Gesellschaft1

Enthusiasten des Museumsvereins entzünden den alten Schmerofen vor PublikumNun schwitzt das Holz wieder den Schmer aus

KIRTORF (mb). Es hat mehr als 55 Jahre gedauert, aber nun haben Mitglieder des Heimatvereins Kirtorf eine alte Tradition wieder belebt, die zu den ausgestorbenen Berufen zählt: die Herstellung von Schmer –  Teer – aus Kienholz. Mit großer Spannung wurde die Wiederinbetriebnahme des Kirtorfer Schmerofens am Sonntagnachmittag von Bewohnern, aber auch interessierten Auswärtigen, erwartet. Es wurde ein kleines Fest.

In einem Team von 15 Leuten, hauptsächlich Mitglieder des Heimatvereins Kirtorf, haben es sich Enthusiasten aus Kirtorf zur Aufgabe gemacht, das Traditionsgut wieder in Stand zu setzen. Reinhold Wolf, Projektleiter der Baumaßnahmen, erklärt dem Publikum den den Ofen, während er sich an der Öffnung zu schaffen macht: „In den inneren Teil des Ofens, der sogenannten Blase, legen wir Kienholz. Dies ist stark harzhaltiges Kiefernholz. Im äußeren Bereich des Ofens brennen wir dann das Holz ab. Durch die Hitze, die dann entsteht, fängt das Holz an zu schwitzen. Als erstes entweicht das Wasser. Danach können wir etwa zwei bis drei Liter Kienöl entnehmen. Am Ende kommt dann eine große Menge Schmer.“

OL-Schmerofen1-0809

So sieht der Ofen aus, den Reinhold Wolf hier dem Publikum erklärt.

OL-Schmerofen3-0809

Wieviel genau, wissen die Ofenbetreiber noch nicht. „In etwa 20 bis 30 Liter“, schätzt Reinhold Wolf. Der Schmer wurde früher hauptsächlich zur medizinischen Behandlung von Tieren verwendet, zu Teilen aber auch für den Menschen. Was die Ehrenamtlichen mit dem Schmer später machen wollen, wissen sie noch nicht. Erst einmal soll überprüft werden, ob das Projekt erfolgreich verlaufe. Während der Schmerofen früher bis zu dreimal jährlich angezündet wurde, wird er nun – je nach Erfolg des Projekts – alle ein bis zwei Jahre in Betrieb genommen.

Der Ofen brennt bis zum 13. September

Dieses Jahr wird er eine Woche, bis zum 13. September, brennen. In dieser Zeit können sich Interessierte im Museum Kirtorf ein Bild über das Schmerbrennen machen. Das Museum feiert dieses Jahr zehnjähriges Bestehen, und der rote Faden der diesjährigen Ausstellung bildet auch das Schmerbrennen. So kamen die Helfer auch auf die Idee, den unbenutzten und eingefallenen Ofen wieder Instand zu setzen. Dafür musste fast das gesamte Bauwerk abgetragen werde – nur die innere Blase war noch intakt. Am Ende wurde dann auch für die äußere Hülle des Ofens hauptsächlich das ursprüngliche Material wiederverwendet.

OL-Schmerofen2-0809

Für die Betreuer des Feuers gibt es eine eigene Lagerstätte. Aus dem Abschluss sollen bis zu 30 Liter Schmer kommen.

OL-Schmerofen11-0809

Die „Schmerschorche“ übernachten vor Ort

Während der Woche Brennzeit müssen immer zwei Freiwillige den Ofen beobachten – auch über Nacht. Dieser steht nämlich mitten im Wald nahe der Stadtgrenze. Dafür wurde in der Schmerhütte ganz traditionell ein Strohbett aufgebaut. Die „Schmerschorche“, wie sich die Bewacher des Schmerofens traditionell nennen, nehmen ihre Aufgabe ernst. Der letzte „Schmerschorch“ Kirtorfs war übrigens Konrad Graulich, der den Ofen 1948 anfeuerte.

Die Besucher des Schmerofens sind sehr interessiert. Viele informieren sich im Vorfeld über die Funktionsweise des Ofens. Es sind eine ganze Menge Menschen, die sich für den Ofen interessieren. Für das leibliche Wohl ist auch gesorgt, es gibt Waffeln und Kaffee. Die Mitglieder des Deutschen Roten Kreuzes unterstützen die Schmerbauer tatkräftig.

Gleich ist es soweit, und der Ofen wird angezündet. Helmut Meß, Vorsitzender des Heimatvereins, eröffnet den Ofenbrand mit einer kurzen Rede, und die vielen Besucher des Nachmittags reihen sich um ihn. Er erinnert kurz an die Funktion des kleinen Platzes im Wäldchen nahe Kirtorf. Schon früher nutzte man ihn für gesellige Anlässe wie zum Beispiel an Himmelfahrt.

OL-Schmerofen7-0809

Zahlreiche Besucher verfolgten das Anzünden das Feuers im Ofen. Der brennt nun bis zum 13. September.

OL-Schmerofen4-0809

Dank an die ehrenamtlichen Helfer

Er dankt den 15 Mitgliedern des Heimatvereins für ihr Engagement, allen voran Reinhold Wolf der als Projektleiter fungierte. Weiterhin bedankt er sich bei allen helfenden Institutionen wie der Naturschutzbehörde der Stadt und der Denkmalpflege. Besonders hervorgehoben werden die Mitglieder Hans Müller, Willi Wolf und Peter Knödel, die ein kleines Dankeschön von Helmut Meß überreicht bekommen.

Auch Bürgermeister Ulrich Künz dankt den freiwilligen Helfern, denn es sei heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr, seine Freizeit mit der Aufarbeitung solcher historischen Entwicklungen zu verbringen. Auch er weist auf die Funktionsweise des Platzes als Freizeitzentrum hin, sowie die alte Grillhütte die den Platz bis zu ihrem Brand 1986 schmückte. Anschließend nutzte man den Platz und Umgebung als einen Waldwanderweg. Die Verschönerung des Platzes und den somit zusätzlichen Nutzen den er nun mit dem neuerbauten Ofen darstellt hält er für eine wunderbare Idee.

Reinhold Wolf entzündet die Brennkammer

Dann beginnt Reinhold Wolf mit dem Anzünden der Brennkammer des Ofens, das mit großer Spannung erwartet wird. Mindestens 100 Begeisterte versammeln sich um den Ofen – jeder möchte einen kurzen Blick auf das historische Geschehen erhaschen. Dann ist der Ofen ganz schnell in Brand gesetzt, denn das Kiefernholz fängt schnell Feuer. Im Anschluss verteilt sich die Menge auf den Bänken zum Kaffeetrinken und informiert sich bei Reinhold Wolf über das Geschehen. Im Verlaufe des Tages geht jeder einmal kurz zum Ofen, um einen Blick hineinzuwerfen.

OL-Schmerofen10-0809

Ein großes Bauwerk: der alte/neue Schmerofen.

OL-Schmerofen9-0809

Nach der Entzündung gab es Kaffee und Kuchen.

Wer sich für das Ergebnis und den genauen Brennvorgang im Ofen interessiert, kann sich am 13. September am Gelände des Schmerofens einfinden. Dort wird Dr. Martin Jatho vom Ausbildungszentrum für Natur- und Umweltbildung anschaulich die chemischen Reaktionen während des Brennvorganges erklären. Für Kaffee und Kuchen wird natürlich auch wieder gesorgt sein und eventuell wird es ein kleines Andenken als Überraschung geben.

Erster Erfolg: Das Brandwasser kommt heraus

Nach unablässigem und sich steigerndem Heizen gab das erhitzte „schwitzende“ Kienholz am Dienstag seine ersten Inhaltsstoffe ab, teilt die Stadtverwaltung in Kirtorf mittlerweile mit. Sogenanntes „Brandwasser“ traten über die „Ablaufrinne“ aus.
Am Tag darauf, im Verlauf des Mittwochs, folgt dann der Vorlauf mit dem Auffangen des wertvollsten Produktes, dem „Kienöl“. Weitere zwölf Stunden später wird der „Schwarm“, ein betäubender, starker Dampf, das Austreten von „Schmer“ aus dem Ablauf ankündigen. Über den gesamten Verlauf des Brennvorganges wurde ein Betriebstagebuch geführt, das Interessenten sich anschauen dürfen.

Ein Gedanke zu “Nun schwitzt das Holz wieder den Schmer aus

  1. Hallo zusammen,

    ich habe mich gerade mal vom Schmerofen nach Hause begeben um eine heiße Dusche zu nehmen.
    Ja was soll ich sagen, der Bericht mit den Bildern ist toll. Besten Dank für diesen tollen Beitrag.

    Ich hoffe, dass wir uns am kommenden Sonntag ein weiteres mal am Schmerofen sehn.

    Mit teerigen Grüßen
    Reinhold Wolf

Comments are closed.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren