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Stadt räumt Fehler ein: Alternativen zur Lindenfällung gab es - doch die standen außer FrageLindenfällung: Stadt räumt Kommunikationsfehler ein

ALSFELD (bk/ls). Drei Linden am Ludwigsplatz müssen einem Schwertransport für Windräder weichen, das ist spätestens seit der Stadtverordnetenversammlung in der vergangenen Woche sicher. In der Bevölkerung sorgte der Beschluss für teilweise heftiges Entsetzen. Zu Verwirrung kam es dabei auch durch Verlautbarungen der Stadt. Die hatte verkündet, es gebe zum Ende der Bäume keine Alternativen. Die gab es allerdings doch – wie die Stadt jetzt selbst einräumt und damit Fehler in ihrer Kommunikation eingesteht.

Kurz vor dem Beginn der jüngsten Stavo hatte Oberhessen-live mit einem Artikel für etwas Aufregung gesorgt. In dem Stück kamen einige Experten zu Wort, die die Auffassung vertraten, dass es durchaus möglich sei, Windradflügel über den Ludwigsplatz zu transportieren, ohne dabei einen Baum fällen zu müssen. Der Artikel wurde Thema im Stadtparlament – und OL für die Art und Weise des Berichts von Vertretern des selbigen kritisiert. Zu oberflächlich die Recherche, zu unwirtschaftlich und kompliziert die aufgezeigten Alternativen.

Am Montag lud Bürgermeister Stephan Paule schließlich ins Rathaus, um die Gründe für die Entscheidung der Stadt nochmals genau zu erörtern – und um einen Fehler einzuräumen. „Ich gebe zu: Die Stadt hätte die Grundlage ihrer Entscheidung besser kommunizieren sollen“, sagte er.

„Alternativen gibt es immer“, sagte Stadtplaner Martin Schultheis bei dem Treffen. Doch das Fällen sei nach reichlicher Überlegung von von der Stadt als die bestmögliche Variante ermittelt worden: „Auch, weil die Stadt so viel Geld für drei Bäume bekommt, die sie sowieso in der Zukunft beseitigen müsste“, erklärte Paule die Hintergründe der Entscheidung Alsfelds. Heißt im Klartext: Die Stadt hätte durchaus die Bäume retten können, hat sich aber bewusst dagegen entschieden. Als Gründe dafür führte Paule nicht nicht nur die winkende Entschädigung an, sondern sprach auch von der möglichen Gefahr einer Schadensersatzklage.

Zusätzliche Kosten und Eingriffe in die Natur

Die Verwendung von Techniken wie dem so genannten „Bladelifter“, einem Spezial-LKW, mit dem Windradrotoren um Hindernisse herum geschwenkt werden können, sei für das ausführende Unternehmen wesentlich teurer als die Entschädigung für das Fällen der Bäume. Die Mehrkosten entstünden unter anderem deswegen, weil ein „Bladelifter“ zu langsam sei, um über die Autobahn fahren zu dürfen. Die Bauteile müssten also in Alsfeld von einem Schwertransport auf einen anderen umgeladen werden. Und dafür müsse wohl eine extra Umladefläche geschaffen werden, die zusätzlich Geld koste und einen zusätzlichen Eingriff in die Umwelt darstelle.

Dadurch, sagt Paule, bestehe die Möglichkeit für die Stadt auf Schadensersatz verklagt zu werden, wenn sie dem Unternehmen die billigere Variante (Geld bezahlen, um damit neue Bäume zu pflanzen) verweigere. Dr. Rudolf Saller, Fachanwalt für Schwertransporte, bestätigte im Gespräch mit Oberhessen-live grundlegend die Ausführungen des Alsfelder Bürgermeisters. Eine Klage gegen die Stadt, wenn sie auf „unverhältnismäßige Lösungen“ beharre, sei „durchaus möglich“. Die Entscheidung der Stadt sei nachvollziehbar, auch wenn Linden besonders schützenswerte Bäume seien. Auf die Frage, wie oft es in Hessen bereits aus solchen Gründen Schadensersatzklagen gegeben habe, sagte Stadtplaner Schultheiß, das sei ihm nicht bekannt.

Eine Alternativroute, die das Fuhrunternehmen im Rahmen seiner Prüfung vorschlug, sei seitens der Stadt übrigens abgelehnt worden, sagte Stadtplaner Schultheis. Der Plan hatte den Schwertransport der Rotorflügel über die Ernst-Arnold-Straße vorgesehen. Doch aus Sicht der Stadt sprachen gleich mehrere Punkte dagegen. „Auch bei dieser Route hätten ebenfalls drei Bäume vorne an der Kreuzung zum Krankenhaus weichen müssen. Außerdem hätte man die Verkehrsinsel umbauen müssen“, sagte Paule.

Angst vor Straßenschäden

Zudem kam die Stadt zu dem Entschluss, dass die Straße, deren Erhalt in ihrem Zuständigkeitsbereich liegt, grundlegend nicht für den Schwertransport geeignet sei. Zwar wiege ein Flügel-Transport nur unwesentlich mehr als normale LKW, welche die Straße auch passieren dürften,  aber man hätte lieber auf Nummer sicher gehen wollen, „nicht in drei oder vier Jahren Beschädigungen an den Rohren festzustellen“, sagte der Bürgermeister.

Am Ende habe für die Stadt die Erkenntnis gestanden: „Der Wert der Linden steht nicht dafür sie zu erhalten“, sagte Paule und betonte damit nochmals die Expertise von Stavo-Mitglied und Diplom-Landschaftsgärtner Martin Räther, der sagte, dass die 30-jährigen Linden am Ludwigsplatz „keine Zukunft“ gehabt hätten, weil man sie dort nie hätte pflanzen dürfen. Bei den zwei alten Eichen sehe die Sache anders aus. Die Eichen seien einerseits so „dominant“ und prägend für das Alsfelder Stadtbild, andererseits aber hindern sie die Linden deshalb am „richtigen Wachstum“. Es habe auch noch den Plan des Unternehmens gegeben, rechts am Ludwigsplatz vorbei zu fahren, so dass man die beiden großen Eichen hätte beseitigen müssen. „Diese Alternative hat die Stadt aber sofort abgelehnt“, sagte Paule.

Mit dem Geld, welches die Stadt als Entschädigung erhält, soll die Grünfläche am Ludwigsplatz umgestaltet werden. Darüber hinaus sollen in Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde beim Kreis neue Bäume gepflanzt werden. Bereits in den nächsten Tagen soll durch Stadtverordneten Räther ein neuer Baum gepflanzt werden. Und Bürgermeister Stephan Paule sagte im Gespräch mit OL zudem, dass er aus privater Tasche ebenfalls einen Baum pflanzen wolle. „Aber keine Linde“, sagte er.

Allein auf der Fläche des neuen Casino Carré sollten außerdem bis zu acht neue Bäume gesetzt werden. „Die Stadt wird nicht baumlos werden“, versicherte Paule – und ergänzte: „Das Thema hat viele Bürger emotional tief bewegt. Daher wird die Stadt bei einer ähnlichen Situation die Menschen in Alsfeld früher und umfassender informieren.“

Petition gestartet

Doch auch eine rechtzeitige Informationskampagne über umstrittene Vorhaben kann einen Protest gegen sie nicht gänzlich verhindern. Inzwischen gibt es eine Online-Petition, die den Erhalt der Linden fordert. Der Initiator bemängelt nicht nur, zu spät von der Aktion erfahren zu haben, er lehnt die Beseitigung der Bäume generell ab und sieht das Stadtbild in Gefahr. „Ein fünfstellige Summe des Windparkbetreibers wiegt die Schönheit des Ludwigsplatzes nicht auf“, heißt es in der Petition, die Montagabend gestartet wurde und inzwischen über 200 Unterschriften zählt.

4 Gedanken zu “Lindenfällung: Stadt räumt Kommunikationsfehler ein

  1. Ist schon interessant wer sich alles meldet. Ein Fachanwalt für Transport und Speditionsrecht, ein Herr Stadtrat Martin Räther, Diplom-Ingenieur für Landschaftspflege und Mitglied der UWA. Sind die nicht alle involviert und irgendwie befangen?

  2. Ich frage mich sowieso schon, wer damals die Genehmigung zur Pflanzung der Bäume erteilt hatte? Es hätte tatsächlich eine Eiche in der Mitte des Platzes ausgereicht und den Rest mit einem schönen Blumenbeet (so wie der Bauhof es auch immer geschmackvoll herrichtet) ergänzt! Man stelle sich den Aufschrei der Bürger vor, wenn ein Baum durch Sturm etc. auf ein Auto fallen würde! Ich bin jetzt auch der Meinung, die 2 Bäume heraus zu nehmen u. eventuell den kleineren umzupflanzen, soweit möglich! Einen Vorschlag hätte ich noch an die Verantwortlichen (Bürgermeister usw.): Bitte rechtzeitig die Bürger informieren u. „mit ins Boot“ nehmen! :)

  3. Liebe Bürgerinnen und Bürger in Alsfeld,

    jede Stadt oder Gemeinde ist im Rahmen der allg. Verkehrssicherungspflicht so oder so gehalten, die Verkehrssicherheit von Straßenbäumen nach den Richtlinien für Regelkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen der Forschungsgemeinschaft Landesentwicklung und Landschaftsbau zu überprüfen (vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 27.08.2015, Az.: 7 U 119/14).

    Herr Stadtrat Martin Räther, Diplom-Ingenieur für Landschaftspflege und Mitglied der UWA, sagt selbst, er habe eine der Linden im Jahre 2013 eigenhändig gepflanzt. Sie an dieser Stelle einzusetzen habe ihm in der „Seele weh getan“. Der Platz sei kein Standort für Bäume, die Linden hätten dort nie gepflanzt werden dürfen und hätten sowieso irgendwann entfernt werden müssen. Das bedeutet, die Bäume müssen über kurz oder lang so oder so da weg, weil der Standort nichts taugt und die Bäume vermutlich von selbst irgendwann umkommen.

    Der Frachtführer hat dagegen im Rahmen seines Antrags auf übermäßige Straßenbenutzung nach § 29 Abs. 3 StVO einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der beteiligten Straßenbaulastträger.

    Natürlich gibt es immer Alternativen, notfalls auch einen Lastenhubschrauber, aber davon hat die Stadt Alsfeld nichts und verteuert nur den Schwertransport, der ja auch nicht aus Jux und Tollerei da hinfahren muss.

    Seid schlau, nehmt das Geld und pflanzt die neuen Bäume dort, wo sie auch aufblühen und gedeihen können. Nur das macht Sinn.

    Viele Grüße nach Alsfeld

    Dr. Rudolf Saller, Rechtsanwalt, Altötting
    Fachanwalt für Transport und Speditionsrecht

  4. Ich vertraue und glaube unserem Bürgermeister Stephan Paule das er für die Stadt und uns das bestmögliche rausgeholt hat udn freue mich auch das neue Bäume gepflanzt werden.
    Die Alicestraße ist extrem frekventiert, hier fahren am Tag gefühlt 50.000-100.000 Autos, Bäume sind als Sauerstoffspender und Luftfilter unumgänglich.
    Auch kühlen sie die Luft ab im Sommer.
    Auch muss das Angagement von Oberhessenlive sehr gewürdigt werden, sehr gute Arbeit, danke.

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