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KOMMENTAR zur Corona-Lage im VogelsbergWir dürfen den großen Vorsprung nicht verspielen!

MeinungVOGELSBERG. Zweieinhalb Wochen lang gab es im Vogelsbergkreis keine neue Corona-Infektion, nirgendwo in Hessen gibt es überhaupt weniger Virusfälle. Das ist ein unglaublicher Vorsprung, auf den man stolz sein kann, findet OL-Redakteurin Luisa Stock. Doch jetzt liegt es an den Vogelsbergern selbst, eben diesen Vorsprung vor dem Virus nicht zu verspielen – und da sind alle gefragt!

„Denken Sie an den Vogelsberg“, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier vor Kurzem in der Pressekonferenz zu den neuen Regeln im Umgang mit dem Coronavirus. Ja, denken wir an den Vogelsberg: 121 bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus gibt es hier, davon sind mittlerweile 112 Patienten wieder gesund, fünf sind gestorben. Heißt im Klartext: Im ganzen Kreis gibt es nur noch vier Patienten, die noch immer gegen das neuartige Virus kämpfen. Viel wichtiger ist aber eine ganz andere Nachricht. Seit dem 28. März, also gut zweieinhalb Wochen lang, gab es außerdem keine neue Infektion mehr. Zwei vermeintlich neue Infektionen stellten sich als Fehlalarm heraus. Das darf Hoffnung wecken. Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zur Normalität. Aber mit der Rückkehr zur Normalität sollte man es dann doch nicht überstürzen.

Warum die Zahlen hier so gering sind, darüber lässt sich nur spekulieren. Ist es die weite Natur, in der sich die Menschen hier einfach nicht wirklich nahe kommen? Waren die Vogelsberger in diesem Jahr bislang noch nicht so häufig im Urlaub, sodass das Virus hier gar nicht richtig ankam? Haben zu viele Leute keine Symptome oder gehen weniger als in den großen Städten zum Arzt? Oder aber ist es so, dass die Vogelsberger einfach ziemlich konsequent waren, sich an Abstände, Kontaktbeschränkungen und Hygienevorschriften gehalten haben? Das Argument, es gebe keine neuen Infektionen, weil schlicht nicht getestet wurde, stimmt jedenfalls nicht. Innerhalb von zwei Wochen gab es fast 400 Tests im Kreisgebiet.

Kreis korrigiert nach zweitem Test: Kein Corona am AvH

Man kann es also drehen und wenden wie man will: Der Vogelsberg steht sehr gut da, darüber darf man sich freuen, auch gerne etwas mehr. Was aber nicht passieren sollte, ist dass die Freude zu überschwänglich wird, man das Wesentliche vergisst. Wir befinden uns noch immer mitten in der Pandemie. Wir müssen weiter vorsichtig sein. Das Infektionsgeschehen ist zeitversetzt. Die guten Zahlen von jetzt basieren auf den wenigen Kontakten die es in der Zeit des Lockdowns gab, weil das Virus eine Weile braucht, bis es Menschen krank macht. Doch der wird Stück für Stück gerade wieder aufgehoben.

Restaurants dürfen wieder öffnen, die Geschäfte und Friseure sind schon wieder offen, Sport ist wieder erlaubt und Hotels dürfen wieder Touristen empfangen. Für die einen dürfte all das ein Grund zur Freude gewesen sein, für die anderen eher nicht. Es sind verschiedene Ängste, die dieses zwiegespaltene Stimmungsbild prägen. Da sind die Einzelhändler, Hoteliers und Gastronomen hier im Kreis, die um ihre Existenz bangen. Es sind die Eltern, deren Kinder seit Wochen weder Freunde, noch Kitas, Schule oder aber Spielplätze gesehen haben. Es sind die Alten, die in der Isolation ihre Familie vermisst haben. Da sind aber auch die Ärzte, Krankenpfleger und Laien, die eine Überforderung des Gesundheitssystems fürchten, wenn wir jetzt in der Euphorie der Lockerung so tun, als wäre das Virus wirklich verschwunden. Das ist es nicht.

Um so erstaunlicher ist es dann doch, wenn man bemerkt, dass beim Einkaufen Abstände nicht eingehalten werden, wenn keine Möglichkeit zur Verfügung steht, einen Einkaufswagen zu desinfizieren, wenn sich Gruppen mit deutlich zu vielen Menschen um Parkbänke tummeln. Oder wenn Leute protestieren, weil sie beim Shoppen einen Mundschutz tragen sollen.

Die zweite Welle darf uns nicht treffen

All das ist ungewohnt, aber wir müssen lernen, es als eine Art Normalität auf Zeit zu akzeptieren. Es dient dazu, das Virus wirklich stoppen. Es dient dazu, dass unsere Einzelhändler ihre Läden öffnen dürfen, dass wir von einer zweiten Welle mit vielleicht schlimmeren Folgen, die auch die Wirtschaft noch viel schwerwiegender treffen könnte, verschont bleiben. Es dient dazu, dass wir unser Leben, wie es vor Corona war, gänzlich zurückerlangen – aber eben erst Stück für Stück und mit der Zeit.

Die zweite Welle darf uns nicht treffen, dafür müssen wir geduldig sein und diesen gefährlichen Leichtsinn, diese trügerische Gleichgültigkeit gegenüber der Pandemie, ablegen.

Also liebe Vogelsberger, lasst uns gemeinsam die neuen Lockerungen genießen, lasst uns aber gemeinsam weiterhin vorsichtig sein. Abstand halten, einen Mundschutz tragen – egal, wie lästig er ist. Wir müssen weiterhin auf unsere Niesetikette achten, uns regelmäßig die Hände waschen. All das ist noch immer das oberste Gebot. Das dürfen wir trotz der Freude über die Lockerungen nicht vergessen. Lasst uns noch etwas Geduld haben, damit wir gemeinsam gut aus der Krise kommen. Und damit wir unseren Vorsprung vor dem Virus nicht verspielen.

4 Gedanken zu “Wir dürfen den großen Vorsprung nicht verspielen!

  1. In ECUADOR sind die zustände sehr tragisch/schlimm, da liegen die Covid19 Toten in den Häusern/STraßen herum und keiner holt sie ab bzw. niemand reagiert auf Anrufe/Notrufe der Bürger :(

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    1. Habe den TV-Beitrag auch gesehen (Link: https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/ecuador-suche-nach-toten-100.html). Scheinbar sind die reichen Länder des Westens von solchen Verhältnissen noch weit entfernt. Doch was macht uns da so sicher? Als erstes zieht – allen sozialen Beteuerungen der Politik zum Trotz – der Hunger wieder in unsere Gesellschaft ein, verslumen ganze Stadtteile, bilden sich lange Schlangen vor den Ausgabestellen, wo gespendete Lebensmittel verteilt werden, erwartet man demnächst Hunger-Aufstände. Auch darüber wurde gestern im Fernsehen am Beispiel Frankreichs berichtet (https://www.ardmediathek.de/daserste/player/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2V1cm9wYW1hZ2F6aW4vMTkxZmRhMGMtNjNjMS00MjIwLWJmNDYtZmYwYThhNGYwMTQ5/frankeich-wachsende-armut-in-den-banlieues). Und angesichts der vielen Schreckensmeldungen in Europa ist fast untergegangen, dass in den USA bereits bewaffnete Protestgruppen das Regionalparlament von Michigan gestürmt haben, um gegen Lockdown-Bestimmungen zu protestieren (https://www.n-tv.de/politik/Bewaffnete-stuermen-Parlament-in-Michigan-article21753027.html). Auch in unserem Land muss man mit gewaltsamen Protesten rechnen. Denn nicht alle Branchen (https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/coronavirus-die-gewinner-und-verlierer-der-coronakrise-a-7a312bf6-896b-442d-b0f5-de9198e58818) und Bevölkerungsgruppen (https://www.stern.de/politik/ausland/corona–warum-die-krise-minderheiten-besonders-hart-trifft-9260978.html) leiden gleichermaßen unter der Pandemie-Krise. Von daher verbreitet sich bei manchen Minderheiten schnell das Gefühl, besonders benachteiligt zu sein und das Schicksal in die eigene Hand nehmen zu müssen.

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    1. 1. Aha, ein Kommentar zum Kommentar… Da ist er ja… Oh, er ist von einem Herrn Kalbfleisch. Nun, sei’s drum. Also: @ Kalbfleisch
      Wie könnte die Dummheit der Menschen vergessen werden, wo diese sich doch häufig bereits im Vergessen selbst oder aber in der Form manifestiert, in der man von irgendwelchen Fleischteilen (Kalbfleisch, Schnitzel) zu der einen oder anderen Art der Erinnerungstätigkeit aufgefordert werden.
      Daher mein Appell: Geben wir die Hoffnung nie auf, dass sich endlich einmal die Klugen in der menschlichen Gesellschaft durchsetzen.

      Und nun zu Frau Stocks Kommentar. @ Frau Stock:

      Jeder, der hier ein neues Thema eröffnet, hat eine Riesenchance, dazu als erste(r) etwas Kluges beizutragen. Aber er kann sich dabei auch gründlich blamieren. Also aufgemerkt und die Worte sorgfältig gewogen!

      Natürlich kann man es für ein großes Verdienst (und bitte nicht: „einen großen Verdienst“!) der Vogelsberger halten, sich nur in derart geringer Zahl mit dem Killervirus angesteckt zu haben wie dies die Statistik ausweist. Doch diese Feststellung relativiert sich, wenn man sie in Beziehung setzt zu der niedrigen Bevölkerungsdichte. Und wenn gar von einem „unglaublichen Vorsprung“ geschrieben wird, „auf den man stolz sein“ könne und der jetzt nicht „verspielt“ werden dürfe, dann müsste man diesen ja zunächst durch kluges Agieren „ERspielt“ haben und eine klare Vorstellung haben, was man bisher richtig gemacht habe bzw. künftig zu tun und zu lassen sei, damit der Vorsprung erhalten bleibe. „Und da sind alle gefragt!“ Klingt nach Floskel, ist aber erst mal ja nicht falsch.

      Doch das Eis des Kommentars – so metaphert der Metapherer – ist dünn. Eisblumen sind zudem schwer zu pflücken. Und auf der Rasierklinge wird der elegante Spitzentanz schnell zum Ritt über den Bodensee. Ein Fuffi ins Metaphernschwein. Mindestens.

      Doch dann kommt’s: „Warum die Zahlen hier so gering sind, darüber lässt sich nur spekulieren.“
      Das wäre dann aber keine sehr solide Grundlage für den Vogelsberger Bürgerstolz einerseits und die klugen Ratschläge an die Bevölkerung, wie die stolzgeschwellte Brust über die Runden zu retten sei.
      „Aber mit der Rückkehr zur Normalität sollte man es dann doch nicht überstürzen.“
      Nö, sollte man nicht. Klingt aber auch nicht gerade nach toller Strategie und Ruck, der jetzt durchs Vogelsland gehen müsse.

      Aber dafür wird’s jetzt knallhart analytisch: „Innerhalb von zwei Wochen gab es fast 400 Tests im Kreisgebiet.“ Verhält sich gegenüber 108.000 Kreisbürgern wie 1: ja wieviel? Und würde im Vergleich mit der Testquote in anderen Teilen des Landes mit hoher bzw. ähnlich niedriger Infektionsrate jetzt was aussagen?
      „Denken Sie an den Vogelsberg“, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier vor Kurzem in der Pressekonferenz zu den neuen Regeln im Umgang mit dem Coronavirus. „Ja, denken wir an den Vogelsberg“, empfiehlt uns auch Luisa Stock. Und jetzt?

      „Ein Schnupfen hockt auf der Terrasse, auf dass er sich ein Opfer fasse“, dichtete einst – ja, wer jetzt: Christian Morgenstern (https://www.youtube.com/watch?v=0iduOvjjiec) oder (immer wieder fälschlich zitiert!) Joachim Ringelnatz? Hier sind es zwei Dichter als unsichere Quelle. Luisa Stock weiß von zwei vermeintlich neuen Infektionen, die sich als Fehlalarm heraus gestellt hätten. „Das darf Hoffnung wecken. Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zur Normalität.“ Meint Luisa Stock. Ich als Statistiker würde hier eher von einer sehr schmalen empirischen Basis sprechen.

      Und wenn Frau Stock uns mahnt, „in der Euphorie der Lockerung [nicht] so [zu] tun, als wäre das Virus wirklich verschwunden“, denn das sei es nicht, fühle ich mich nicht wirklich angesprochen. Und auch nicht ernst genommen. Denn wer glaubt das denn und könnte entsprechend in Euphorie verfallen? Vielleicht Herr Kalbfleisch und Herr Schnitzel, die ihren Missmut gern an Sündenböcken wie „den Flüchtlingen“ auslassen.

      „Und Äcktschen, plies!“ Mittlerweile bereitet sich eine zweite Welle des „Infektionsgeschehens“ vor, die aber wenig mit aufkeimender Unachtsamkeit gegenüber dem Keim zu tun hat, sondern eher mit den Verfallsprozessen bei der Überlagerung von Frischfleisch. Zu Tausenden kommen jetzt die angeblich ihrer bürgerlichen Freiheiten beraubten Corona-Verharmloser und Verschwörungstheoretiker aus ihren Löchern. Und siehe da, es sind die üblichen Verdächtigen, die am Wegesrand eine neue Variante für ihre Hass- und Hetztiraden gefunden zu haben glauben. Und da helfen nicht die üblichen Kita-Ermahnungen: Abstand halten, einen Mundschutz tragen, auf unsere Niesetikette achten, uns regelmäßig die Hände waschen. Mein „oberstes Gebot“: Trotz aller Freude über die Lockerungen nicht vergessen, dass es da einen mächtigen Bodensatz in unserer Gesellschaft gibt, der nicht das gleiche Interesse hat wie die vernünftige Mehrheit: Dass wir gemeinsam gut aus der Krise kommen. Und dafür braucht es eine Resistenz gegen einen noch schlimmeren Virus als Corona!

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