In Alsfeld will man muslimische Beerdigungen ermöglichen„Es bedeutet auch ein Stück dazuzugehören“
ALSFELD (cdl). Der Tod gehört zum Leben. Ebenso die Bestattung, Trauer und das Andenken an die verstorbenen Angehörigen. Für Menschen mit muslimischem Glauben ist eine Bestattung in Alsfeld bisher nicht möglich. Wenn es nach dem einstimmigen Beschluss der Alsfelder Stadtverordnetenversammlung geht, soll sich das in Zukunft ändern.
Momentan ist es noch üblich, dass die Deutsch-Türken eine Sterbeversicherung abgeschlossen haben und nach ihrem Ableben per Flugzeug in ihr Heimatland oder in das Geburtsland ihrer Eltern zur Bestattung gebracht werden. Für die Hinterbliebenen ist somit der Besuch des Grabes nur sehr selten möglich. Daher begrüßt die Islamische Gemeinde Alsfeld den Vorstoß der Kommunalpolitik ausdrücklich.
„Ich finde es sehr gut von den Parteien, eine schöne Geste. Sie hat gezeigt, dass wir in Alsfeld eine andere Beziehung zueinander haben“, sagte der Vorsitzende der Islamischen Gemeinde Alsfed Adem Maden im Gespräch mit Oberhessen-live. Momentan sei das deutsch-türkische Verhältnis nicht zuletzt durch die Diskussionen um Erdogan belastet. Hinzu komme die weltpolitische Lage seit 2001, die oft zu Pauschalverurteilungen gegenüber Muslimen führe.
Adem Maden erklärte im Gespräch das muslimische Bestattungsritual.
„Wir brauchen einen Friedhof damit sich die Muslime mit dem Tod befassen können.“ Für eine Religion, die an ein Leben nach dem Tod glaube, sei das immens wichtig. Dafür müsse man sich mit dem Tod auseinandersetzen und das gehe direkt vor einem Grab am besten. Üblicherweise besuche man in der muslimischen Kultur seine Toten nach dem Freitagsgebet und an hohen Feiertagen wie nach Ende des Ramadanfestes am Grab und gedenke ihnen vor Ort. In der Türkei bestattete Angehörige würden leicht vergessen und es können oft mehrere Jahre vergehen, bis man das Grab besuche.
Maden sieht aber auch einen weiteren positiven Aspekt. Ein Friedhof sei für Menschen sehr wichtig. „Es bedeutet auch ein Stück dazuzugehören. Ich gehöre nach Alsfeld“, sei eine Botschaft, die davon ausgehe. Außerdem sei es oft nicht einfach zu entscheiden, wo der Angehörige in der Türkei beerdigt wird. Das eine Elternteil stamme womöglich aus Anatolien und das andere aus Istanbul. Wohin hat man noch den meisten Kontakt und wohin reist man am häufigsten.
Der Bedarf ist dringender als angedacht
Rein rechtlich ist eine muslimische Bestattung erst seit der Abschaffung der Sargpflicht in Hessen im Jahr 2012 möglich geworden. Bei einer muslimischen Beerdigung wird der Tote nach der rituellen Waschung in ein Tuch gehüllt und mit dem Gesicht seitlich in Richtung Mekka in die Erde gelegt. Außerdem werden Gräber in Deutschland nach 25 Jahren aufgehoben. Das widerspricht dem Ritus der ewigen Totenruhe, die im Islam üblich ist.
Das Holz sorgt dafür, dass der Verstorbene seitlich liegt und in Richtung Mekka blickt. Foto: privat
In Alsfeld hat es vor vier Jahren schon einmal die Überlegung gegeben, Muslimen die Bestattung in Alsfeld zu ermöglichen. Damals hatte sich die Islamische Gemeinde aber noch dagegen ausgesprochen.
Mittlerweile hat sich die Situation jedoch geändert. Gerade für die vielen Flüchtlinge müsse die Möglichkeit schnell geschaffen werden, ist Maden überzeugt. Bei den Deutsch-Türken sei ja noch alles über die Sterbeversicherung geregelt. Man zahle pro Jahr etwa 50 Euro und brauche sich um nichts mehr zu kümmern. Aber bei verstorbenen Flüchtlingen sei die Regelung bisher völlig unklar. Ein Syrischer Flüchtling war an einem Herzinfarkt gestorben und niemand wusste so recht, was mit dem Leichnam geschehen solle. Nach einigem Hin und Her sei er dann auf dem muslimischen Friedhof in Stadtallendorf beigesetzt worden.
Außerdem gebe es auch einige Mischehen zwischen Muslimen und Christen in Deutschland. Eine deutsche Christin möchte ihren Mann wohl kaum in seinem Herkunftsland begraben lassen. Diesen Fall habe es vor einigen Jahren in der Umgebung gegeben. Die Ehefrau habe durchgesetzt, dass ihr Mann in Deutschland beigesetzt wurde. Die trauernden Eltern seien damals aus Ägypten angereist. Er habe damals zu einer Notlüge gegriffen und erzählt, dass es sich um ein muslimisches Grabfeld handele, um den Trauernden Trost zu spenden.
Die Idee der Stadtverordneten war eigentlich weitsichtiger gedacht. Sie wollten eine Lösung für Menschen mit Migrationshintergrund suchen, die in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben und nach ihrem Ableben vermutlich keinerlei Verbindungen mehr ins Land ihrer Eltern oder Großeltern haben. Momentan würde es sich wohl um lediglich zwei Beerdigungen pro Jahr handeln.
Wie sich ein muslimisches Grab äußerlich unterscheidet
Im Grunde genommen unterscheiden sich muslimische Gräber kaum von den Christlichen. „Natürlich haben wir keine Kreuze auf den Gräbern“, sagt Maden. Aber es gibt ein Grabstein mit einer Inschrift und Blumenschmuck auf dem Grab. Ob die Verzierungen aufwendig und pompös ausfallen oder das Grab sehr einfach und schlicht gehalten werde, liege ganz alleine am Geschmack oder auch am Geldbeutel der Angehörigen. „Da unterscheiden wir uns nicht von den Christen.“ So unterschiedlich wie auf christlichen Friedhöfen, seien auch die Gräber der Muslime.
Ein Grab in Ankara. Auch in der Türkei werden Gräber mit Stiefmütterchen bepflanzt. Foto: privat
Ausnahmen bestätigen die Regel
Der Älteste türkische Friedhof Deutschlands stammt noch aus Zeiten des Osmanischen Reiches. Er wurde 1866 von König Wilhelm I. geschaffen. In den vergangenen Jahren haben immer mehr deutsche Städte muslimische Friedhöfe eingerichtet. In Alsfeld gibt es einige wenige türkische Gräber. Das Älteste stammt laut Maden aus dem Jahr 1969. Dass gar keine Muslime in Särgen bestattet werden, stimme so auch nicht. Bei Krankheiten werde der Verstorbene in einem schlichten Holzsarg bestattet.
Gerade wenn Kinder und Jugendliche ums Leben kommen, gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Ausnahmeregelungen, damit die Eltern die Gräber regelmäßig besuchen können. Maden kennt einige solcher Gräber in der Region Mittelhessen. Ein eigenes Gräberfeld am Alsfelder Friedhof mit der Möglichkeit der Waschung und der rituellen Bestattungszeremonie, wie von den Stadtverordneten angedacht, hält er für die beste Lösung.
Wenn hier die Satzung geändert wird,,muss auch an den Nachkauf der Grabstätte gedacht werden,denn ein muslimisches Grab besteht ewig,denn sonst steht gleich der nächste Ärger an.