Rudolf Weirauch ist Smartphone-Reparateur – Einblicke in die Welt des WinzigenDiese Hände können Handys heilen
LAUTERBACH/ALSFELD. Reparieren, wenn es nicht ums Auto geht, das kommt in moderner Zeit gleich nach Stummfilm oder Gartenzwerg, klingt irgendwie altmodisch oder spießig. Und unmöglich, weil doch die Elektronik sich so einfach nicht in die Karten schauen lässt. Aber es gibt ihn noch für viele Geräte, den Reparatur-Service, sogar für das vielleicht verbreiteste aller Spielzeuge: das Handy oder besser: Smartphone. Da bekommt Reparatur etwas Mystisches. Ein Mann im Vogelsberg weiß, was zu tun ist, wenn Glas bricht, Knöpfe klemmen, Akkus aufgeben – und das teure Stück nicht mehr will. Wegwerfen?
Nein: Bei Euronics weiß man Rat. Es ist ein wenig überraschend, wenn man in dem Elektrofachmarkt in Lauterbach vom Verkaufsraum in die Nebenräume wechselt: eine große Werkstatt-Welt tut sich auf. Ein ganzer Raum voll mit kleinem und großen Gerät. Eine Regalwand nimmt Teile auf, mehrere Arbeitsplätze laden zum Werkeln. Offensichtlich gehört Reparatur in dem Haus zum Programm, und Jürgen Hanitsch, der geschäftsführende Gesellschafter der Euronics-Filialen in Lauterbach und Alsfeld, schmunzelt: „Wer bietet denn so etwas noch an? Wir sind ein wenig stolz darauf, dass wir das können!“ 17 Mitarbeiter, so verrät der für die kaufmännische Abwicklung der Abteilung zuständige Daniel Fritzges, sind bei Euronics auf die eine oder andere Art mit dem Reparatur-Service betraut – darunter eine Reihe Außendienst-Mitarbeiter. Die machen zu Hause Spül- und Waschmaschinen wieder flott.
Der kleinste Arbeitsplatz in der Werkstatt
Inmitten dieser Werkelwelt sitzt Rudolf Weirauch. Sein Platz ist der kleinste – ein Tisch, ein Drehstuhl – fast ein bisschen verschämt eingeklemmt zwischen geöffneten Flachbild-Fernsehern und einem Stapel großformatiger Messgeräte seiner Kollegen. Aber was dieser 22-Jährige mit seinen Händen tut, gehört ein wenig ins Magische der Moderne: Er darf die Hülle von Smartphones knacken und in ihrem Innern wühlen, um zu heilen, was gerade noch für Bestürzung sorgte. Oder profaner gesagt: Rudolf Weirauch repariert Smartphones aller Art, einzig im Vogelsberg.
So klein und vielseitig diese Dinger sind, so viel können sie auch kaputt gehen, und dann ist guter Rat teuer. Der Bruch des Touchscreens ist die bekannteste Beschädigung, gefolgt vom Ausfall der Bedienungsknöpfe an den Seiten der kleinen Computer. Aber auch drinnen gibt es Schwachstellen, können winzige Kabel brechen. Die Akkus geben manchmal zu schnell den Geist auf. Rudolf Weirauch ist spezialisiert darauf, solche Schäden zu finden und Teile zu ersetzen. Der Auszubildende für Informationselektronik hat dafür eigens einen Lehrgang besucht und muss alle sechs Monate zur Schulung. So schnell veraltet bei Handys das Wissen.
Gerade hat er ein Samsung S3 in der Mangel, das offenbar zuvor tatsächlich in einer solchen gewesen ist. Das Display ist komplett gesplittert, angeblich, weil der Besitzer sich drauf gesetzt hat. Rudolf Weirauch ist über die Ursache etwas skeptisch: „Die Displays halten viel aus“, sagt er und kramt eines aus dem Papierkorb zu seinen Füßen. Da war die Platine gebrochen, aber die Oberfläche ist heil. „Schauen Sie mal“, fordert er Aufmerksamkeit, und hämmert mit der wirklich spitzen Spitze eines Schraubziehers auf den Kunststoff ein. Kein Kratzer tut sich auf: „Die sind schon stabil!“
Das S3 braucht ein neues Display. Kein Problem für den Techniker: Für Samsung-Geräte und iPhones hat er Ersatzteile parat. Er muss nur austauschen. Mit einem Schraubenzieher, dessen Spitze eher an eine Nadel erinnert, hebt er Schrauben aus dem Gehäuse, die jede Putzfrau als Krümel wegsaugen würde. Pentalob-Schraubenzieher heißt das Teil in der Fachsprache. Alles Gerät an diesem Platz erinnert an die Arbeit eines Uhrmachers. Auch eine Lupe schwebt in Kopfhöhe – das ist kein Job für zittrige Finger.
Der Techniker breitet nach und nach das Samsung-Smartphone auf der Arbeitsplatte aus. Vor ihm: der kleine Ofen zum Aufheizen der Geräte.
Arbeit mit der Pinzette
Vorsichtig hebt Rudolf Weirauch nun die Rückseite ab und arbeitet sich zum Display vor: Der mittlere Rahmen wird gelöst, eine weitere Schraube herausgedreht. Das Mainboard kann nun mit der Pinzette rausgehoben werden – der eigentliche Rechner. Vorsichtig entfernt der Techniker den Lichtsensor, die Kamera und einen kleinen Knopf. „Das ist der Vibrationsmotor“, sagt er und löst Erstaunen aus: „Das kleine Ding?“ Es geht noch kleiner: Die Motoren im iPhone sehen aus die die Endstücke kleiner Drahtstifte. Der Respekt vor dem Können wächst. Noch die Antenne raus, und dann liegt das Samsung S3 säuberlich für ihm ausgebreitet auf dem Tisch. Diese Ordnung ist sehr wichtig. „Beim Zusammenbau geht es anders herum.“
Der kleine Backofen kommt zum Einsatz, der den Besucher die ganze Zeit etwas irritiert: Ist das Ding zum Testen? Nein, erklärt Rudolf Weirauch, den Ofen braucht er, um Klebstoff zu lösen. Damit provoziert er auch thermisch bedingte Fehler. Für eine Vorführung schiebt er ein Display hinein und heizt es auf 80 Grad auf. Danach lässt es sich schälen. Genau daran erinnert, was der Techniker damit tut: Er schält mit einem Messer die durchsichtige Oberfläche von der elektrischen Schicht darunter. Das sieht beeindruckend aus – ist aber nichts, was man zu Hause nachmachen sollte, wenn man sein Smartphone liebt.
Das Samsung S3 bekommt sein neues Display und sieht aus wie neu. Und an einem iPhone 5 zeigt Rudolf Weirauch auch gleich, wie diese Kultdinger geöffnet werden: mit Hilfe von Saugnäpfen an einer Zange, die wie eine Klemme aussieht. Oben und raufgesetzt, ein Druck, und – plop – das Handy zeigt sein Inneres. Beim iPhone ist übrigens der Powerknopf die häufigste Quelle für Reparaturbedürftigkeit. Nebenbei fällt auf: Der Handyheiler ist irgendwie verdrahtet. Ein Kabel führt vom Handgelenk zur Arbeitsplatte. „Damit bin ich geerdet und garantiert spannungsfrei“, erklärt er. Die Organe seiner Patienten sind so filigran, dass schon kleinste Stromstöße sie beschädigen könnten. Deshalb das ausgleichende Kabel.
Gut eine halbe Stunde hat die Reparatur des Samsung-Handys gedauert, und der Operateur hat noch mehr vor an dem Tag. Je mehr Smartphones im Umlauf sind – und je wertvoller sie sind – desto mehr ist er gefragt. Immerhin: 150 Stück hat Rudolf Weirauch in den ersten viereinhalb Monaten des Jahres schon repariert. „Wir können noch mehr“ sagt sein Chef. Zwischen 80 und 150 Euro kostet so etwas – bei einem Gerätepreis von durchweg über 300 Euro ist die Reparatur eine gefragte Alternative. Meist muss Kundschaft nur einen Tag auf das gute Stück verzichten, und wer’s ganz eilig hat – und dafür zahlt – kann eigentlich sogar direkt darauf warten.
„Damit ist Herr Weirauch in der Region einmalig“, lobt Euronics-Geschäftsführer Hanitsch seinen Mitarbeiter. Und der junge Mann zeigt das Lächeln von jemandem der weiß, dass sein Job gewiss Zukunft hat.
von Axel Pries
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