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Schüler-Stress auf der Vogelsbergbahn: zu wenig Waggons – HLB räumt Unfallschäden ein – "Pro Bahn&Bus" kritisiert: grundsätzliches ProblemMorgendlicher Ärger mit den vollen Zügen

VOGELSBERGKREIS. Fast täglich ist der 17-jährige Lukas Becker auf der Vogelsbergbahn unterwegs. Wie unzählige Vogelsberger Schüler nutzt er die Züge der Hessischen Landesbahn zwischen Gießen und Alsfeld, um morgens zur Schule zu fahren. Spaß macht das aber nicht, erzählt er nun im Gespräch mit Oberhessen-live. Denn die Züge sind oft gerammelt voll, und die Schüler müssen stehen. Das sei vor allem dann der Fall, wenn mal wieder nur ein Triebwagen eingesetzt wird – wie in jüngster Zeit häufiger. Lukas, Mitglied des Kreisjugendparlaments, will diesen Zustand nicht hinnehmen.

 

Es geht ihm vor allem um den morgendlichen Zug, der, von Gießen kommend, um 7.35 Uhr in Ehringshausen gen Alsfeld abfährt. Dann warten dort bereits Dutzende Schüler auf die Abfahrt und haben in jüngerer Zeit häufiger eine ungemütliche Wegstrecke vor sich: Der eine Triebwagen der Hessischen Landesbahn (HLB), der angezuckelt kommt, ist bereits gut besetzt. Wer in Ehringshausen einsteigt, darf stehen – und sehen, wo man sich festhalten kann. „Manchmal kommen sie und manchmal nicht“, erzählt der engagierte Jugendliche. Ab Zell, wo noch einmal ein Schwung junger Leute zusteigt, „da geht denn gar nichts mehr!“

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Morgendliche Realität: Die Wagen sind dicht voll mit  stehenden Schülern. Fotos: privat

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Das sei dann nicht nur ungemütlich – es sei auch gefährlich, wenn der Zug einmal plötzlich stark bremsen muss. Das Problem tritt nicht auf, wenn die HLB zwei Wagen aneinander koppelt, was früher normalerweise der Fall gewesen sei. Indes: Schaffner, die er darauf angesprochen habe, hätten ausweichend reagiert. „Die kommen mit blumigen Ausreden: Der Zug ist kaputt, die Kosten sind zu hoch.“

Einsichtig zeigt sich auf Anfrage die HLB-Pressesprecherin Susanne von Weyhe – nennt aber nicht unähnliche Gründe, warum auf der Vogelsbergbahn auch zu der Stoßzeit nur die kleinen Triebwagen fahren. Die Hessische Landesbahn ist das Unternehmen, das seit Ende 2011 im Auftrag des Rhein-Main-Verkehrsverbunds auf den 106 Kilometern Vogelsbergbahn zwischen Gießen und Fulda pendelt. „Coradia Lint 41“ – das ist die technische Bezeichnung der gelben Züge. Komfortabler und flotter sollten sie sein, aber von Anfang an gab es auch Kritik von der Fahrgast-Organisation „Pro Bahn&Bus“ wegen mangelnder Pünktlichkeit und ungünstiger Anschlüsse.

„Fahrzeugverfügbarkeit zurzeit ein Problem“

„Leider stellt die Fahrzeugverfügbarkeit der Lint Fahrzeuge im Streckennetz des Lahntal-/ Vogelsberg-/ Rhönbahnnetzes (LVR – Netz) zurzeit ein Problem dar“, schreibt von Weyhe in einer E-Mail als Antwort auf die Anfrage von Oberhessen-live.

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Erlebt die Zustände auf der Vogelsbergbahn jeden Morgen: Lukas Becker.

Die Pressesprecherin erklärt die Enge in den Zügen mit Unfallschäden, durch die zwei Lint-Fahrzeuge ausgefallen seien – unter anderem durch einen umgefallenen Baum. Die Probleme häufen sich, so Susanne von Weyhe: „Durch reguläre Wartungsarbeiten, die fristgerecht durchzuführen sind, stehen darüber hinaus zwei weitere Fahrzeuge nicht zur Verfügung. Diese Fahrzeuge können leider nicht ohne weiteres ersetzen werden, da die Ersatzfahrzeuge ebenfalls bereits im Einsatz sind.“ Unfälle und Wartung – diese Kombination sorge also für den Engpass.

Ärger über die Antwort: „Der reinste Quark“

Die Pressesprecherin verweist dabei zugleich auf eine Busverbindung, die zur Entlastung zwei Wochen lang vor den Osterferien parallel als Schienenersatzverkehr eingerichtet worden sei. Auf die alternative Fahrmöglichkeit seien die Schüler über die Schulen sowie in den Zügen aufmerksam gemacht worden. „Leider wurde der Bus von den Fahrgästen nicht angenommen“, sagt die HLB-Vertreterin. In dem gesamten Zeitraum sei kein einziger Fahrgast „trotz Durchsagen und Informationen“ in den Bus umgestiegen, so dass der Ergänzungsverkehr wieder eingestellt worden sei. von Weyhe: „Bisher, so haben wir festgestellt, bevorzugen die Schüler also lieber den vollen Zug für die kurze Fahrstrecke nach Alsfeld, als parallel mit dem Bus direkt zur Schule gefahren zu werden.“

Diese Antwort verärgert den Schüler Lukas Becker: „Der reinste Quark“, sagt er. „Ich habe weder Busse fahren sehen, noch wurde dies in den Zügen durchgesagt“. Weder habe er  Aushänge gesehen, noch sei in den Schulen darauf hingewiesen worden. Und außerdem bestehe das Problem mit einem Zug schon seit dem vergangenen Jahr. Krönung dieser Antwort sei, dass schon vor den Ferien in Alsfeld immer ein Zug unbenutzt herum gestanden habe.

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Grundsätzliches Problem: „Es gibt zu wenig Waggons“, sagt Marc Lerch von „Pro Bahn&Bus“ Vogelsbergkreis.

Grundsätzliches Problem: „Es gibt nicht genügend Waggons“

Ein grundsätzliches Problem sieht Marc Lerch als Vertreter des Vogelsberger Fahrgastverbandes „Pro Bahn&Bus“ auf der Vogelsbergbahn: keine Reserven. Die HLB habe den Fahrgastverband über die aktuelle und ungewöhnliche Häufung von Ausfällen tatsächlich informiert und auf Nachfragen ähnliche Antworten gegeben. „Ich will die HLB hier nicht gleich verurteilen. Da müsste man mehr Informationen haben“, sagt Marc Lerch. Aber „Pro Bahn&Bus“ habe von Anfang an schon bemängelt, dass die Vogelsbergbahn mit zu wenigen Wagen betrieben werde – und das auch schon wegen der zur Verfügung stehenden Fahrgastplätze. Als die HLB die Strecke übernahm, wurden die alten, roten Wagen namens VT628.2 durch die jetzigen gelben ersetzt – die aber rund 30 Prozent weniger Sitz- und Stehplätze bieten. Dass es zugleich einen Zuwachs an Fahrgästen von rund zehn Prozent gegeben habe, erleichtet die Situation nicht. Lerch schließt: „Das Problem ist einfach: Es gibt nicht genügend Waggons“.

Möglicherweise gibt es jetzt aber auch Verbesserungen, denn die HLB-Sprecherin Susanne von Weyhe kündigt auch an, dass es ab sofort auf der Strecke durch Umbesetzung Verstärkung geben soll. „Wir gehen davon aus, dass dann auch die Fahrt 24881 wieder regelmäßig in Zweifach-Traktion fahren wird.“ Marc Lerch will das mit „Pro Bahn&Bus“ verfolgen: „Wir bleiben an der Sache dran!“

von Axel Pries

2 Gedanken zu “Morgendlicher Ärger mit den vollen Zügen

  1. Ich muss leider regelmäßig mit der HLB in den Stoßzeiten von Alsfeld nach Lauterbach/Fulda. Vor allem nach Fulda ist es morgens und mittags ab Angersbach extrem voll.
    Von Ersatzbussen habe ich nichts gehört, weder in der Bahn noch irgendwo anders.
    Letztens musste ich auch erleben, dass wir wegen einer defekten Tür 20 Minuten lang in Angersbach standen. Super Job, HLB!

  2. Kann ich nur bestätigen, von abendlichen Totalausfällen von Zügen ganz zu schweigen.
    Bin mittlerweile auf den PKW umgestiegen, weil die HLB
    a) Ewigkeiten braucht, um zB von Alsfeld nach Gießen zu kommen
    b) der Komfort zu wünschen übrig lässt
    c) man keine Pünktlichkeit erwarten kann

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