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Bürgerversammlung: Bis zum Abbruch ging es um Steuern und WindkraftKeine Kritik an Steuerplänen, aber an Windkraft

ALSFELD (aep). „Ich werbe dafür, dass Sie diesen ersten Schritt mitgehen!“ Mit solch deutlichen Worten suchte Bürgermeister Stephan Paule am Montagabend bei der Bürgerversammlung in der Alsfelder Hessenhalle Zustimmung für seine erste große und prompt nicht unumstrittene Entscheidung im Amt: den chronisch defizitären Haushalt mittels einer „immensen Steueranhebung“ ausgleichen zu wollen. 180 Besucher vernahmen die Erklärungen – und zumindest die widersprachen nicht.

Der Haushaltsplan für 2014 war ein Thema für den Abend, ein zweites wurde die Windkraft, zu der es erboste Meinungen aus dem Publikum gab – doch zu mehr kam es nicht. Ein älterer Mann war zusammengesackt und musste medizinisch versorgt werden, worauf der Bürgermeister die Versammlung abbrach.

Bis dahin nutzte Paule das Forum in der einigermaßen kalten Hessenhalle, um seinen schon vor dem Stadtparlament geübten Vortrag über die Hintergründe der Steueranhebung noch einmal mit Hilfe einer großen Beamer-Leinwand vorzutragen. Demnach gelte es, ein Defizit von rund 2,1 Millionen Euro unbedingt auszugleichen, da das Regierungspräsidium der Schutzschirm-Kommune Alsfeld signalisiert habe, nicht noch einmal eine Genehmigung zu erteilen, wenn die Vorgaben nicht erfüllt werden. Die lautet: annähernder Ausgleich des Haushaltsplans (Oberhessen-live berichtete).

Werbung für die Anhebung der Grundsteuern

Die Anhebung der Grundsteuern um satte 47 Prozent, wie Paule selbst einräumte, bewirke nicht nur in diesem Jahr das gewünschte Ergebnis – im Gegensatz etwa zu Plänen, auf eine deutlich erhöhte Gewerbesteuer zu setzen. „Wenn wir wollen, dass der Haushalt dauerhaft ausgeglichen wird“, so meinte Paule, dann müsse man auf die wesentlich zuverlässigere Grundsteuer setzen. Er habe mit seinen Plänen drei Schritte im Blick: zunächst den defizitären Ergebnishaushalt ausgleichen, dann einen positiven Finanzhaushalt herstellen – und zuletzt in ein paar Jahren den Schuldenberg der Stadt abtragen. Der werde vorerst aber sogar noch weiter wachsen, da es einen größeren Investitionsstau gebe.

In der anschließenden Diskussionsrunde musste sich Paule zu seinen Steuerplänen keiner Kritik stellen. Fragen zielten auf andere Bereiche ab: ob nicht am großen Defizit des Hallenbades etwas geändert werden könnte. Oder was denn mit dem Stadtbus geschehen sollte. Das Hallenbad, so Paules Erklärung, würde auch mit einer Schließung weiter Geld kosten – Kredite und Abschreibung – aber Alsfeld verlöre damit „ein attraktives Angebot“, stellte er unter Beifall aus dem Publikum fest.

Der frühere Verkehrsvereinsvorsitzende Jörg Köhler fragte nach den Gründen für den Austritt aus dem Tourismusverband Rotkäppchenland. Für 5000 Euro Einsparung, so fragte Köhler: „Braucht Alsfeld keinen Tourismus mehr?“ Daraufhin gab Bürgermeister Paule eigene Pläne für Tourismuswerbung preis: die Kooperation „mit unmittelbaren Nachbarn“. Alsfeld habe das Pech, zwischen zwei Destinationen zu liegen: Vogelsberg und Rotkäppchenland. In keinem komme die Stadt wirklich zum Zuge – sei aber durchaus in der Lage, als eigenes Tourismusziel zu werben. Das wolle er nun mit den Nachbargemeinden gemeinsam tun. „Das ist eine Arbeitsgemeinschaft, die tatsächlich arbeitsfähig ist.“

Emotionaler und kontroverser ging es beim Thema Windkraft zu, bei dem Paule die städtischen Vorstellungen mit den Plänen aus dem Regierungspräsidium abglich. „Man will Windkraft da, wo sie die Bürger am wenigsten belastet“, stellte er als Prämisse vor. Allerdings gebe es Unterschiede zwischen den Vorstellungen des Regierungspräsdium und der Stadt. Städtischerseits sollen die Standorte entlang der Autobahn eingegrenzt werden: von Zell über Eifa zum Waldgebiet bei Lingelbach – und am Homberg, wo sich bereits mehrere Investoren dafür interessierten. Vier bis sechs Windkraftanlagen könnten dort stehen. Der Regionalplan aus Gießen sehe einerseits größere Flächen vor und andererseits eine zweite Achse gen Norden zwischen Dörfern wie Elbenrod und Fischbach  hindurch. Indes: „Die Stadt will eigene Ziele in die Regionalplanung einbringen“, sagte Paule, und kämpfe darum mit Stellungnahmen, Verhandlungen und auch vor Gericht.

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Beamertechnik fürs Publikum: das Podium, von dem aus Bürgermeister Paule die Themen erläuterte.

„Es geht nicht mehr um das ‚ob‘, sondern um das ‚wie'“, fasste er die Möglichkeiten zusammen, mit denen sich das Stadtparlament in einem Workshop mit externer Beratung auseinandersetzen soll. Es gehe dabei auch um die Frage, wie die Stadt und Einwohner von Modellen profitieren könnten.

Hattendorf von Windgeneratoren umstellt?

Von großen Ängsten auch um die Gesundheit in den betroffenen Dörfern Hattendorf und Elbenrod erzählte in der Diskussionsrunde dagegen Dr. Sachiko Scheuing, die Vorsitzende der Bürgerinitiative „Schöne Aussicht“, als sie als mögliches Ergebnis der Planungen zusammenfasste, die Orte könnten von mehr als einem Dutzend Windgeneratoren im Norden und Süden umstellt sein. In einem emotionalen Vortrag warnte danach der Alsfelder Rolf Bünte vor Großbaustellen auf dem Homberg, für die der Wald gerodet werden würde. „Da wächst kein Baum mehr, da wächst kein Gras mehr!“

Zu einer weiteren Aussprache kam es nicht mehr, weil der Bürgermeister die Veranstaltung wegen eines medizinischen Notfalls unterbrach – und dann kurz darauf abbrach, als erkennbar wurde, wie ernst es um das Leben des Besuchers ging.

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