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Schiedsfrau Ute Koch soll Streits schlichten - doch sie hat wenig zu tun„Das Hauptproblem ist die Unbekanntheit“

ALSFELD. Wenn der Nachbar mal wieder zu laut Musik hört, seine Hecke nicht schneidet oder eine Freundin das geliehene Geld nicht zurückzahlt, dann muss nicht immer das Gericht die erste Anlaufstelle sein. Besser wäre es, zunächst eine Schiedsperson einzuschalten, die unter dem Motto Schlichten ist besser als Richten“ ehrenamtlich vermittelt. In Alsfeld gibt es derzeit zwei Schiedspersonen, die sich um außergerichtliche Streitschlichtungen kümmern – eine davon ist Ute Koch. Im Interview mit Oberhessen-live erzählt sie von ihrem Amt. Von Alina Kristin Roth. 

Schiedspersonen werden von der Gemeindevertretung auf fünf Jahre gewählt und danach von der Leitung des jeweiligen Amtsgerichts bestätigt. Doch nicht jeder kann das Amt einer Schiedsperson übernehmen. Anwärter „müssen nach ihrer Persönlichkeit und ihren Fähigkeiten für das Amt geeignet sein“, heißt es dazu etwas schwammig im entsprechenden Gesetz. Spezielle Vorkenntnisse sind zwar nicht vonnöten, allerdings gibt es einige Punkte, die berücksichtigt werden müssen, wenn eine Person für das Schiedsamt vorgeschlagen wird.

Schiedspersonen müssen beispielsweise mindestens 30 – in manchen Bundesländern 25 – und höchstens 75 Jahre alt sein, müssen die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter besitzen, in dem Bezirk des Schiedsamts beziehungsweise bei Gemeinden mit mehreren Schiedsämtern in der Gemeinde wohnen und dürfen nicht unter Betreuung stehen. Ein öffentliches Amt kann für fünf Jahre nicht begleiten, wer in den vergangenen fünf Jahren zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde.

In Alsfeld gibt es zwei Schiedsamtbezirke: Alsfeld I und Alsfeld II. Alsfeld I umfasst die Kernstadt und Altenburg, Alsfeld II alle übrigen Stadtteile. Die Amtszeit der Schiedsfrau Ute Koch für den Bezirk Alsfeld II läuft am 26. Mai ab – sie hat sich aber erneut zur Wahl aufstellen lassen. Weitere Bewerber gab es nicht. Bei der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstagabend wurde Ute Koch für weitere fünf Jahre einstimmig gewählt.

Seit 2013 ist Ute Koch, die ihr Alter lieber für sich behalten möchte, als Schiedsfrau für den Bezirk Alsfeld II zuständig. 1995 fing sie an, bei der Bauaufsicht im Vogelsbergkreis als Stadtplanerin zu arbeiten. Während ihrer Arbeit dort absolvierte sie ein Zusatzstudium in Mediation und Konfliktmanagement. Mittlerweile arbeitet sie nicht mehr als Stadtplanerin, sondern studiert in Kassel Soziologie.

Das Interview

Oberhessen-live: Frau Koch, erstmal herzlichen Glückwunsch, dass sie zum zweiten Mal zur Schiedsfrau gewählt wurden.

Ute Koch: (lacht) Ja danke.

Wie fühlt man sich da?

Ja mir macht das sehr viel Spaß und deswegen freut es mich, dass ich das weiter fortführen darf.

Sie haben jetzt fünf Jahre Amtszeit hinter sich und sind für weitere fünf Jahre gewählt worden. Wieviele Fälle hatten sie denn bereits?

Bisher hatte ich einen abgeschlossenen Fall. Gespräche und Anfragen hat es schon mehrere gegeben, es kam aber dann nicht zu einer Schiedsverhandlung.

Wieso denn nicht?

Beispielsweise wegen Unzuständigkeit oder weil der Antragsteller dann doch kein Interesse mehr an einer Schiedsverhandlung hatte.

Auf dem Dorf regelt man Dinge anders

Und wieso hatten sie erst einen Fall? Streiten die Alsfelder so wenig?

Man muss tatsächlich sagen, dass es auf dem Land ein bisschen anders läuft, gerade in Dörfern – und das ist der Bereich, für den ich ja zuständig bin – regelt sich auch ganz viel unter Nachbarn von sich aus oder es greift mal der Ortsvorsteher ein. Man kennt sich halt und traut sich dann auch nicht so unbedingt in einen offenen Streit zu gehen. Das ist der Unterschied zu einer Stadt, die tatsächlich deutlich mehr Fälle vorzuweisen hat.

Worum ging es denn in dem bisherigen Fall?

Details darf ich natürlich nicht sagen, weil es ja die allgemeine Verschwiegenheit gibt. Aber was ich auf jeden Fall sagen kann, dass es typische Nachbarkeitsstreitigkeiten waren – bezüglich Bepflanzung und Bebauung. Das ist auch das, was normalerweise beim Schiedsamt angetragen wird.

Ute Koch kurz nach ihrer Wiederwahl in der Stadtverordnetenversammlung. SPD-Landtagskandidat Swen Bastian gratulierte. Foto: privat

Könnte sich Ihre Auftragsflaute damit erklären lassen, dass viele Menschen nichts über das Schiedsamt wissen?

Das ist das Hauptproblem, dass das Schiedsamt einfach unbekannt ist, deswegen ist die Stadt auch schon aktiv geworden und hat hier und dort auch mal Presseveröffentlichungen gemacht, damit einfach das Amt an sich bekannter wird und zumal ja auch einiges für das Schiedsamt spricht, anstatt sich an einen Anwalt zu wenden, der gleich ganz viel Geld kostet.

Das Schiedsamt kostet, wenn man dann das Verfahren wirklich durchführt, ungefähr 50 Euro und insofern ist das deutlich preiswerter als von irgendeinem Anwalt ein Schriftstück verfassen zu lassen. Und es hat natürlich auch den Vorteil, gerade wenn man einen Anwaltsbrief bekommt ist man ja nicht gerade begeistert – es wird immer viel gedroht und die Situation verschärft sich meistens noch – während das Schiedsverfahren darauf ausgelegt ist, dass die Nachbarn sich untereinander wieder verständigen und sich auch auf eine Lösung einigen.

Wodurch könnte das Schiedsamt bekannter werden?

(lacht) Beispielsweise durch Sie. Es muss einfach mehr beworben werden und ich denke, wenn man den ein oder anderen Fall auch mal hatte und der gut ausging, was wir ja immer hoffen, spricht es sich ja vielleicht tatsächlich rum.

Lohnt sich das Schiedsamt überhaupt, wenn Sie erst einen Fall hatten?

Das Schiedsamt lohnt sich immer und wenn es auch nur ein Fall im Jahr ist, den man tatsächlich dann bearbeitet – es können natürlich gerne mehr sein. Es lohnt sich immer für die Menschen. Und ich bin auch zufrieden, wenn ich tatsächlich dazu beitragen kann, dass sich die Nachbarn wieder verstehen – und sich grüßen.

Wie sind sie denn überhaupt dazu gekommen, Schiedsfrau zu werden?

Das wurde damals, vor fünf Jahren, in der Zeitung inseriert und es hat mich total interessiert, gerade weil ich dieses Zusatzstudium mit der Mediation und Konfliktmanagement gemacht habe. Auch durch die bauaufsichtliche Tätigkeit hatte ich schon so viel mit Nachbarstreitigkeiten zu tun, was mich total interessiert und daraufhin habe ich mich beworben.

Wieso haben sie sich noch mal zur Wahl aufstellen lassen?

(lacht) Ja ich habe ja noch zu wenig Fälle gehabt bis jetzt.

Und das hat Ihnen noch nicht gereicht? 

Nein. Jedenfalls möchte ich das Amt weiter machen, weil ich merke, auch im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen von Schiedsämtern, dass ich da an sich auch an der richtigen Stelle bin, was meine Vorkenntnisse betrifft und ich möchte natürlich auch, gerade im Bereich Mediation, verstärkt tätig sein, deswegen ist das eine ganz tolle und spannende Sache.

Und ich bin auch zufrieden, wenn ich tatsächlich dazu beitragen kann, dass sich die Nachbarn wieder verstehen – und sich grüßen

Sie waren die einzige Kandidatin, die sich für das Amt beworben hat, woran liegt dass ihrer Meinung nach?

Ach, das kann ich gar nicht sagen – also Geld verdienen tut man damit nicht. Das ist ein Ehrenamt und es gibt auch nur eine kleine Aufwandsentschädigung. Aber wenn 50 Euro für einen Fall dann tatsächlich zu Buche schlagen, bekommt die Stadt den Löwenanteil und dann bleibt für die Schiedsperson eigentlich wenig übrig, sodass es sich also vom geschäftsmäßigen her nicht lohnt, aber es lohnt einfach der Menschen wegen.

Wurden Sie denn irgendwie auf das Amt vorbereitet?

Es gibt da tatsächlich für jeden Neuling auch Einführungsseminare, die der Bund der Schiedsleute anbietet. Die sind sehr umfangreich. Vor allem ist die Hauptschwierigkeit, sich in das Formularwesen einzuarbeiten und dann auch wirklich Schritt für Schritt die richtigen Dinge durchzuführen. Darüber hinaus bietet der Bund der Schiedsämter natürlich auch noch weitere Fortbildungen an, bezüglich Zivilrecht, Strafrecht, alles was so tatsächlich anfällt.

Weil, man darf nicht vergessen, das Schiedsamt befasst sich nicht nur mit Nachbarstreitigkeiten, wenn es um Pflanzungen oder Bebauungen geht. Tatsächlich gibt es auch verbindliche Vorverfahren. Es gibt zum Beispiel bei Beleidigungen, die nicht unbedingt gleich vor Gericht landen müssen, auch Schiedsverhandlungen, genauso wie bei Vermögensstreitigkeiten. Das kann man auch alles über ein Schiedsverfahren regeln, ohne einen teuren Anwalt zu engagieren.

Der Ablauf eines Schiedsverfahrens

Und wie läuft dann so ein Schiedsverfahren ab? Die Leute melden sich dann bei Ihnen oder wie kann man sich das vorstellen?

Ja genau. Es findet mit dem Antragsteller ein Vorgespräch statt. Ich guck mir meistens auch die Situation vor Ort oder Unterlagen an, sodass ich inhaltlich ein bisschen vorbereitet bin. Dann nehm ich auch mit dem Antragsgegner Kontakt auf, um den Sachverhalt zu erläutern, bevor dann die offizielle Ladung zu dem Schlichtungstermin kommt. Es ist ja auch wichtig, dass man den Termin miteinander abstimmt – nicht dass man zu einer Verhandlung einlädt und es kommt dann keiner. Und so eine formelle Ladung ins Haus flattern zu sehen, ohne vorbereitet zu sein, erschreckt natürlich auch.

Deswegen findet auch ein Vorgespräch statt, bevor es mit der offiziellen Ladung zu einem Schlichtungstermin kommt. Der kann erfolgreich sein oder auch nicht. Bei einem Vergleich beispielsweise gibt es das Schlussprotokoll mit der Einigung, die die Nachbarn erzielt haben, das von allen unterzeichnet wird. Jeder bekommt dann eine Ausfertigung und damit hat man tatsächlich auch einen durchsetzbaren Titel in der Hand. Das heißt mit diesem Schiedsverfahren kann man tatsächlich, wenn Vereinbarungen nicht eingehalten werden, direkt die Vollstreckung durchsetzen.

Die andere Partei ist dann oft schockiert und weißt alle Vorwürfe von sich, weil die natürlich auch eine ganz andere Sicht auf den Sachverhalt hat

Wenn sich dann also Person A bei ihnen meldet, weil sie ein Problem mit Person B hat und Sie melden sich dann bei Person B, weiß die Person dann schon bescheid? Also sprechen sich die Parteien miteinander ab?

Oft geht der Antrag von einer Seite aus. Die andere Partei ist dann oft schockiert und weißt alle Vorwürfe von sich, weil die natürlich auch eine ganz andere Sicht auf den Sachverhalt hat. Aber darum geht es ja auch in der Mediation, also in der Schlichtungsverhandlung, dass man wieder zueinander findet und sich vielleicht einfach mal austauscht, welche Verletzung oder Beeinträchtigungen jeweils tatsächlich empfunden werden, die zu regeln sind.

Also beide Parteien müssen einem Schiedsverfahren zugestimmt haben?

Ja, das ist dann der Vergleich. Es gibt natürlich auch Verhandlungen, die ohne Vergleich enden. Das heißt, die Parteien bleiben zerstritten. Zum Glück war das bei mir nicht der Fall. Dann kann man allerdings auch direkt vor Gericht ziehen. Das Gericht nimmt ja nicht jeden Fall an, aber wenn man dann tatsächlich vom Schiedsamt eine Erfolglosigkeitsbescheinigung bekommt, kann man sich auch direkt ans Gericht wenden.

Zum Abschluss noch eine kurzer Test. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Herr Müller und Frau Schmidt wohnen im selben Haus und teilen sich den selben Garten. Herr Müller ist leidenschaftlicher Gartenzwergsammler und genießt sein Hobby in vollen Zügen – wäre da nicht Frau Schmidt, die panische Angst vor Gartenzwergen hat und deswegen immer wieder mit Herrn Müller aneinander gerät. Herr Müller sieht es allerdings nicht ein, seine größte Leidenschaft aufzugeben. Als allerdings Gartenzwerg Nummer 45 in den Garten einzieht, platzt Frau Müller der Kragen. Wie würden Sie versuchen, so eine Situation zu schlichten?

(lacht) Zunächst müssen sich die Nachbarn verständigen. Aber als Schiedsperson darf man durchaus ja auch Vorschläge machen und bei dem Fall, den Sie gerade dargestellt haben, würde sich doch tatsächlich anbieten, im Garten vielleicht eine Ecke abzuteilen, die von der Frau Schmidt nicht eingesehen werden kann. Vielleicht kann man da einen kleinen Sichtschutz anbringen. Dann kann sich Herr Müller in seinem eigenen Bereich mit seinen Gartenzwergen austoben, ohne sie zu stören.

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