Interview mit Makler Mike Schneider„Keiner sollte versuchen, den anderen zu übertölpeln“
ALSFELD (jal). Mike Schneider aus Alsfeld verkauft seit 25 Jahren Häuser. Im Interview mit Oberhessen-live erzählt er von seinem ersten großen Deal, klärt über Stolperfallen für Verkäufer auf – und verrät, wie man sich in diesen Zeiten doch noch das eigene Häuschen leisten kann.
Mike Schneider hätte auch bei der Bundeswehr landen können, oder hinter einem Bankschalter. Aber das Schicksal wollte es anders. So kam es, dass Schneider schließlich ins Immobiliengeschäft schlitterte. Vor 25 Jahren meldete er noch als Azubi im zweiten Lehrjahr sein erstes Makler-Gewerbe an, 2009 gründete er seine Firma MSI (Mike Schneider Immobilien), die heute mit ihm zusammengerechnet sechs Mitarbeiter beschäftigt und aktuell um die 70 Objekte im Angebot hat.
Azubis gucken verdutzt, wenn er erzählt, wie er damals noch jeden Tag zum Fotogeschäft laufen musste, um Abzüge von den Häusern entwickeln zu lassen. Die Exposés wurden mit Hand gebastelt und per Post versandt. Heute können sich Interessenten virtuell durch die Räume der Häuser bewegen, die MSI anbietet.
Im Interview anlässlich seines Berufsjubiläums erzählt Schneider, was er von porschefahrenden Kollegen hält, was man als Hauskäufer falsch machen kann – und warum eine teure Marmortreppe kein Garant für einen saftigen Verkaufspreis ist.
Oberhessen-live: Herr Schneider, wie lang brauchen Sie, um ein Haus verkauft zu haben?
Mike Schneider: Das ist unterschiedlich. In der Alsfelder Kernstadt oder auch in Treysa geht das typische Einfamilienhaus derzeit etwa in vier Monaten weg. Bei Hofstellen auf den Dörfern kann es auch mal etwas länger dauern, bis zu anderthalb Jahre. Und dann wiederum gibt es auch Höfe, die in kürzester Zeit einen Käufer finden. Da werden wir manchmal selbst überrascht. Gerade bei Höfen gibt es unterschiedliche Bedürfnisse. Der eine Interessent braucht etwas Grundstück drumherum, weil er Pferde halten möchte, der andere will sein Wohnmobil unterstellen, andere möchten gerne an Autos schrauben. Der Topf muss den richtigen Deckel finden, könnte man sagen.
Die aktuelle Zinsentwicklung dürfte die Suche für manchen Topf erheblich erschwert haben Wer kann sich denn noch einen Hauskauf leisten?
Es sind jetzt weniger Käufer am Markt, da gibt es schon eine deutliche Delle bei den Anfragen. Es ist aber nicht so, dass man sich einen Hauskauf gar nicht mehr leisten könnte. Man darf nicht den Fehler machen und sich nur die vergangenen eineinhalb Jahre anschauen, in denen die Zinsen so historisch niedrig gewesen sind. Der Markt ist jetzt ähnlich wie vor sechs Jahren. Auch da wurden Häuser verkauft und die Banken forderten üblicherweise 20 Prozent Eigenkapital. Was nun eben nicht mehr geht ist der Tausch Miete gegen Eigenheim, sprich für den Betrag, den mich meine Miete kostet, bezahle ich meine Eigentumswohnung oder gar das Haus ab. Das war vor der Pandemie nicht möglich, und ist es jetzt auch wieder nicht. Aber auch für Kunden mit weniger Eigenkapital gibt es auch Lösungen.
Wie sehen die aus?
Es ist nicht die Frage, ob ich mir eine Immobilie leisten kann, sondern welche. Wir haben auch Objekte für 80.000 € im Angebot. Nicht jedes Objekt kostet ja über 200.000 €. Natürlich muss ich dann entweder später noch etwas investieren oder mit weniger Wohnkomfort zufrieden sein – das ist eine ganz klare Geschichte. Aber gerade wer handwerklich geschickt ist, kann ein solches Objekt über Jahre auch wirklich schick machen.
Mike Schneider (rechts) bekommt von einem IHK-Vertreter eine Urkunde für sein 25. Jubiläum überreicht. Foto: privat
Wo kommen Ihre Kunden hauptsächlich her?
Die meisten Käufer, etwa zwischen 80 und 85 Prozent, kommen aus der Nachbarschaft des Objekts, so bis 15 Autominuten entfernt. Der Rest zum Beispiel aus dem Rhein-Main-Gebiet. Gerade ein Hof mit 10.000 Quadratmetern Grundstück lockt Interessenten von weiter weg an, aber das normale Haus oder die Eigentumswohnung wird sehr oft in der Region verkauft.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Hausverkauf erinnern?
Das erste Objekt, welches ich verkauft habe als Auszubildender, müsste ein Ferienhaus am Silbersee bei Frielendorf gewesen sein. Da wollte sich keiner von den alteingesessenen Kollegen drum kümmern, also gab der Chef mir den Auftrag. Der Kaufpreis müsste so zwischen 90.000 und 100.000 DM gelegen haben.
Und was haben Sie nach dem Verkauf gemacht? Ihre Provision am Silbersee auf den Kopf gehauen?
(lacht) Nein, da gab es hauptsächlich das Azubigehalt und wenn mal was verkauft wurde, einen kleinen Obolus am Jahresende. Aber das war jetzt nicht so, dass man sagen kann „das war der erste Verkauf, da hat es richtig geknallt“. Mein erster großer Verkauf war ein Wohnhaus im Schwälmer Bereich mit Schwimmbad und allem drum und dran für 780.000 DM. Ein Zahnarzt hat das damals verkauft. Da muss ich sagen, das hat richtig Spaß gemacht, auch wegen der Menschen, die da involviert waren. Ich bin vom Notar nach Hause gefahren und hab das Grinsen nicht aus dem Gesicht bekommen.
Bei dem Verkaufspreis müssen wir dann doch mal über den Ruf sprechen, der Ihrer Branche anhaftet. Makler, das sind doch die, die nur abkassieren wollen und eigentlich völlig überflüssig sind. Was macht das mit Ihnen, wenn Sie sowas hören?
Wenn man Leute fragt, „was denken Sie, wenn Sie das Wort Makler hören?“, dann kommen genau diese Geschichten: Halsabschneider, „will nur Geld verdienen“, fettes Auto. Das ist schwierig, das ist in den Köpfen der Leute drin. Und es stört mich manchmal selbst, wenn ich auf Makler-Seminaren bin, in Köln oder so, und sehe dann diese „Gelackelten“ aus der Stadt, die mit ihrem Porsche ankommen. Das mag schon sein, dass man in solchen Städten mehr verdient und anders auftritt. Bei uns ist das aber nicht so. Wir verkaufen hier das ganz normale, kleine Fachwerkhaus. Wenn wir das für 100.000 oder 150.000 Euro verkaufen, dann ist das eine Provision von fünf oder siebeneinhalb Tausend Euro. Bei einem Team von 6 Mitarbeitern sind wir da absolut auf dem Boden geblieben.
Diese Frage haben Sie sich selbst eingebrockt: Was für ein Auto fahren Sie?
(lacht). Einen Audi Kombi. Und einen Elektro-Smart für die Kurzstrecken. Aber lassen Sie mich tatsächlich noch einmal etwas zu den Provisionen sagen.
Gern.
Wir versuchen da wirklich, durch Leistung zu punkten. Deswegen gibt es bei all unseren Objekten auch keine Käuferprovision, das heißt der Verkäufer zahlt uns, weil wir der Meinung sind, dass der Verkäufer auch eher erkennt, welche Leistung wir erbringen. Wir fertigen die Bilder, 3D-Besichtigungen und das Exposé an, wir organisieren die Besichtigungstermine, wir bringen die Interessenten und das Objekt zusammen, prüfen die Bonität von potenziellen Käufern. Und wir kennen uns mit rechtlich komplizierten Situationen wie Erbengemeinschaften und Betreuungen aus. Außerdem sind wir geschult in Sachen Wertermittlung. Mit diesen Punkten setzen wir uns dafür ein, dass der Beruf des Maklers wieder besser angesehen wird.
Glauben Sie, das hat Erfolg?
Ich denke schon. Die wenigsten Leute hatten ja bislang mit Maklern selbst zu tun und kennen nur die Klischees. Aber fragen Sie mal jemanden, der mit einem guten Makler bereits zusammengearbeitet hat. Der würde das bestimmt wieder tun, wenn er zufrieden war.
Was sind denn die größten Punkte, die man als Verkäufer falsch machen kann?
Beim Verkauf geht es damit los, dass man persönliche Emotionen mit einbringt. Gerade Menschen, die in dem Objekt, was sie verkaufen möchten, selbst gewohnt haben, schätzen den Wert des Hauses oft viel höher ein, als es realistisch ist. Ich könnte hunderte Geschichten aufzählen, die das verdeutlichen. Ein Beispiel: Die teure Marmortreppe, die jemand eingebaut hat und glaubt, das wäre eine besondere Wertsteigerung – und wo der Käufer schlussendlich sagt: „Die gefällt mir eigentlich gar nicht.“
Solche Sachen führen dazu, dass die meisten Verkäufer sagen „wir setzen erstmal hoch an, mein Nachbar hat vor fünf Jahren 250.000 Euro bekommen, mein Haus ist viel schöner, deshalb bekomme ich 350.000 und Verhandlungsspielraum müssen wir auch noch haben, also machen wir mal 450.000. Und in diesem Moment verbrennen die Leute das Objekt auf dem Markt, weil jeder Käufer, der eigentlich passend würde, abwinkt. „450.000? Viel zu teuer! Da brauchen wir erst gar nicht hinfahren!“
Fällt Ihnen noch etwas ein?
Ja, durchaus. Ein weiterer Punkt ist, dass die Leute zu viele Daten von sich selbst gleich am Anfang preisgeben in Internetbörsen wie Immoscout24 und was es da alles gibt. Inklusive aller Pläne und etlicher Bilder. Keiner weiß, wer sich das alles ansieht. Bei uns ist das anders. Wenn es der Verkäufer nicht anders verlangt, stellen wir erst einmal nur Außenbilder ins Netz. Innenansichten und weitere Details bekommen Interessenten erst, wenn sie danach fragen und wir einen ersten Kontakt zu ihnen hatten. Ich weiß, dass im Vogelsberg schonmal der „Holländertrick“ angewandt wurde.
Der „Holländertrick“?
Ja, so heißt eine Masche, bei der Leute von Betrügern mehrfach angerufen werden, die sagen, sie hätten starkes Interesse an dem schönen Haus, das im Internet steht, könnten derzeit aber nicht selbst vorbeikommen. Der Käufer müsse sich mit ihnen an einer Autobahnraststätte oder ähnliches in den Niederlanden treffen. Das dient dann nur dazu die Leute dort auszurauben.
Ok, das sind also die Fallen beim Verkauf. Was kann man beim Kauf falsch machen?
Beim Kauf kann man falschmachen, dass man sich nicht mit seinem finanziellen Background beschäftigt, loszieht und sich Häuser anschaut, die man sich überhaupt nicht leisten kann. Ebenso gefährlich ist es, aus irgendeinem Druck heraus ein Objekt kaufen zu wollen, ohne es sich wirklich genau angeschaut zu haben. Das ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, dass im Kaufvertrag steht „gekauft, wie gesehen“. Aber unsere Erfahrung zeigt, dass die meisten Verkäufer im Vogelsberg schon ehrlich sind. Außerdem sollte man beachten, dass Kauf nicht Miete bricht. Sprich ein Käufer kann nicht einfach die Mieter eines Hauses vor die Tür setzen.
Was macht Ihnen denn nach 25 Jahren immer noch Spaß an Ihrem Job?
Ich bin ein bisschen harmoniebedürftig. Ich mag es, den richtigen Käufer für das richtige Objekt zu finden – denn das ist aus Sicht des Verkäufers nicht immer der, der am meisten zahlt. Außerdem ist der Job jeden Tag wieder neu. Er ist eine Kombination aus den Dingen, die ich früher schon machen wollte: Jura, BWL und Architektur. Dazu kommt der Kontakt mit Menschen. Das kann ab und zu etwas schwierig sein (lacht), aber es ist immer wieder interessant. Den ganzen Tag an einer Maschine stehen oder in den Computer gucken – das wäre nicht meins.
Wichtig ist mir noch zu sagen: Die Leute sollten fair sein. Keiner sollte versuchen, den anderen zu übertölpeln. Das hört sich vielleicht komisch an, aber letztendlich kommt es beim Hausverkauf auf den letzten Tausender nicht an. Es muss eine Sache sein, die für den Verkäufer und den Käufer rund ist und man sich danach noch in die Augen schauen kann. Ausschließlich nur den eigenen Profit hochhängen, halte ich nicht für gutes Geschäftsgebaren.
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