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Albtraum Amateurfußball – müssen sich Schiedsrichter immer mehr gefallen lassen?„Wieder an die Sportlichkeit appellieren“

ALSFELD (ls). Als Fußball-Schiedsrichter hat man es schon oft nicht so leicht – egal ob in der Bundesliga oder in der Kreisliga. Entscheidungen werden infrage gestellt, nicht selten wird gemeckert – ja, sogar verbal attackiert und das nicht nur von Spielern und Vereinsmitgliedern, sondern auch von Fans. Selten kommt es dann tatsächlich zu Handgreiflichkeiten, wie es am letzten Wochenende in Hattendorf der Fall gewesen sein soll.

Ein ganz normaler Spieltag in der Kreisliga A: Zwei Mannschaften stehen auf dem Platz und spielen um drei weitere Punkte der zweittiefsten Liga Deutschlands – Fußball ganz unten. Vergebene Torchancen, Pässe ins Nirgendwo, verunglückte Aktionen, viel zumeist fair geführte Zweikämpfe, lautes Gemecker, Verwarnungen, gewollte und ungewollte Fouls, Handspiel und natürlich einige Gelbe Karten sowie diverse Platzverweise. Dass eine Partie etwas ruppiger wird, auch das ist normal. Was sich allerdings am vergangenen Freitag auf dem Sportplatz in Hattendorf zugetragen haben soll, ein Skandal.

Der Vorwurf: Körperverletzung

Rückblick: Der Schiedsrichter Jürgen Weilmünster gab gegenüber Torgranate an, nach dem Spiel von einem Zuschauer körperlich attackiert worden zu sein. So etwas habe er in seiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt, zitierte das Portal den Unparteiischen. Eigentlich verlief das Spiel sehr ruhig, in der 60. Minute musste er allerdings nach einem wiederholten Foulspiel eine Gelb-Rote Karte gegen einen Hattendorfer Spieler aussprechen und ein paar Minuten später dann eine Rote Karte gegen einen Akteur von Schwalmtal. Nach dem Spiel wurde Weilmünster in seiner Umkleidekabine laut Torgranate mehrmals geschlagen, woraufhin sein Gesicht auf dem Heimweg anschwoll und er die folgenden Nächte im Krankenhaus verbringen musste.

Weder Jürgen Weilmünster noch der SV Hattendorf waren zu diesem Zeitpunkt zu erreichen. Wenig später eine Pressemitteilung des Vereins, in der sie alle Vorwürfe abstritten: Weilmünster sei in Hattendorf kein Haar gekrümmt worden. Weilmünster halte diese Darstellung für einen Witz, wie er gegenüber der Osthessen-Zeitung verlauten lies. Auch nach mehrmaligen Versuchen war Weilmünster von der Redaktion nicht erreichbar. In den Sozialen Medien äußerte er sich wie folgt zu dem Vorfall: „(…) da es nun ein laufendes Verfahren ist, werde ich keinerlei Aussagen gegenüber der Presse oder sonstigen tätigen“. Seine Schiedsrichtervereinigung Fulda stehe voll hinter ihm und er sei sich sicher, dass die Gerichte den Vorfall ordentlich klären werden.

Solche Gewaltszenen bei Fußball sind mittlerweile kein Einzelfall mehr. Oft beobachtet man von der Seitenlinie aus Szenen verbaler Aggressivität, überkochende Emotionen – von Spielern, Vereinsmitgliedern und Zuschauern gegeneinander und natürlich gegen die andere Mannschaft – und jede Menge Gemecker gegenüber dem Unparteiischen. Ist ein tätlicher Übergriff im regionalen Fußball wirklich ein Einzelfall oder hat dieses Verhalten mittlerweile überhandgenommen? Oberhessen-Live hat mit Schiedsrichterobmann Thorsten Eick darüber gesprochen.

Interview mit Schiedsrichterobmann Thorsten Eick: „Seit Jahren der einzige Übergriff“

Oberhessen-Live: Herr Eick, vielen Dank, dass Sie sich kurz Zeit für uns nehmen. Mittlerweile haben Sie sicherlich von dem Vorfall gehört. Wie würden Sie sich den Vorfall von Freitagabend erklären?

Thorsten Eick: Fußball ist schon ein sehr emotionaler Sport – da kommt es schon mal zu verbalen Aggressionen. Gerade, wenn es einmal für eine Mannschaft nicht so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben, dann sucht man natürlich einen Schuldigen und fokussiert sich auf den Schiedsrichter, den man den „Schwarzen Peter“ zuschiebt. Das gibt es schon immer und egal ob in der Kreisliga oder in der Bundesliga. Und bei dem Vorfall sind wohl die Emotionen übergekocht und dann kommt so was bei rum.

Wie finden Sie es, dass der Unparteiische oft als Schuldiger für ungewollte Ergebnisse und Niederlagen gesehen wird und das in persönlichen Anfeindungen und Aggressionen endet?

Ich finde es natürlich schade, wenn man als Schiedsrichter so gesehen wird. Wir als Schiedsrichter machen unsere Arbeit hier in den unteren Ligen freiwillig und haben schon seit Jahren ein Nachwuchsproblem – solche Bilder machen das natürlich nicht unbedingt attraktiv für die Jugend. Oft wird man angemotzt oder man versucht Entscheidungen zu diskutieren – das ist natürlich anstrengend. Man sollte aber wie gesagt dabei nicht vergessen, dass wir Schiedsrichter auch nur Menschen sind, die das aus Spaß am Sport machen und wo natürlich auch mal Fehler passieren können. Das ist im Profi-Bereich auch nicht anders als hier und sieht man immer wieder.

99 Prozent der Spiele verlaufen normal

Kommt es dann oft dazu, dass ein Schiedsrichter tätlich angegriffen wird? Ist es mittlerweile „Normalzustand“?

Wir hier in Alsfeld sind in der glücklichen Lage, dass solche tätlichen Übergriffe nicht alltäglich sind. Es sind Ausnahmefälle. Ich würde sogar fast sagen, dass der Vorfall von Freitag seit Jahren der einzige Übergriff ist. 99 Prozent der Spiele verlaufen in einem normalen Rahmen, aber leider gibt es auch solche Ausnahmen. In anderen Kreisen kann das schon auch einmal anders aussehen – hier geht es meist nicht über den normalen sportlichen Rahmen drüber.

Zum Abschluss: Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?

Ich würde mir wünschen, dass man als Schiedsrichter auch einfach mal in Ruhe gelassen wird. Durch verbale oder körperliche Attacken wird es nicht besser und das Endergebnis der jeweiligen Mannschaft selbstverständlich auch nicht. Die Leute sollten sich daran erinnern, dass wir die Arbeit freiwillig machen und da sollte man einfach wieder an die Sportlichkeit appellieren, die auch beim Fußball hier im Kreis im Vordergrund stehen sollte.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

4 Gedanken zu “„Wieder an die Sportlichkeit appellieren“

  1. Wer so was macht, sollte sich entschuldigen, statt alles feige abzustreiten. Mein Respekt dem Schiedsrichter, der jetzt meiner Meinung nach auch noch zum Opfer einer Lüge wird.

  2. ,,Die Leute sollten sich daran erinnern, dass wir die Arbeit freiwillig machen„.

    Gibt es jemanden, der dazu gezwungen wird?

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