebär und bereit, uns Jungspunde in die Lehre zu nehmen.

OL-SegelTrampen0137

Sturm an Bord der Segelyacht: Der mitschwingende Herd zeigt, wie schief das Boot gerade liegt.

Seekrank im heftigen Sturm

Mein Leben hat eine komische Angewohnheit: Wann immer ich eine neue Sache beginne, kommt es erstmal knüppeldick. Mein zweiter Segeltag war mal wieder so eine Schicksalsfügung. Wir segelten in einen ordentlichen Sturm. Ich war schon leicht seekrank, was sich durch lähmende Müdigkeit manifestiert hat. Meine Segelkollegen meinten später, dass sie nicht verstehen konnten, wie ich denn so fest schlafen konnte. Ich war einfach seekrank. Ich kullerte in meinem Bett von einer auf die andere Seite. Das Boot wurde hin- und her geschmissen. Irgendwann bin ich Nachts auf Deck getorkelt. Mal sehen was eigentlich los war.

Wellen peitschten gegen unser Verdeck. Der Kapitän musste im Sturm den Autopilot ausmachen und steuerte das Ruder per Hand. Seine Augen funkelten angespannt. „Das ist Segeln! HAHAHA!“, rief er mir zu, gefolgt von mit Wahnsinn unterlegter Lache. So lustig fand ich das nicht. Mir war eher elend zumute und ich kaute einen Kaugummi gegen die Übelkeit. Unser alter Seebär fand dass dann auch irgendwann nicht mehr so lustig, und wir änderten den Kurs Richtung Afrika. Gegen Morgengrauen legten wir in einem marokkanischen Industriehafen an. Keine Chance, durch diesen Sturm hindurch zu segeln. Es war der schlimmste Sturm, den ich in zwei Monaten auf den Ozeanen erleben sollte. Aber ich wusste es nicht besser und dachte, dass würde die nächsten 4000 Kilometer so weitergehen. Der Transatlantik war aber recht sonnig und angenehm.

OL-SegelTrampen0117

Selfie als frischgebackener Seebär: Stefan Korn mit Atlantik-Weite.

OL-SegelTrampen0050

Auf dieser Yacht überquerte Stefan Korn in 19 Tagen den Atlantik.

In 19 Tagen von Teneriffa in die Karibik

19 Tage brauchte unser Boot um von Teneriffa in die Karibik zu segeln. Nach 15 Tagen haben wir das erste Mal ein Lebenszeichen von einem anderen Boot erhalten. Davor war jeden Tag nur Wasser, Wellen und Wolken um uns herum. Sehr eintönig. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie spannend so ein kleines Segelboot am Horizont sein kann. Für manche ist der Transatlantik ein Lebenstraum. Ich fand das ziemlich öde. 19 Tage auf kleinstem Raum hat bei uns zu einem Lagerkoller geführt. Ich hab ein Segeltagebuch https://warmroads.de/de/segeltagebuch-transatlantik/ geführt und den Verfall der Harmonie ausführlichst dokumentiert. Aber eine Sache ist mir besonders in Erinnerung geblieben.

OL-SegelTrampen0497

Segeln, wie es Spaß machen kann: an Bord des schwedischen Schoners mit jungen Leuten…

OL-SegelTrampen0505

…und dabei am Steuerrad den Kurs haltend.

Wer meinem Blog folgt, der wird wissen, dass mir schon viel Scheiße passiert ist auf meiner Reise. Ich kann aber sagen, dass der größte Schock auf diesem Segelturn geschah (vielleicht auch, weil ich mit der Zeit abstumpfe). Wir waren gerade in der Mitte des Atlantiks, was bedeutet, dass 2000 bis 3000 Kilometer um uns herum nichts als Wasser ist. Unser Baum war nicht richtig fest, die Großschot löste sich, und mein französischer Mitsegler wurde am Kopf getroffen. Platzwunde, Blut und Panik. Es ist ein sehr beklemmendes Gefühl, wenn ihr wisst, das jegliche medizinische Versorgung mehrere Tage entfernt ist. Was passiert, wenn sich die Wunde entzündet? Müssen wir nun nähen? Wird mein Freund nun sterben? Wir hatten sehr viel Glück, dass es nur ein kleiner Cut war, aber mir ist das Herz ordentlich in die Hose gerutscht. In solchen Momenten wird einem auch bewusst, dass Segeln kein Spiel ist und man immer wachsam sein muss. Das Meer vergibt nicht.

Ich will hier aber nicht den Eindruck erwecken, dass es generell eine gefährliche und unangenehme Sache wäre. Nach zwei bis drei Tagen habe ich mich meist an das Schaukeln gewöhnt. Und irgendwann kann man dann sogar unter Deck gehen und etwas kochen, ohne Übelkeit und Schwindel zu erleben. Nur mit dem Alkohol sollte man aufpassen! Keine gute Idee.

OL-SegelTrampen0514

Landausflug mit der Besatzung des Schoners.

Viel Technik auf dem Segelboot

Die meisten Segelboote sind sowieso voll mit Technik. Kursänderung über Knopfdruck. Segel werden mit elektrischen Seilwinden bearbeitet. Und das Navigationssystem hat einen schicken Touchscreen, der allerdings nicht funktioniert, wenn Salzwasser darauf kommt. Ich musste feststellen: Segeln ist meist ein Hobby von reichen Rentnern. Während ich durch die Seglerbars gezogen bin, um meinen nächsten Lift zu finden, habe ich mich manchmal wie in der High-Society gefühlt. Nicht meine Welt. Tramper und Segler gehen nicht so gut zusammen, weshalb ich auch kein Promoter des Trampens mit Booten bin https://warmroads.de/de/segelboot-trampen-abschliessende-betrachtungen/ . Zuviele kulturelle Missverständnisse. :)

Erst auf meinem vierten Boot sollte ich erfahren, wie viel Spaß Segeln machen kann. Wir waren auf dem Weg von den Grenadinen nach Trinidad. Die Crew bestand ausschließlich aus Schweden, alle mein Alter oder jünger. Das Boot war ein Schooner (Doppelmaster), 1991 in Deutschland hergestellt, mit einem soliden Stahlrumpf. Hier gab es keinen Autopilot. Wir wechselten uns am Ruder ab. Neun Stunden Pause und drei Stunden Segeln war der Tages-Rhythmus. Ich hab gehört, es gibt Menschen die dafür bezahlen, dass sie mit Handsteuerung über den Atlantik segeln dürfen, weil das heute kaum einer mehr macht. Aber wahr ist auch: Erst wenn man am Ruder steht, kriegt man ein Gefühl für das Boot und die Bewegung. Ein Gefühl für den Wind, die Wellen und welchen Kurs man ansteuern kann, ohne dass die Segel aus dem Wind genommen sind. Es ist ein gutes Gefühl. Das ist Segeln!

OL-SegelTrampen0142

Viel Wasser und Himmel, sonst nichts, da wird eine Landsichtung richtig spannend.

OL-SegelTrampen0851

„Wenn neue Segel aufgezogen wurden, dann mussten alle an Deck“

Auf meinem Schwedenboot hatten wir keinen Schnick-Schnack an Board. Kein Navigationssystem. Keine elektrischen Seilwinden. Wenn neue Segel aufgezogen wurden, dann mussten alle an Deck. Anpacken. Teamwork. Muskelkraft. Wir waren eine gute Mannschaft! Wenn die Chemie an Board stimmt, dann ist das Boot-Leben ein Riesenspaß. Auch die kleineren Katastrophen an Bord. Einen Tag lag ich nichts ahnend in meiner Kajüte, als der Steuermann plötzlich ins Boot schrie: „Wave!“. Wir wurden von einer Monsterwelle auf Backboard getroffen. Das Boot legte sich quer, so dass ich fast aus meinem Bett fiel. Meine Dachluke war nicht richtig geschlossen, und ich erhielt eine gratis Salzwasserdusche. Mein Bett war nass. Auch das ist Segeln: Salz und Feuchtigkeit!

Auf dem Schwedenboot kam auch die Idee für ein erstes Tattoo. Einen Anker. Weil: Der Anker war ursprünglich ein traditionelles Seglertattoo für Menschen, die den Atlantik auf einem Boot überquert haben. Die Schweden wussten das. Alle auf dem Boot haben sich tätowieren lassen. Auch ich. In Erinnerung an meinen Transatlantik. Manche sagen, ich sei nun ein echter Segler. Ich bin aber immer noch Tramper! Und so kam ich nach Südamerika. Bald war ich in Venezuela! Meine Reise ging durch Brasilien und den Amazonas in Richtung Uruguay. Aber davon erzähle ich ein anderes Mal.

Stefan Korn

OL-Stefan-K-3012

Und da ist es, das schwer erkämpfte Tattoo.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren