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Ein Blick in die Arbeit des DRK in der Notunterkunft Alsfeld24/7 im Einsatz für Kriegsgeflüchtete

ALSFELD (akr). Einfach mal durchatmen, sich ausruhen, eine warme Mahlzeit zu sich nehmen – für die meisten Menschen in Europa etwas ganz Alltägliches. Für die Familien, die aus dem Kriegsgebiet der Ukraine fliehen, ist es das aber nicht. In der Notunterkunft in Alsfeld wird ihnen geholfen, dafür sorgen die rund 40 Mitarbeiter des DRK Alsfeld – und zwar 24/7. Ein Besuch.

Decken, Laken, Bettwäsche, Handtücher und ein paar Hygieneartikel in einem kleinen durchsichtigen Beutel liegen in mehreren Stapeln auf dem Tisch bereit. Diese sogenannten Erstausstattungspakete sollen schon gleich von den beiden DRK- Mitarbeitern Andrea Lott und Stefan Mink an die Neuankömmlinge übergeben werden. In wenigen Minuten wird nämlich ein Bus mit Geflüchteten aus der Ukraine an der Notunterkunft in Alsfeld ankommen.

Seit knapp zwei Monaten ist die Unterkunft auf dem Reitplatz neben der Hessenhalle zu finden, anfangs war sie noch in der Hessenhalle untergebracht. Das war jedoch nur als temporäre Lösung gedacht. Deshalb begann der Kreis auch schnell damit, mobile Hallen und Container auf dem Reitplatz aufzustellen.

Seit Anfang April ist das neu errichtete Hallen-Dorf in Betrieb. Im Gegensatz zu anderen landeseigenen Unterkünften wird die in Alsfeld übrigens nicht geschlossen – sie ist schließlich nicht in einer Sporthalle untergebracht, wie Regierungsoberrat Dominik Zutz vom Regierungspräsidium Gießen erklärt. Die Entscheidung mit der Schließung hatte das Land kürzlich getroffen, weil immer weniger Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ankommen.

Weitere Notunterkunft auf Reitplatz neben Hessenhalle errichtet

„Jeder bekommt bei seiner Ankunft nach der Registrierung ein Erstausstattungspaket überreicht. Wir erwarten auch heute wieder neue Zuweisungen“, erklärt Frank Diehl, als er auf die Stapel blickt. Der Notfallsanitäter gehört zum hauptamtlichen Leitungsteam der Notunterkunft und ist unter anderem für den Aufbau und die Organisation verantwortlich. Er ist einer von rund 30 Menschen, die aktuell für das DRK Alsfeld im Schichtdienst in der Flüchtlings-Notunterkunft arbeiten.

Vom Ehrenamt ins Hauptamt

Der DRK Kreisverband Alsfeld ist nämlich der Betreiber. „Im Einsatzbefehl des Landes Hessen zum Aufbau und Betrieb der Notunterkunft wurde klar definiert, dass Katastrophenschutzeinheiten nur kurzfristig eingesetzt werden sollen und schnellstmöglich durch einen Betreiber entlastet werden müssen“, sagt DRK-Kreisgeschäftsführer Thorsten Ellrich.

Landkreis und DRK seien sich schnell einig gewesen, dass die „Ressource Ehrenamt“ endlich sein wird und die Notunterkunft schnellstmöglich in hauptamtliche Strukturen übergehen muss. In den ersten 14 Tagen haben rund 70 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den DRK-Bereitschaften Alsfeld, Atzenhain, Feldatal, Gemünden, Grebenhain, Homberg (Ohm), Kirtorf, Lauterbach, Lautertal, Mücke, Nieder-Ohmen, Schlitz und Schwalmtal über 2.000 ehrenamtliche Stunden in den Bereichen Sozialbetreuung, Essensausgabe und Sanitätsdienst geleistet.

Herbert Dörr, Frank Diehl und Thorsten Ellrich gehören zum hauptamtlichen Leitungsteam.

„Hier gilt ein besonderer Dank zunächst an die Helferinnen und Helfer selbst, aber auch an ihre Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder auch für länger andauernde Einsätze, wie zu Beispiel beim Hochwasser im Aartal im vergangenen Jahr, freistellen“, betont Ellrich. Das sei keine Selbstverständlichkeit mehr in der heutigen Zeit.

Als die gemeinsame Entscheidung fiel, dass die Unterkunft in hauptamtliche Strukturen übergeben werden muss, hat das DRK innerhalb der nächsten zehn Tage einen Bewerbermarathon gestartet und so über 30 befristete Arbeitsverhältnisse geschaffen. „Die ersten hauptamtlichen Mitarbeiter haben bereits am 21. März ihren Dienst angetreten“, erklärt Ellrich. Weitere kamen im Laufe der nächsten Wochen dazu.

Eine der zwei großen Unterkunftshallen.

Hier ein Einblick in die Parzelle 2E. In den zwei Hallen gibt es verschiedene Abteile, die mit Stockbetten ausgestattet sind. In der kleinsten Parzelle finden 28 Menschen Platz, in der größten 66. Familien mit Säuglingen werden in diesen zwei Hallen aber nicht untergebracht. Für sie stehen Wohncontainer bereit.

Das ehrenamtliche Leitungsteam, das anfangs aus Ulf-Immo Bovensmann, Timo Schneider und Andreas Fischer bestand, wechselte schließlich in ein hauptamtliches Team. Hierzu zählen neben Frank Diehl auch Andreas Fischer, Herbert Dörr, Marianna Dzinic und Thorsten Ellrich.

400 Geflüchtete am Mittwoch

Rund 400 Geflüchtete sind es, die an diesem Mittwoch in der Notunterkunft Schutz vor dem Krieg suchen. Einige von ihnen sitzen gerade in der sogenannten Haupt-, beziehungsweise Versorgungshalle und essen zu Mittag. Es gibt Gemüsereis und Hähnchen in Sahnesoße. Andere wiederum tippen konzentriert auf ihren Smartphones rum, die gerade an der Internetstation auf der linken Seite der Halle am Ladekabel hängen. Nur wenige zieht es aktuell nach draußen, es regnet.

„Es ist ein ständiges Kommen und Gehen“, sagt Ellrich. So wird an diesem Tag nicht nur ein weiterer Bus mit Geflüchteten erwartet, sondern für einige steht auch die Abreise auf dem Programm. Welche Menschen wann abreisen, dass kann man auf einer großen Leinwand in der Halle sehen. Namen sind dort aus datenschutzrechtlichen Gründen keine zu lesen, sondern die jeweiligen Identifikationsnummern, die die Geflüchteten in der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen erhalten haben.

„Es ist viel Arbeit, die wir investieren“, erzählt Ellrich, während einer der Mitarbeiter gerade in dem kleinen Kiosk verschwindet, der sich direkt am Eingang der Haupthalle am „Check-In“ verbirgt. Hier findet man unter anderem Babynahrung, Windeln, Zahnpasta, Rasierschaum, Spielsachen, Tierfutter und vieles mehr – eine Art kleiner „Tante Emma-Laden“, nicht aber zur Selbstbedienung. Für die Ausgabe sind die Mitarbeitenden des DRK zuständig.

Babynahrung, Windeln, Tierfutter und vieles mehr können am Kiosk ausgegeben werden.

Piktogramme sollen bei der Verständigung helfen.

Sanitätsdienst, Grund- und Sozialbetreuung

Verwaltung, Organisation, Informationsauskunft, Ausgabe – all das sind unter anderem Punkte, die unter den Aufgabenbereich „Grundbetreuung“ fallen – einem von drei Bereichen, in denen sich die umfangreiche Arbeit zusammenfassen lässt. Die anderen beiden sind die Sanitäts- und Sozialbetreuung.

Zum Sanitätsdienst zählt beispielsweise, so wie es die Bezeichnung schon verrät, die medizinische Versorgung der Geflüchteten. Sei es die Schnittwunde, die ein Pflaster braucht, ein Verband, der gewechselt werden muss, die Tablette gegen Kopfschmerzen, das Insulin für den Diabetiker oder die Notfallbehandlung, falls jemand beispielsweise einen Herzinfarkt erleiden sollte – das Team ist bestens vorbereitet und ausgestattet.

Dafür gibt es extra zwei sogenannte Behandlungs- und Sanitätscontainer, die sich in richtige Behandlungszimmer verwandelt haben, so wie man sie auch aus Arztpraxen kennt, nur eben viel kleiner. „Wir haben alles da, um die Vitalwerte überprüfen zu können, die Ausstattung ist wie in einem Rettungswagen“, erklärt Diehl. Auch Arztsprechstunden werden in der Notunterkunft je nach Uhrzeit und Bedarf angeboten. Die Geflüchteten müssen also nicht zu den umliegenden Hausärzten gefahren werden, was für beide Seiten eine Entlastung sei.

Die Menschen auf dem Weg begleiten

Die Mitarbeiter des DRK sind vor Ort immer Ansprechpersonen für die Geflüchteten, stehen für alle Fragen zur Verfügung und helfen, wo Hilfe gebraucht wird – deshalb lassen sich die Bereiche eben auch nicht strikt voneinander trennen. 24/7 sind die Helfer im Einsatz. „Die Menschen werden von uns permanent betreut“, lächelt Diehl. Niemand wird sich selbst überlassen und schon gar nicht an der Tür abgewiesen.

Mittlerweile hat der Regen aufgehört, immer wieder blitzt die Sonne zwischen den Wolken hervor. Ein kleiner Junge dreht gerade seine Runden mit einem City-Roller, ein Mädchen hat sich die Rollschuhe angezogen und versucht etwas zaghaft sich fortzubewegen. „Draußen ist eigentlich immer was los, selbst wenn es regnet“, erzählt Diehl.

Besonders stolz ist das DRK-Team auf das kürzlich eingerichtete Klassenzimmer. Hierfür hat es unter anderem auch Laptops organisiert.

Etwas mehr Trubel herrscht aber gerade in der sogenannten Empfangshalle vor der Haupthalle – genauer gesagt in der Spielecke. „Die Freizeitgestaltung gehört natürlich auch zu den Aufgaben“, erklärt Diehl. Hier wird das DRK aber vom Jugendamt unterstützt. Auch an diesem Mittwochnachmittag ist eine Sozialarbeiterin vor Ort, spielt und malt mit den Kindern, während ein paar Erwachsene auf den Bierzeltbänken sitzen und das Geschehen aus etwas Entfernung beobachten. Andere wiederum nutzen die Zeit in der Unterkunft, um ihre Wäsche zu waschen. Auch das ist in der Unterkunft möglich.

Es gibt nicht nur insgesamt 30 Wohncontainer, die Platz für bis zu sechs Personen samt Kinderbett und Haustier bieten, oder auch im Falle einer Isolation genutzt werden können, sondern auch Container mit Waschmaschinen, Duschen und Toiletten – alles, was man für den täglichen Bedarf braucht. Und falls etwas fehlt, dann wird es eben besorgt, sofern es möglich ist. „Ein Mitarbeiter ist auch mal losgefahren, um eine Jogginghose zu kaufen, ein anderer hat Kinderschuhe besorgt“, erzählt Herbert Dörr, Leitungskraft der Notunterkunft und Fachkrankenpfleger.

Ein Blick in einen der Wohncontainer. Hier haben auch Haustiere Platz.

„Wir können organisieren“, lächelt Ellrich Kreisgeschäftsführer stolz, seine Kollegen nicken, stimmen ihm zu. „Wir sind unsere eigenen Logistiker“, sagt Diehl. Von Getränken bis Heizöl bestelle das DRK – bis auf das Catering – alles selbst. „Im improvisieren waren wir schon immer Weltmeister“, schiebt Ellrich nach – und das stellen sie jeden Tag aufs neue unter Beweis.

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