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Offener Brief der Sozialdemokraten wegen Magistratseinladung an JournalistenRomröder SPD-Fraktion wirft Richtberg Pressezensur vor

ROMROD (ol). Wegen des ungewöhnlichen Vorgangs der Einladung eines Journalisten in den Romröder Magistrat hat sich die Romröder SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. In einem offenen Brief an die Bürgermeisterin Dr. Birgit Richtberg von der CDU kritisieren die Sozialdemokraten den Schritt – und werten ihn als „als Pressezensur und unzulässige Einflussnahme auf die Pressefreiheit“. Oberhessen-live dokumentiert den Brief im Wortlaut.

„Sehr geehrte Bürgermeisterin Frau Dr. Richtberg, liebe Birgit, die Umstände zur Einladung des freien Journalisten Philipp Weitzel haben in der SPD-Fraktion für viel Unmut und Unverständnis gesorgt. So ist aus der Fraktion an mich die Forderung herangetragen worden hierzu eine Pressemitteilung herauszugeben und eine Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung einberufen zu lassen. Dein Einladungsschreiben an Philipp Weitzel, denn Du lädst als Bürgermeisterin zu Magistratssitzungen ein, auch wenn das Schreiben durch eine Verwaltungskraft erstellt wurde, ist in der Fraktion als Pressezensur und unzulässige Einflussnahme auf die Pressefreiheit gewertet worden.

Wir sind beide lange genug im politischen Geschäft, als dass wir beide nicht wüssten, dass diese Einladung bei einem Verhältnis von fünf Stadträten sowie einer Bürgermeisterin gegenüber einem einzelnen Journalisten mit kritischer Berichterstattung nicht tatsächlich mehr einem Tribunal ähneln würde, als einer Kommunikation und einem Gedankenaustausch. Und auch ich kann mich noch sehr lebhaft an eine Einladung zu einer Magistratssitzung erinnern, bei der es um die Art meiner Amtsausübung als damaliger Stadtverordnetenvorsteher ging, bei der die Sache in einer wilden Schreierei des damaligen 1. Stadtrats mir gegenüber gipfelte.

So etwas braucht keiner, schon gar nicht jemand Außenstehendes, der überhaupt nicht im politischen Wettbewerb steht. Gerade Du, die stets für den kurzen Draht und die kleinen Wege in Romrod wirbt, hätte so viel Fingerspitzengefühl aufbringen müssen, Philipp Weitzel als Romröder und engagierter Ehrenamtler für Romrod in einem Vieraugengespräch für deine Sicht der Dinge zu sensibilisieren.

‚Dadurch, dass man etwas verschweigt, ist etwas noch nie besser geworden‘, ist eine Aussage des SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz. Und gerade in der jetzigen schwierigen Phase von LuWiA sollte eine transparente und öffentliche Berichterstattung unser aller Ziel sein. Dies habe ich Dir mehrfach seit Herbst letzten Jahres gesagt, seit dem die Probleme zum Mietvertrag aufgetreten waren. Natürlich hat sich jeder von uns schon einmal über eine Presseberichterstattung geärgert, weil man nach eigener subjektiver Einschätzung nicht richtig dargestellt wurde. Hier hat jeder für sich schon mal abgewogen, wie wichtig es für einen persönlich ist und ob eine eigene Pressemitteilung Sinn macht. Oder ob man so falsch dargestellt wurde, dass man sogar eine offizielle Presse-Gegendarstellung verlangen möchte.

Tatsache ist, dass unsere Medienlandschaft unzählige Möglichkeiten einräumt, seine Sicht der Dinge in allgemein akzeptierter Form darzustellen. In der Oberhessischen Zeitung hattest Du dazu bereits die Möglichkeit, sehr prominent platziert in der vergangenen Samstagsausgabe, bekommen. Was ich persönlich über die Aussagekraft dieses Statements denke, habe ich Dir bereits mitgeteilt.

Ja, heutzutage sind soziale Medien auch Öffentlichkeit

Tatsache ist aber auch, dass dieses Einladungsschreiben an Philipp Weitzel über Facebook seinen Weg an die Öffentlichkeit gefunden hat. Ja, heutzutage sind soziale Medien auch Öffentlichkeit. Und ja, Philipp Weitzel hatte alles Recht diesen Weg zu gehen. Insbesondere nach dem Umstand, dass er aufgrund des kritischen Artikels auf den Du Dich in Deinem Einladungsschreiben beziehst, aus der politischen Berichterstattung für Romrod für die Oberhessische Zeitung herausgenommen wurde. Genauso gravierend ist aber der nunmehr in der Öffentlichkeit entstandene Vertrauensverlust gegenüber der Arbeit des Magistrats und der Bürgermeisterin. Vertrauensverlust und auch Ärger von Bürgerinnen und Bürgern, die ihr Recht auf Transparenz zu LuWiA in einer schwierigen Phase des Projekts einfordern. Diesen Vertrauensverlust und Ärger sollte man nicht zu einem Ansehensverlust verkommen lassen, sondern bestimmt entgegentreten.

Letztendlich ist es auch eine Tatsache: Nur wer arbeitet macht Fehler. Wer nichts tut, macht auch keine Fehler. Fehler die man vielleicht so nicht mehr machen würde, egal aus welchem Grund sie einem unterlaufen sind. Daher habe ich mich in der Fraktion dafür eingesetzt Dir die Möglichkeit zu geben, den Vorgang Philipp Weitzel mit seinen öffentlichen und nicht öffentlichen Folgen in geeigneter Weise aus der Welt zu schaffen, damit eine Sondersitzung und weitere Presseaufarbeitung nicht nötig werden.

Denn eines darf ich Dir genauso versichern, dass unter umgekehrten politischen Vorzeichen schon längst ein solcher Vorgang ausgeschlachtet worden wäre. Dies hat die Vergangenheit leider mehrfach eindrücklich unter Beweis gestellt. Und so bleibt festzustellen, dass Sozialdemokraten immer ein Herz für fairen Umgang haben, aber genauso als Menschen im Bewusstsein der Opfer vor ′45 und ′89 stets in der Tradition eines „nie wieder“ und „wehrt den Anfängen“ leben. Menschen die einen Fehler einsehen, zeigen wahre Größe und ich hoffe, wir werden in diesem Sinne bis nächsten Mittwoch von Dir lesen.

Mit besten Grüßen

gez.
Jörg Gaudl, Fraktionsvorsitzender“

LINKTIPP

Der Vorgang war bereits Anlass einer Glosse auf Oberhessen-live. Lesen Sie hier „Das Märchen der eingeschnappten Königin zu Romrod“.

7 Gedanken zu “Romröder SPD-Fraktion wirft Richtberg Pressezensur vor

  1. @ Romröder und @ Noch ein Romröder
    Auch ohne „geschützte“, d.h. von einer bestimmten Ausbildung/bestimmten Abschlussqualifikationen abhängige, Bezeichnung ist „Journalist_In“ eine professionelle Tätigkeit, die haupt- oder nebenamtlich ausgeübt werden kann.

    Siehe https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/journalist-38034/version-261460
    >> Mitarbeiter von Zeitungen, Zeitschriften oder Nachrichtendiensten entweder im Angestelltenverhältnis (Schriftleiter) oder als freie Mitarbeiter. Letztere sind nach Umsatzsteuerrecht zu behandeln wie freie Berufe (gelten als Unternehmer). Auf Antrag kann die Vorsteuer pauschal mit einem Durchschnittsatz von 4,8 Prozent des eigenen Umsatzes angesetzt werden (Anlage zu §§ 69, 70 UStDV, Ziff. IV.4). Die Leistungen der Journalisten unterliegen i.d.R. dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 II Nr. 7 UStG). <<

    Der Journalist/die Journalistin befinden sich hier innerhalb der modernen Berufswelt aufgrund des Verschwindens alter und des Entstehens ständig neuer Berufsbilder in guter Gesellschaft. "Makler", "Berufspolitiker", "IT-Berater", "Projektentwickler" usw. darf sich auch jeder nennen. Durch die Digitalisierung und den freien Zugang zu Informationen, sozialen Medien usw. können schon Kinder Geschäftsideen entwickeln und Start-Ups gründen. Wer sich am Markt erfolgreich behauptet, wird nach seiner "formalen Qualifikation" nicht mehr gefragt. Umgekehrt werden traditionelle Berufsbezeichnungen entwertet (Rechtsanwalt, Schauspieler, Lehrer, Verwaltungsfachangestellter etc.), weil sie oft keine Grundlage mehr für ein gesichertes Einkommen bieten und Teilqualifikationen digital automatisiert werden können. Infolgedessen wird berufsständisches Denken mehr und mehr obsolet.

  2. Dieser Vorgang ist einfach nur ein gutes Beispiel dafür, dass selbstherrliches Handeln von Personen in öffentlichen Ämtern bis auf die unterste Ebene der politischen Bühne zu finden ist.

    Die Berichterstattung von Herrn Weitzel hat nur aufgezeigt, dass das Thema Planen und Bauen in solchen Größen für eine Kommune nicht händelbar ist. Fachlich ist ein Parlament wie die Stadtverordnetenversammlung Romrod nicht in der Lage eine versierte Entscheidung zu treffen.

    Was aber dem Fass den Boden ausschlägt, ist das Verhalten der Oberhessischen Zeitung.

    Aus der OZ vom Dienstag 20.03.
    Ein Einzelner wird vor (in diesem Fall) sechs Personen zitiert, um sich der Kritik aussetzen und sich erklären zu müssen.Allein dieser Umstand erzeugt Druck; und diesemkann unddarf sich die freie Presse nicht beugen, will sie ihre Aufgabe gewissenhaft erfüllen. Es ist denn auch in keinsterWeise einem Druck geschuldet, dass dieOZ–wie von Jörg Gaudl richtig angemerkt –ihren freien Mitarbeiter aus der kommunalpolitischen Berichterstattung in Romrodabzieht.

    Hier wird dem undemokratischen Verhalten der Bürgermeisterin auch noch Vorschub geleistet und die Presse beugt sich dem Druck aus der Politik.

  3. Herr Gaudl ist ,ausser seinem gemeldeten Wohnsitz, nicht mit konkreten persönlichen Arbeitsergebnissen aufgefallen. Doch, mit einem: Ich kann die Bürmermeistern nicht ausstehen. Punkt 2: Das Bauvorhaben um das es geht, ist wohl über die Jahre mit nahe 100 Prozent, meist mit 100 Prozent durch alle Gremien bei jeder Abstimmung bestätigt worden. Alle Zahlen sind bestimmt vorhanden, sie müssten gelegentlich nachgefragt und richtig berichtet werden. Für Freizeitreporter bestimmt nicht leicht, richtig muss es trotzdem sein.

  4. Durchdenken wir doch einmal die Ausgangssituation.

    Auf der einen Seite haben wir einen Magistrat, der allem Anschein über die Berichterstattung zu einem Projekt nicht amüsiert ist und den Journalisten, der für diese Berichterstattung verantwortlich ist, schriftlich zu einem Gespräch einlädt.

    Der bestmögliche Ausgang eines solchen Gesprächs für den Magistrat wäre gewesen, wenn er den Journalisten, durch welche Argumente auch immer, dazu gebracht hätte, seine Meinung über das Projekt zu ändern und in Zukunft anders/differenzierter/… zu berichten. Dabei war das Risiko eines kommunikativen Desasters für Magistrat und Bürgermeisterin nicht unerheblich und immer klar sichtbar, schließlich steht keinerlei reales Machtmittel gegen einen Journalisten zu Verfügung. Einzig mit der Macht des vernünftigen Wortes und der Präsentation von Fakten hätte man vielleicht Aussicht auf Erfolg gehabt.

    Fest steht, daß die Brisanz des Einladungsschreibens von Seiten der Bürgermeisterin/des Magistrats falsch beurteilt wurde. Man mag das Blauäugigkeit nennen, man kann von einer Ungeschicklichkeit sprechen. Für eine weitergehende negative Wertungen fehlt jedoch jede Evidenz, denn der Journalist hat es leider vorgezogen, diesen Gesprächstermin nicht wahrzunehmen. Schade eigentlich, was hätte ihm passieren können?

    Als weder in der Lokalpolitik noch im Journalismus tätiger Bürger Romrods bleibt mir nur, festzustellen, daß diese Auseinandersetzung unnötig ist. Ein Skandal ist eben deshalb nicht zu erkennen, weil wir weder unter hessischen Fürsten, Nationalsozialisten oder in der DDR leben sondern in einem freien Staat, in dem man auch als Journalist unbehelligt leben kann und bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen darf, daß ein Gesprächsangebot vielleicht auch mal nichts anderes als ein Gesprächsangebot ist.

    @Jörg Gaudl: Wer leichtfertig den Vorwurf der Zensur erhebt, der beleidigt alle historischen und zeitgenössischen Opfer dieses Übels. Ich würde mir wünschen, daß es in Romrod wieder mehr um die Sache ginge.

    @Tatsache: Frau Dr. Richtberg ist im November in die CDU eingetreten, nachlesbar in eben diesem Medium.

    @Romröder: Sie wünschen sich einen Staat, in dem der Begriff „Journalist“ geschützt ist? Also einen Staat, in dem die Regierung darüber befindet, wer sich journalistisch betätigen darf? Denken Sie bitte noch einmal darüber nach. Falls Sie bei diesem Wunsch bleiben: Melden sich sich doch beim Landesamt für Verfassungsschutz als Gegner des Art. 5 GG zur Beobachtung und Diagnose an. Telefon: 0611-7200.

  5. Zu schade, dass die Bezeichnung „Journalist“ nicht geschützt ist. Sonst könnte man sich die ganze Diskussion ganz einfach sparen. Herr Weitzel hat jahrelang darauf hingearbeitet, dass es zu so einem „Eklat“ kommt und stets alles dafür gegeben, einen solchen zu provozieren.
    Der letzte Absatz setzt dem Ganzen noch die Krone auf.

    Dass Herr Gaudl den Haus- und Hofjournalisten der Romröder SPD derart in Schutz nimmt, wundert mich nicht. Er hat die Gelegenheit, in gutem Licht dazustehen, ohne selbst etwas dafür geleistet zu haben. So schlägt doch mit diesem „Skandal“ endlich seine Stunde.

  6. Sehr geehrter Herr Gaudl,

    schlimm ist, dass nun in der Öffentlichkleit Frau Richtberg von der CDU geschrieben wird. Besser wäre es gewesen….Frau Richtberg, parteilos.

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