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Über das Abenteuer eines Zelttrips an der Diemel – Paddeln, Nudeln und bibbernInto the wild light – 1000 Mücken gefällt das

VOGELSBERGKREIS. Was macht ein waschechter Hesse in den Ferien? Er erkundet auf verschiedenste Art und Weise das schönste Bundesland, das trotz Kalendermonat mehr als nur 0815 ist. Da es jedoch viel zu leicht wäre im Garten zu zelten, beschlossen wir ein wenig weiter zu fahren, um zu sehen, was uns abseits unserer eigenen Haustür erwarten würde. Gemeinsam mit fünf Freunden fuhren wir für ein Wochenende an die Diemel und was wir da erlebten, war jenseits des Raum-Zeit-Kontinuums. Denn eins sei vorab gesagt – wer um 6 Uhr morgens Nudeln macht, der hat die Nacht wohl durchgemacht.

Unser Trip startete Freitag vormittags mit dem Einladen von Zelten, Gepäck und Kühlboxen. Angesichts der Tatsache, dass wir zwei Autos und einen Anhänger benötigten, hätten man tatsächlich darauf spekulieren können, dass wir für mehrere Wochen verreisten. Jedenfalls begleitete uns die nächsten 160 Kilometer stets die Sonne und auch die Vogelsberger Landluft wollte bis zu der Ausfahrt auf die Autobahn nicht ganz weichen.

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Die jungen Abenteurer Jessi, Patrick, Pascal, Paul, Julian Johanna.

Gute Laune und David Dundas „Jeans on“ im Auto

Mit offenen Fenstern, guter Laune und David Dundas „Jeans on“ hatte unsere Fahrt eine leicht nostalgische Magie – ganz abgesehen von dem Gestank natürlich. Angekommen in Stammen, befuhren wir schnell den Zeltplatz und fingen an unser luxuriöses Lager aufzuschlagen: Pavillon, Tisch und Stühle, zwei Zelte, Grill und vieles mehr. Wir waren gut vorbereitet. Die Tatsache, dass wir uns einen Platz direkt an der Diemel sichern konnten und somit direkten Zugang zum Wasser hatten, sorgte nicht nur für kühle Getränke sondern, wie sich später zeigte, für den ein oder anderen wortwörtlichen Ausrutscher.

Jedenfalls war der Aufbau-Akt recht schnell bewältigt – an dieser Stelle ein großes Lob an den Erfinder der Wurfzelte – und wir konnten uns direkt abkühlen. Dabei kam mir mein Übermut natürlich wieder unglaublich gelegen, und so stieg ich auf den Baum vor unserem Platz. Da konnte man von verschiedenen Ästen herunter springen und es erweckte nicht den Eindruck, als sei er wesentlich hoch. Was ZehnJährige können, das kann ich auch – dachte ich zumindest – da wusste ich aber noch nicht, dass ich die nächsten 15 Minuten wie ein Huhn auf der Stange hocken würde und es mehrere Kinder brauchen würde, um mir Mut zuzusprechen.

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Zeltplatz-Atmospäre: warmes Licht im Grünen.

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Meine Freunde fanden das zwischenzeitlich sehr lustig, so schmiss der eine doch mit Matsch – kaum zu glauben, dass wir mittlerweile über oder an den 18 Jahren kratzten. Jedenfalls fiel ich dann irgendwann von diesen zwei Metern, und war mir sicher, das nicht noch einmal zu machen. Im Laufe des Abends kamen unsere restlichen Freunde an, die später losgefahren waren und so grillten wir Berge an Fleisch – im Hintergrund die Diemel. Zwischenzeitlich fragte man uns, ob das denn unser Auto mitten im Naturschutzgebiet sei und so mussten wir stillschweigend umparken.

Mit tiefgründigen Gesprächen auf einer Picknickdecke in die Nacht

Der Abend klang mit tiefgründigen Gesprächen auf einer Picknickdecke aus. Johanna und ich waren wunschlos glücklich, da wir so viele Sternschnuppen zählen konnten, dass kein Wunsch mehr übrig blieb. Gegen Mitternacht wurde es jedoch ein wenig ungemütlich und ein Gewitter zog heran. Mutig wie wir sind, begaben wir uns ins Auto, um dort zu schlafen. Vielleicht hätten wir uns ein Bett wünschen sollen – das wäre nötig gewesen. Weder im Fußraum, noch auf der Hinterbank – selbst auf dem Vordersitz – fanden wir einen bequemen Platz, und so blieb uns nichts anderes übrig als bis 4 Uhr morgens Gewitter zu betrachten.

Danach begaben wir uns zurück in unser Zelt, um festzustellen, dass dessen Verpackung ein mieser Lügner war. Denn wasserfest, war das ganze Konstrukt wohl nicht – an dieser Stelle ziehe ich mein Lob wieder zurück. Während es in Strömen regnete, konnten wir nicht einmal in den Komfort unserer Luftmatraze im Zelt kommen und so saßen wir unter dem Pavillon und plünderten die Vorräte, darunter saure Gurken, Apfelmus und Brezeln.

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Der Versuch, eine Flaschenpost auf die Reise zu schicken.

Im Gewitterregen gibt es morgens um 6 Uhr Nudeln

Gegen 6 Uhr entschieden wir uns dann für Fertignudeln vom Gasherd. Die nächsten Stunden passierte nichts, außer dass wir unser Zeitgefühl komplett verloren.
Ein absolutes Highlight war der Versuch Patricks, die Getränke aus dem Wasser zu holen. Zugegeben, viel sah ich nicht. Ich hörte nur das Geräusch als er ins Wasser fiel. Darauf folgten verzweifelte Rufe nach dem Schuh, der sich mit der Strömung immer weiter entfernte – ein Bild für Upps-die-Pannenshow.

Ein wenig später arbeitete ich die Liste mit den Dingen ab, die ich machen möchte, bevor ich 18 bin, und so schrieb ich eine Flaschenpost mit einer Aufforderung sich zu melden. Am Montag war es dann so weit und ein zwölfJähriges Mädchen berichtete mir über den Fund im nahegelegenen Trendelburg mit der Anmerkung ,die Flaschenpost wieder ins Wasser geworfen zu haben. Der Samstag verlief ansonsten mit weiteren Ess-Eskapaden, einem Hund, der überall beweisen musste, wie gut seine Verdauung ist, dem ein oder anderen Regen und halbherzigen Grüßen von der Sonne.

Am Nachmittag folgte dann eine 14 Kilometer-lange Kanutour von Stammen bis nach Wülmersen. Verteilt auf zwei Kanus, artete die anfangs recht ruhige Tour jedoch in einem manipulierenden Wettkampf aus, wo schlussendlich das Karma-Prinzip schnell richtete.
Vor der Wehranlage in Trendelburg war die Strömung relativ still, und so war Kraft gefragt. Verwunderlich, dass ein Kanu mit zwei Mädchen und einem Jungen, wesentlich besser voran kam als eines mit dreifachem Jungen-Besatz.

14 Kilometer Paddelabenteuer auf der Diemel

Da diese Einsicht ganz klar gegen den männlichen Stolz strebte, mussten wir uns gegen hinterlistige Ruderattacken wehren. So wurden wir nicht nur pitschnass, sondern landeten das ein oder andere Mal in der Hecke. Jetzt endlich verstand ich wieso mir eine hohe Stirn verliehen wurde – vorne sitzend, war ich dafür zuständig mit meinem Kopf Äste zu durchbrechen. Das funktionierte semi-gut, denn ab und zu hätte ich beinah durch den Rückstoß die gesamte Crew vom Boot gefegt. Ansonsten war unser Team wirklich gut.

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Kampf mit dem Gestrüpp: Autorin Jessica (v.) und Johanna.

Paul und Johanna lenkten das Boot als hätten sie nie etwas anderes gemacht und so „drifteten“ wir nahezu um die Kurven und kamen gut voran, sodass wir andere Kanus unabsichtlich überholten. Das andere Team hingegen, kenterte bei dem Versuch die Plätze zu tauschen. Gondoliere haben auf der Diemel eben keinen Platz. So verloren sie nicht nur ein Handtuch, sondern eben auch das zweite Paar Schuhe – und irgendwie auch die Intuition für hinten und vorne. Berichten anderer Kanufahrer zu folge, kenterten sie nicht nur einmal.

Aus diesem Grund parkten wir mit unserem Kanu, um geschlagene 20 Minuten zu warten, um weiterzufahren, um sie dann erneut zu verlieren. Abgesehen von diesen Wettkampfmanövern, war die Strecke unglaublich schön. Begleitet von Schwänen, Enten und königsblauen Libellen durchfuhren wir mal stärkere, mal etwas schwächere Strömungen und hatten stets eine wunderschöne Landschaft zu allen Seiten. Äste hingen bis ins Wasser hinunter und bildeten Tore, durch die man hindurch fahren konnte. Brücken unterstützten die märchenhafte Landschaft, die in eine behagliche Stille gehüllt war, sodass man die Zeit nahezu vergaß.

Die große Sehnsucht nach Dusche und heimischem Bett

Nach vier Stunden und patschnass ging es zurück zum Zeltplatz. Die Tatsache, dass die Dusche kein warmes Wasser führte, war zum Weinen. Der Trugschluss, dass der Sommer warme Temperaturen herbeiführte, und lange Hosen sinnlos seien, war ebenfalls spürbar. Der Abend war einfach nur kalt und so hüllte ich mich in meinen Schlafsack um das letzte Produkt des „Nudeltags“, Ravioli und Spaghetti, zu verkosten.

Vom tropfenden Zelt geweckt, bauten wir mit einem Räuspern im Halse ab. Mit durchnässter Kleidung, übermüdet, einem triumphierenden Lächeln und gefühlten 50 Mückenstichen fuhren wir nach Hause. Abschließend freuten wir uns alle auf warmes Wasser und unser Bett und können sagen, dass dieses Wochenende unvergesslich bleibt. Denn endlich haben wir uns das genommen, was im Leben eigentlich wirklich zählt – und das ist Zeit!

p.s. Ich habe gezählt: Auf dem rechten Bein fand ich 16 Mückenstiche, auf dem linken 19.

Von Jessica Haak

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