Schwalmtals Bürgermeister Timo Georg äußert sich zur Kritik über Nitratbelastung im Grundwasser„Das Wasser ist tipptopp in Ordnung und genießbar“
SCHWALMTAL (ls). Der Trinkwasserbrunnen in Brauerschwend weist eine höhere Nitratbelastung auf als andere in der Gegend. Darüber beklagten sich einige Bürger bei einer BUND-Veranstaltung vergangene Woche. Der Vorwurf im Raum: Die Gemeinde tue nichts, um der Belastung vorzubeugen oder sie zu mindern. Das weist der Schwalmtaler Bürgermeister Timo Georg in einem Gespräch mit Oberhessen-live nun deutlich zurück. Die Gemeinde tue sehr wohl etwas und verschließe nicht die Augen vor dem Problem. Georg betont dabei: „Das Wasser entspricht den Vorgaben der Trinkwasserverordnung.“
Oberhessen-live: Herr Georg, im Arbeitstreffen des Naturschutzbundes BUND in der vergangenen Woche zeigte sich besonders eine Gruppe Brauerschwender Bürger sehr diskussionsfreudig zum Thema Nitratbelastung im Trinkwasser. Die sei nämlich in Brauerschwend höher als in anderen Orten. Sie wirft der Gemeinde Untätigkeit vor. Was sagen Sie dazu?
Timo Georg: Ich möchte gleich zu Anfang erst einmal etwas klarstellen: Wir, die Gemeinde Schwalmtal, tun sehr viel für das Trinkwasser und geben dafür auch sehr viel Geld aus. Wir möchten das Wasser schützen und tun viel, um es hochwertiger zu machen. Wir haben auch mitbekommen, dass eine Gruppe Brauerschwender bei der Veranstaltung war und finden, die im Artikel aufgeführte Diskussion ist sehr einseitig gewesen.
Was genau hat sie gestört?
Brauerschwend hat mit 35 Milligramm pro Liter den höchsten Nitratgehalt im Wasser innerhalb der Gemeinde Schwalmtal, das stimmt. Der höchste jemals gemessene Wert waren 39,5 Milligramm. Da wir aber auch um das Problem wissen, messen wir den Gehalt schon seit 2014 einmal im Monat, um die Entwicklung des Gehaltes zu beobachten. Der Nitratgehalt geht im Wasser über Jahrzehnte nur sehr sporadisch nach oben.
Da wir uns aber konstant und deutlich unter dem von der Trinkwasserverordnung verordneten Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter befinden, sieht weder die Gemeinde Schwalmtal als Wasserversorger noch das zuständige Gesundheitsamt einen akuten Handlungsbedarf, der mit einer Gefahr in Verbindung steht. Wir haben diesen Grenzwert nie überschritten. Um das ganz klar zu sagen: Das Wasser ist tipptopp in Ordnung und genießbar. Trotzdem verschließen wir nicht die Augen vor dem Problem, sondern beschäftigen uns sehr intensiv damit und arbeiten dagegen an.
Eine neue Wasserleitung, die zwei Probleme auf einmal löst
Was genau hat die Gemeinde denn bereits getan, um der Nitratbelastung im Wasser entgegenzusteuern?
Da gibt es verschiedene Sachen. Seit meinem Amtseintritt haben wir ein Fernüberwachungssystem an allen Brunnen und Hochbehältern installiert. Die Brunnenpumpen wurden ausgetauscht, mehrere Kilometer Wasserleitungen wurden erneuert, der Brunnen in Vadenrod wurde regeneriert und im letzten Jahr ebenfalls mit moderner technischer Ausstattung ergänzt. Die Hochbehälter wurden mit Strom versorgt und sie werden auch in den nächsten Jahren saniert werden. Und noch etwas, da sind wir gerade dran: Wir verlegen eine Wasserleitung aus dem Brunnen in Vadenrod, der fast die gesamte Gemeinde versorgen wird – und dabei reden wir von einer Investition von mehreren 100.000 Euro.
Was ist der Grund für das Projekt?
Der Brunnen in Vadenrod hat ein qualitativ sehr hochwertiges Trinkwasser mit einer niedrigen Nitratbelastung von nur 5 Milligramm. Dieses Wasser wird in Zukunft auch Brauerschwend bekommen und auch Hopfgarten. Da ist der Brunnen nämlich in einem schlechten Zustand. Durch Lecks an den Rohren tritt Oberflächenwasser in den Tiefbrunnen und verunreinigt das Wasser, zum Beispiel mit Keimen. Mit UV-Röhren und Trübungsmessanlagen reinigen wir das Wasser zwar, aber um eine andere Wasserversorgung kommen wir in Hopfgarten nicht drum herum.
Durch die neuen Leitungen werden dann auch die anderen Dörfer mit dem Vadenröder Wasser beliefert – einzig Rainrod hat dann noch einen eigenen Brunnen. Aber auch hier wäre es möglich, eine Leitung von Brauerschwend nach Rainrod zu legen. Bis Ende 2018 soll nun zuerst die Leitung vom Brunnen Vadenrod aus verlegt werden. Der erste Bagger ist bereits gerollt und hat Probegrabungen durchgeführt.
Nochmal zum Mitschreiben: Sie lösen also mit dieser neuen Wasserleitung zwei unterschiedliche Probleme?
Genau. In Brauerschwend wollen wir so das Wasser mit dem erhöhten Nitratwert loswerden. Und Hopfgarten wird so Wasser ohne Keimbelastungen geliefert bekommen. Das Problem dort gibt es schon seit 20 Jahren. Dennoch, auch hier sei nochmal gesagt: Das Wasser wird gereinigt und entspricht jederzeit den Vorgaben der Trinkwasserverordnung. Und der Nitratwert in Brauerschwend ist zwar der höchste in unserer Gemeinde, aber kein Ausreißer, wenn man die gesamte Region betrachtet. In anderen Gemeinden gibt es ähnliche Werte.
Kooperationsverträge mit Landwirten der Gemeinde
Im BUND-Arbeitskreis gaben die Bürger unter anderem der Landwirtschaft die Schuld an der hohen Nitratbelastung. Sie sei zu wenig reglementiert, die Bauern würden zu viel düngen. Wie stehen sie dazu?
Die meisten Landwirte, die hier auf den Äckern der Gemeinde landwirtschaften, sind aus der Gemeinde selbst – nur ein paar wenige sind nicht direkt von hier. Mit den Landwirten haben wir einen Kooperationsvertrag geschlossen, das heißt, sie unterwerfen sich freiwillig weitgehenden und strengen Kontrollen, was das Düngen ihrer Felder und Acker betrifft. Bei diesem Kooperationsvertrag machen alle Landwirte, bis auf einen einzigen, mit. Dieser bewirtschaftet 20 Prozent der Fläche im Wasserschutzgebiet. Allerdings sind wir im Gespräch, dass auch dieser Landwirt der Kooperation beitritt.
Ist dieser eine Landwirt also für die erhöhten Nitratwerte verantwortlich?
Dafür habe ich keine Beweise. Die Flächen des Herrn werden zwar von staatlicher Seite kontrolliert, auf die Daten hat die Gemeinde aber als Wasserversorger keinen Zugriff. Wir bekommen nur die Daten von den übrigen Landwirten, die freiwillig kooperieren. Auf ihren Flächen wird wesentlich engmaschiger als von staatlicher Seite vorgeschrieben der Stickstoffgehalt im Boden gemessen. Aus Stickstoff wird später Nitrat. Außerdem gibt es für sie regelmäßige Infoveranstaltungen, wo sie geschult werden, zu düngen, ohne das Grundwasser zu verschmutzen.
Das Trinkwasser in Brauerschwend entspricht der Wasserschutzverordnung, das erklärte Schwalmtals Bürgermeister Timo Georg. Foto: privat
Wie lange läuft diese Kooperation schon?
Seit zehn Jahren.
Und gibt es Erfolge?
Ja, der Stickstoffgehalt im Boden geht zurück. Das kann jeder nachprüfen, da die Ergebnisse öffentlich verfügbar sind. Sie wurden sogar auf einer Parlamentssitzung im September – leider mit geringem öffentlichen Interesse – vorgestellt. Sollte es darüber hinaus Landwirte geben, die möglicherweise illegal ihren Dünger auf den Feldern in der Gemeinde ausbringen, dann muss das zur Anzeige gebracht werden.
Sie sagten vorhin, die Kontrollen von staatlicher Seite seien zu lasch. Ärgert Sie das?
Absolut. Es müsste viel häufiger auch außerhalb der Kooperation kontrolliert werden. Denn das hätte zur Folge, dass diejenigen Landwirte, die sich nicht an die Vorgaben halten bestraft werden können, alle anderen aber auch nicht mehr dem Generalverdacht der Trinkwasserverschmutzung ausgesetzt wären.
Wenn es nicht an den Landwirten liegt, woher kommt dann der hohe Nitratgehalt in Brauerschwend?
Wenn Landwirtschaft – wie das üblich ist – in einem Wasserschutzgebiet betrieben wird, dann ist es trotz solcher Maßnahmen wie der strengen, freiwilligen Untersuchung der Böden nicht ausgeschlossen, dass durch den aufgebrachten Dünger die Nitratwerte im Wasser höher sind, als sie ohne jegliche Bewirtschaftung wären. Anders ist das nur bei Brunnen, die etwa im Wald liegen. Ob es weitere Einflussfaktoren – zum Beispiel Zustrom von Grundwasser aus weiter entfernten Gebieten – gibt, kann man nur mutmaßen.
Georg: „Ich verstehe menschlich absolut, dass man Gründe sucht“
Bei der BUND-Veranstaltung wurde auch ein Schluss gezogen, der erschreckend klingt. Die Brauerschwender klagen über eine gehäufte Anzahl an Niedererkrankungen – insbesondere Krebs – und führen das auf die hohen Nitratwerte zurück. Von 530 Bewohnern sollen bei zehn Nierentumore festgestellt worden sein.
Ich kann das wirklich sehr gut nachvollziehen, dass man bei solchen schlimmen Erkrankungen nach Ursachen sucht – das ist nur menschlich. Wir als Gemeinde und als Wasserversorger stehen den Menschen dabei auch gerne zur Seite und versuchen, ihnen nach unseren besten Möglichkeiten zu helfen. Es ist aber weder bewiesen noch widerlegt, dass das Nitrat für Krebserkrankungen ursächlich ist. Außerdem wird nur ein geringer Anteil Nitrat durch Trinkwasser in den menschlichen Organismus aufgenommen.
Eine weitaus bedeutsamere Quelle ist Gemüse. Wir haben bezüglich dieser Thematik mit dem Gesundheitsamt Kontakt aufgenommen. Das Amt hat keinerlei Bedenken über unser Wasser geäußert. Ich verstehe menschlich absolut, dass man Gründe sucht, aber ich warne trotzdem vor Panik. Das Trinkwasser entspricht absolut der Trinkwasserverordnung und es kann nicht sein, dass unnötig Panik gemacht wird. Auch Behauptungen in den Raum zu stellen, die nicht zu belegen sind, trägt nicht dazu bei, der Situation gerecht zu werden.
Sie verschleiern also keinen Gesundheitsskandal?
Nein – um Gottes Willen. Alles ist öffentlich einzusehen, da sind wir völlig transparent. Aber wir erwarten auch, dass die Bürger genauso ehrlich sind und es nicht hinstellen, als würden wir nichts tun. Das ist schlichtweg nicht wahr.
Gibt es etwas, das die Bewohner der Region tun können, wenn sie trotz der Bemühungen der Gemeinde selbst etwas gegen das Nitrat im Wasser tun wollen?
Es ist natürlich eine individuelle Auslegungssache, aber für Menschen, die sich deshalb doch Sorgen machen und denen die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung nicht ausreichen, gibt es auch die Möglichkeit einer häuslichen Filteranlage. Damit kann jeder, der möchte, individuell Zuhause nochmal nachrüsten und die nicht gewünschten Inhaltsstoffe des Trinkwassers herausfiltern.
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