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Ergebnisse des Nahmobilitäts-Checks wurden vorgestelltWie Fußgänger und Radfahrer besser durch Alsfeld kommen sollen

ALSFELD (ls). Genau 30 einzelne Maßnahmen sind es. 30 Maßnahmen oder Ideen, die die Verkehrssituation von Fußgängern und Fahrradfahrern in Alsfeld verbessern und stärken sollen. Es ist das Ergebnis des Nahmobilitäts-Checks, der 2019 in Auftrag gegeben wurde. Die Öffnung weiterer Einbahnstraßen, die deutliche Reduzierung von Verkehr in der Innenstadt, ein Radring durch die Altstadt und attraktive Schulwege: Die Vorschläge sind vielfältig – die Mobilitätsverbände haben davon allerdings nichts mitbekommen.

Was muss sich in einer Stadt verändern, damit Menschen sich gut von A nach B bewegen können, zum Beispiel per Rad oder zu Fuß? Um diese Frage geht es im Kern bei dem Prozess, der sich hinter dem sperrigen Begriff Nahmobilitäts-Check verbirgt. 2019 wurde so ein Check für Alsfeld in Auftrag gegeben, im vergangenen Jahr haben dann die dazugehörigen Workshops stattgefunden, wo der Ist-Zustand in der Stadt in den Fokus gerückt wurde. Nun ist die Auswertung fertig, die Ergebnisse wurden dem Bauausschuss vorgestellt. Einige einzelne Vorschläge finden Sie hier.

Ideen für die Radinfrastruktur

Knotenpunkte und Querungen fahrradfreundlich gestalten

Da an diesen Stellen in der Stadt oftmals ein Gefahrenpotential liegt, wird diese Maßnahme in dem Bericht mit der höchsten Wertung priorisiert. Zunächst gehe es darum, diese Konfliktstellen zu erfassen, als mögliche Sofortmaßnahme könne man die Wartezeit an den Ampeln überprüfen.

„Um Konflikte zu vermeiden, sollten Fuß- und Radverkehr im Knotenpunkt möglichst getrennt, aber immer möglichst direkt geführt werden“, heißt es in dem Bericht. Dazu könnten zudem Fahrbahnmarkierungen oder Fahrbahneinfärbungen eingesetzt werden, um allen Verkehrsteilnehmenden die Regelungen an Knotenpunkten zu verdeutlichen. Das gilt vor allem in Bereichen, in denen der Radverkehr entgegen der Einbahnstraße geführt wird. Das sei besonders entlang der Bundesstraßen denkbar. Bei der Führung des Radverkehrs im Mischverkehr ohne Schutzstreifen könnten insbesondere in den untergeordneten Knotenpunktzufahrten aufgeweitete Radaufstellstreifen (ARAS) eingesetzt werden. Denkbar wäre das beispielsweise in der Lutherstraße oder in der Marburgerstraße.

Attraktive Führungsformen für ein sicheres und komfortables Radfahren

Bei dieser Idee ist es das erklärte Ziel, die Menschen zum Fahrradfahren zu animieren. kein Wunder also, dass der Maßnahme ebenfalls eine hohe Priorisierung zukommt. Vor allem geht es dabei darum, dass die Radfahrer sich im Verkehr sicherer fühlen, was durch Fahrradstreifen, Geschwindigkeitsbegrenzungen für Autos oder eigene Fahrradstraßen gelingen kann. Auch wenn für Fahrrad- oder Schutzstreifen bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen sind, könnte man es beispielsweise für die Marburger Straße, die Hersfelder Straße, die Lauterbacher Straße oder die Schwabenröder Straße prüfen. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h sei beispielsweise in der Altenburger Straße denkbar. Dadurch sei auch eine Anbindung der Stadtteile an die Kernstadt denkbar.

Führung des Radverkehrs durch die Altstadt

„Um die Radverkehrsführung in der Altstadt zu verbessern, sollte der Radverkehr in einem Ring durch die Altstadt geführt werden“, heißt es in dem Bericht. Auch diesem Vorschlag kommt eine hohe Priorisierung zu. Das führe dazu, dass der Radverkehr durch die Altstadt gebündelt und in diesen Bereichen die Infrastruktur an den Bedarf der Radfahrenden angepasst werden kann – und gleichzeitig ist es sicherer, als die Radfahrerer über die Bundesstraßen zu führen. Dazu müsste aber die Einbahnstraße in der Hersfelder Straße für Radfahrer freigegeben werden.

Foto: Screenshot/Planersocietät; Kartengrundlage: © MapOSMatic/OCitySMap-Entwickler. Kartendaten © OpenStreetMap.org und Mitwirkende.

Des Weiteren können in der Altstadt auch Fahrradstraßen zum Einsatz kommen, zumindest unter der Voraussetzung, dass zu erwarten ist, dass der Radverkehr in Zukunft die vorherrschende Verkehrsart sein wird. Entlang der Route sollten ausreichend Radabstellanlagen mit Schließfächern zur Verfügung stehen, gegebenenfalls „müssen Parkplätze dafür reduziert werden“, heißt es. Der Marktplatz solle aus Nahmobilitätssicht und zur Steigerung der Aufenthaltsqualität dem Fußverkehr vorbehalten werden.

Fußverkehrs- und Schulwegeinfrastruktur

Attraktive und komfortable Fußwege schaffen

Eine hohe Priorität wir der attraktiven Gestaltung der Fußwege eingeräumt, da man dem Fußverkehr somit mehr Sicherheit und mehr Raum bietet. Daher sollte, so schlägt es der Bericht vor, der Radverkehr auf die Fahrbahn verlegt werden und „auch sollte zur Steigerung der Aufenthaltsqualität der Kfz-Verkehr in der Altstadt reduziert werden“. Zusätzlich sei die tatsächlich nutzbare Breite von Gehwegen von großer Bedeutung für den Fußverkehr.

Häufig werden ohnehin gering dimensionierte Gehwege von illegal und legal parkenden Autos oder anderen Hindernissen, Aufstellern, Mülltonnen, Außengastronomie oder Fahrrädern, zusätzlich eingeengt. Das gilt es zu vermeiden.

Sitz- und Verweilmöglichkeiten schaffen

Diesem Punkt wird eine besondere Bedeutung zugeteilt, da er die Aufenthaltsqualität in einem besonderen Maße steigert. Insbesondere für Ältere seien Möglichkeiten zum Ausruhen und Hinsetzen notwendig, um eigenständig mobil zu sein. Diese sollten vorrangig auf den Verbindungen zwischen Wohngebieten und Versorgungseinrichtungen wie Supermärkten und Ärzten sowie den Haltestellen des ÖPNV zu finden sein. Wichtig sei, dass die Sitzgelegenheiten für verschiedene Altersklassen nutzbar sind und auch Schutz vor der Sonne und vor Regen bieten.

Schulumfeld attraktiv gestalten

Sichere und interessante Schulwege sollen die Schüler dazu animieren, selbst zur Schule zu gehen und auf das Elterntaxi zu verzichten – und deshalb wurde auch das attraktive Schulumfeld hoch eingeordnet. Das Schulumfeld und insbesondere Querungen der Schulwege müssen so gestaltet sein, dass eindeutig angekündigt wird, dass Kinder überraschend auf die Fahrbahn treten können. Der Hol- und Bringverkehr stellt im Schulumfeld ein Risiko für die Schüler dar, daher sollte das Halten und Parken vor dem Schulgebäude unterbunden werden und durch Elternhaltestellen abgewickelt werden, die dem Bericht nach beispielsweise am Stadthallenparkplatz, Im Junkergarten, In der Rambach, Im Grund oder In der Krebsbach eingerichtet werden könnten.

Aufbauend auf Schulwegeplänen können Schulwegmarkierungen (z. B. gelbe Füße) als eine Orientierungshilfe auf dem Schulweg eingesetzt werden. Die Sichtbeziehungen von Zebrastreifen oder Ampeln im Schulumfeld und auf Schulwegen sind priorisiert zu kontrollieren und anzupassen. Zur Verbesserung der Sicht können Gehwegnasen eingesetzt werden, die Überwege können optisch hervorgehoben werden und auch Tempolimits können geprüft werden.

Um das Schulumfeld für Kinder attraktiv und erlebbar zu gestalten, können einzelne Spielelemente wie Bodenmarkierungen oder Balancierbalken eingesetzt werden, auf denen balanciert oder gesprungen werden kann. Für Schüler, die mit dem Fahrrad oder Roller zur Schule kommen, werden überdachte qualitativ hochwertige Abstellanlagen an der Schule benötigt

Akteure und Prozess

Fahrradverleihsystem anbieten

Alsfeld hat bisher kein Fahrradverleihsystem außer einen privaten stationären Pedelec-Verleih eines Fahrradhändlers, aus diesem Grund wird dieser Idee eine hohe Priorisierung zugeordnet. Die zentrale Anforderung an ein stadtweites Fahrradverleihsystem ist, dass es ausreichende Wegstrecken gibt, die mit dem Fahrrad zurückgelegt werden und möglichst gleichmäßig im Tagesverlauf genutzt werden. Auch der Verleih von E-Scootern sei denkbar.

Fragen und Antworten zum Alsfelder Nahmobilitäts-Check

Angeregt wird durch die Stadtgesellschaft, ein breites Angebot an Fahrrädern zum Verleih zu stellen oder im Rahmen von Aktionen unterschiedliche Räder für Testfahrten zur Verfügung zu stellen. Die Verbände VCD/ADFC streben daher bereits einen Verleih eines E-Lastenrad an. Die Stadt Alsfeld kann jene Ansätze unterstützen.

Nette Toilette

Nochmals sollte geprüft werden, ob die Stadt an dem Projekt „Nette Toilette“ teilnimmt. Das Vorhandensein von ausreichend vielen Toiletten stellt vor allem für ältere Menschen eine Voraussetzung dar, sich im öffentlichen Raum selbstständig zu bewegen beziehungsweise aufzuhalten.

Die Bereitstellung von (mehr) öffentlichen Toilettenanlagen ist besonders im Unterhalt teuer, da durch Vandalismus immer wieder Schäden entstehen. Die Teilnahme an dem Projekt „Nette Toilette“ könnte das Angebot verbessern. Idee dieses Projekts ist es, dass die Kommune einen Teil der Betriebskosten der Toiletten privater Einrichtungen wie Gastronomen und Einzelhändler übernimmt und dafür die Toiletten nutzbar sind. Mit einem Aufkleber werden die teilnehmenden Einrichtungen erkenntlich.

Zusammenhängendes Radverkehrsnetz schaffen, Netzlücken identifizieren und schließen

Da Lücken im Radverkehrsnetz die Qualität der Radverkehrsinfrastruktur insgesamt mindern, gelte es, diese zu identifizieren und zu schließen. Zum Teil seien Netzlücken bereits im Rad- Hauptnetz des Landes Hessen verzeichnet. Weitere Netzlücken im Alltagsnetz gilt es zu identifizieren.

Für kann man dann Maßnahmen entwickeln und vielleicht sogar attraktive Alternativen anbieten. Besonders betrifft dies in Alsfeld die Gestaltung des Alltagsroutennetzes sowohl innerhalb der Kernstadt als auch die Anbindung an die Ortsteile.

Kann bei der Anbindung der Ortsteile keine eigene Trasse angelegt werden, sind zwei Grundsätze für die Führungsformen anzulegen, die möglichst beide umgesetzt werden sollten: Führung an Hauptverkehrsstraßen für direktes und schnelles Radfahren, Führung im Nebennetz beziehungsweise auf Wirtschaftswegen für ruhiges und sicheres Radfahren.

Kommunikation und Information

Fokus Schulwegpläne

Dieser Punkt hat in dem Handlungsfeld eine hohe Priorität bekommen, denn so können sichere Schulwege aufgezeigt werden und dienen der Information und Kommunikation. Die Schulwegpläne zeigen die sichersten Routen aus den Wohngebieten zu den Schulen auf. Durch die so entstehenden Bündelungseffekte steige auch die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder sich auf ihrem Schulweg treffen: das bedeutet mehr Sicherheit und weitere Vorteile. Begleitende Maßnahmen, wie die Einrichtung von Hol- und Bringzonen, erhöhen die Sicherheit im Schulumfeld.

Aktionen zur Nahmobilitätsförderung starten

Aktionstage oder sogar ganze Aktionswochen zur Nahmobilität bietet die Möglichkeit das Thema in der Öffentlichkeit zu platzieren. Es können bereits vorhandene Aktionen gebündelt werden und erhalten so mehr Aufmerksamkeit. Ein längerer Zeitraum bietet die Chance, dass wiederholt über das Thema berichtet wird und man unterschiedliche Zielgruppen mit unterschiedlichen Aktionen ansprechen kann. Auch diesem Punkt kommt eine hohe Bedeutung zu.

Internetauftritt Nahmobilität aufbauen

Ein ansprechender Internetauftritt kann auch die Motivation zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren steigern – und außerdem stellt er alle Infos gebündelt zur Verfügung, was dem Bericht nach ebenfalls eine hohe Priorität hat. Oftmals, gerade für Neubürger, sind Angebote nicht bekannt. Darüber hinaus könne eine Internetseite Lust machen, in Alsfeld „auf- beziehungsweise umzusatteln“.

Auf der Internetseite sollen die Vorteile des Rad- und Fußverkehrs kommuniziert und Vorschläge für Alltags- oder Freizeitrouten gegeben werden. Außerdem kann auf besondere Aktionen wie Wettbewerbe, Fahrradaktionstage, lokale Dienstleister rund ums Fahrrad oder „neue“ Themen des Radverkehrs hingewiesen werden.

Einige Maßnahmen könnten direkt umgesetzt werden

„Der Nahmobilitäts-Check dient als Arbeitshilfe“, daran erinnerte CDU-Fraktionschef Alexander Heinz am Ende der Präsentation vom Planungsbüro. „Manche Dinge stehen drin und erwecken Erwartungen, die sich nicht verwirklichen lassen.“ Es werde nicht alles auf einmal gehen, sondern Schritt für Schritt. „Visionen von einer autofreien Stadt kommen hier bei uns im ländlichen Raum vielleicht etwas später als in Berlin“, sagte Heinz. Dennoch werde er als Grundlage für das städtische Verkehrskonzept dienen, bei dem allerdings auch der Autoverkehr betrachtet werde.

Annika Worch vom Planungsbüro gab allerdings  mit auf den Weg, dass der Nahmobilitäts-Check allein die Menschen schon für die Nahmobilität sensibilisiere. Einige Maßnahmen, wie beispielsweise ein Heckenschnitt oder Radabstellanlagen, die in der Innenstadt durch den Marktplatzausbau ohnehin bereits geplant sind, würden sich relativ zügig umsetzen lassen, andere wie die Öffnung von Einbahnstraßen bedürfen einer genaueren Prüfung. Man müsse allerdings auch bedenken, macht Worch klar, dass Nahmobilität Fläche brauche und der Straßenraum sei begrenzt. Man müsse also abwägen, welches Verkehrsart künftig Vorrang erhalten soll. Dennoch empfehle sie ein einheitliches städtisches Konzept zur Förderung und Unterstützung der Nahmobilität.

Als Startprojekte benannte Worch neben den ohnehin bereits geplanten Radabstellanlagen die Einrichtung von vorgeschlagenen Fahrradstraßen und die Öffnung von Einbahnstraßen wie beispielsweise die Hersfelder Straße. Auch könnten die Schulwegepläne zügig aktualisiert werden und das schulische Mobilitätsmanagement erweitert werden. Außerdem könne der Stadtpark aufgewertet werden – genau diesem Punkt wurde in dem Ergebnisbericht allerdings nur eine niedrige Priorität zugewiesen. „Ich finde es schade – und das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt werden – dass die Vertreter der Mobilitätsverbände nicht hier sind. Es ist lange thematisiert worden und jetzt ist niemand hier“, bedauerte Heinz.

Den kompletten und ausführlichen Bericht des Nahmobilitäts-Checks können Sie hier sehen und sich dabei auch alle anderen Ideen und Maßnahmen anschauen.

2 Gedanken zu “Wie Fußgänger und Radfahrer besser durch Alsfeld kommen sollen

  1. Was ist mit den Rollstuhlfahrer, wie sollen die besser durch Alsfeld kommen? An die denk ja wieder keiner.

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  2. Alles OK, ich plane demnächst auf Pferd und Kutsche umzusteigen. Wo kann ich den Antrag stellen einen Stellplatz und eine gute Wegführung (Strassenbelag), stellen. Später werden dann noch Plätze für einen eventuellen Luftverkehr benötigt.
    Ich bin der Meinung,man kann alles auch übertreiben und nicht, da ich sonst keine ARBEIT habe, mich wichtig zu tun.

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