Das Thema: OL-Talkrunde mit Jens Mischak, Patrick Krug, Mario Döweling und Lars WickeIst die Groko wirklich die richtige Wahl für den Vogelsberg?
VOGELSBERG. Fast einen Monat sind die Kreistagswahlen her, die Koalitionsgespräche laufen auf Hochtouren. Die Frage über eine mögliche neue Mehrheit ist im Grunde schon beantwortet und läuft auf eine weitere Legislaturperiode der Großen Koalition hinaus. Ist die Groko die richtige Wahl – oder wäre frischer, politischer Wind für den Vogelsberg nicht besser? Darüber wurde bei der OL-Talkrunde „Das Thema“ mit den beteiligten Lokalpolitikern diskutiert.
… zumindest war das der Plan, der eigentlich auch funktionierte. Eigentlich. Liebe Leserinnen und Leser, bei der Talkrunde, wo mit Jens Mischak von der CDU, Patrick Krug von der SPD, Mario Döweling von der FDP und Lars Wicke von den Freien Wählern über die Koalitionsgespräch gesprochen werden sollte, kam es zu einem unerklärlichen, technischen Ausfall in der Aufzeichnung, wodurch knapp 20 Minuten der Talkrunde verloren gegangen sind. Wir bedauern diese Situation sehr und bitten, dies zu entschuldigen.
In all den Talkrunden, die mittlerweile auf OL stattgefunden haben, ist ein derartiger technischer Fehler noch nicht aufgetreten – und um ehrlich zu sein: Noch immer können wir uns nicht erklären, wie das passiert ist und wohin die fehlenden Teile verschwunden sind. Normalerweise werden die Talkrunden in voller Länge und ohne Unterbrechung aufgezeichnet. Es wird also nicht im Vorhinein etwas aufgenommen, was dann am Ende zusammengeschnitten wird. Die unterschiedlichen Kameraperspektiven und Schnitte, die Sie am Ende im Video sehen, sind durch viele unterschiedliche Kameras möglich, die dann über ein großes Regiepult laufen und während dem Gespräch gesteuert werden, so wie man es aus verschiedenen Fernsehsendungen kennt.
Schon während der Aufzeichnung laufen dabei zwei Backup-Programme, die die Aufzeichnung nochmal zusätzlich gleichzeitig abspeichern, damit man bei einem Ausfall darauf zurückgreifen kann. Zur Wahrheit gehört: Selbst in den Backups sind die fehlenden Teile nicht. Damit das in Zukunft nicht nochmal passiert, werden wir künftig noch mit einer weiteren, externen Backup-Lösung arbeiten.
Das Gute ist: Der Großteil der interessanten Diskussion über die Kreispolitik ist auch weiterhin in der Aufnahme vorhanden – und genau diesen Teil möchten wir Ihnen nicht vorenthalten. Um für Sie größtmögliche Transparenz zu schaffen, ist in dem Video klar gekennzeichnet, in welchem Moment die Aufnahme abgebrochen ist – explizit handelt es sich dabei um zwei Momente: Kurz nach Beginn der Aufzeichnung für etwa 14 Minuten und für etwa sechs Minuten vor dem Endteil.
Damit Sie den Ausführungen der Talkgäste dennoch folgen können, haben wir uns dazu entschieden, im Video – und auch folgend hier im Text – kurz und knapp zusammenzufassen, worum es in diesen Momenten ging und hoffen, dass Sie der Diskussion dadurch dennoch folgen können.
Worum geht es in den fehlenden zwei Teilen?
Teil 1: Torschlusspanik bei der SPD und Druck von der CDU?
Kurz nach dem Start der Talkrunde lag der Fokus zunächst auf den Ausführungen der FDP und der SPD. Zunächst hatte Mario Döweling von der FDP die Sozialdemokraten kritisiert und zeigte sich überrascht darüber, wie schnell sich die SPD dann doch für intensive Groko-Gespräche offen gezeigt habe, ehe man überhaupt mit den anderen möglichen Beteiligten gesprochen habe. Schon in einem Artikel auf OL hatte Döweling sich darüber überrascht gezeigt. Die Moderatorin fragte Krug daraufhin, ob die SPD Torschlusspanik hatte und sich deshalb so schnell entschieden hatte, was Krug verneinte – das liebe Leserinnen und Leser, können Sie in der Aufnahme selbst noch mitverfolgen.
Auch können Sie hier noch sehen, wie Krug ausführte, einige Gespräche geführt zu haben, allerdings nicht mit der FDP, da die Partei selbst zunächst erst einmal mit der CDU sprach und deren Reaktion abwarten wollte. Döweling begründete das mit politischem Respekt gegenüber der stärksten Kraft – warf Krug allerdings vor, dass er selbst nie bei ihm angerufen, es aber sehr wohl bereits ein Gespräch mit SPD-Landrat Manfred Görig gegeben habe. Kurz darauf bricht die Aufnahme ab.
Die Diskussion um dieses Thema ging danach weiter. Auf den Vorwurf an die FDP, sie habe dadurch den Eindruck erweckt, dass sie kein Gespräch mit der SPD hätte haben wollen, entgegnete Döweling, dies sei so nicht gewesen. Man habe sehr wohl mit der SPD sprechen wollen, die Gespräch mit CDU allerdings vorab führen wollte – mit der Begründung, dass man mit den Christdemokraten politisch mehr Übereinstimmungen habe.
Es folgte ein Gespräch darüber, ob die Gesprächsangebote der CDU und auch der SPD gegenüber den kleineren Parteien wirklich ernst gemeint waren und von den kleineren Parteien auch als solche wahrgenommen wurden. Lars Wicke sprach von Gesprächen auf Augenhöhe, Döweling zeigte sich da skeptischer – besonders was die Gesprächsangebote der SPD anbelangte. Er betonte nochmals, dass ihn die Schnelligkeit der SPD-Entscheidung hin zur Groko überrascht habe.
Auch Wicke hat das Gefühl gehabt, dass ein Gewisser Druck in der Koalitionsentscheidung gemacht wurde. Auf die Frage, wer den Druck gemacht habe, sagte Wicke, dass der von der CDU ausging. Obwohl CDU und SPD die meisten Plätze verloren haben und der „eigentliche Verlierer“ der Wahl seien, hätten sie sich nochmals für Groko-Gespräche entschieden, erklärte Wicke. Damit hätten sie einen bequemen Weg gewählt. Auch das hatte Wicke bereits vorher auf Anfrage von OL mitgeteilt. Die Ausführungen können Sie hier nochmal lesen.
Wicke erklärte dabei allerdings auch, dass die Groko-Entscheidung für ihn nachvollziehbar sei, da es mit einem bürgerlichen Bündnis zwischen CDU, FW und FDP oder aber einer Vierer-Konstellation zwischen SPD, FDP, FW und Grüne ein „steiniger Weg“ geworden wäre. Besonders bei Verwaltungsfragen wäre es schwerfällig geworden gemeinsam, mit dem SPD-Landrat und vier unterschiedlichen Parteien Entscheidungen zu treffen, das sei in der Krise sichtbar geworden. Nicht immer würden Entscheidungen so schnell und unkompliziert gefällt, wie es bei dem Neubau des Kreiskrankenhauses war. Später – und das können Sie im Video sehen, wenn die Aufnahme wieder startet – wird auch Jens Mischak für die CDU auf diesen Punkt noch einmal eingehen.
Vorher erläuterte er, warum man sich dafür entschieden habe, zunächst Gespräche mit allen Parteien zu suchen und versicherte, dass alle Gespräche ernst gemeint gewesen seien. Es habe nicht schon im Vorfeld festgestanden, dass man sich wieder für Gespräche zur Großen Koalition entscheide. Dennoch habe man die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der SPD in den vergangenen Jahren im Hinterkopf gehabt und mit Blick auf die Corona-Krise und deren Auswirkungen, die den Kreis noch eine unbestimmte Zeit beschäftigen würden, sich für eine bekannte Zusammenarbeit entschieden. Weiter unten in diesem Artikel finden Sie auch noch einen Text, wo Mischak seine Darstellung nochmal expliziter ausführt.
Insgesamt sei es ihm in den Gesprächen nicht nur darum gegangen, herauszufinden, mit welcher Partei man als CDU die meisten Gemeinsamkeiten habe, sondern auch die Unterschiede im Blick gehabt. Die habe die CDU bei den Grünen am deutlichsten bemerkt – besonders in Infrastruktur-Fragen. Im Talk selbst wird der Kreisvorsitzende darauf nochmal genauer eingehen, was Sie sich wieder anschauen können.
Dass von der CDU Druck oder aber Tempo bei der Koalitions-Entscheidung ausgegangen sei, habe Mischak nicht so empfunden. Richtungsweisende Gespräche und auch deren Bekanntgabe zwei Wochen nach der Wahl seien für ihn vertretbar. Kurz darauf setzt die Aufnahme wieder ein.
Teil 2: Was der Landrat mit den Koalitionsgesprächen zu tun hat
An noch einer weiteren Stelle im Talk bricht die Aufnahme ab – und zwar nach dem längeren Mittelteil, einige Minuten vor dem Ende. An dieser Stelle fehlen knapp sechs spannende Minuten. Kurz vorher ging es darum, dass Lars Wicke erzählte, die CDU habe sich in den Gesprächen sehr fordernd gezeigt – insbesondere, was die Personalfragen und die Besetzung bestimmter Gremien anbelangt. All das können Sie im Video noch mitverfolgen – und auch noch die Frage der Moderatorin, ob die SPD sehr großzügig ist und der CDU viel zusprechen wird. Nachdem Krug zu seiner Antwort ansetzt und sagt, dass er ein großzügiger Mensch sei, bricht wieder die Aufnahme ab. Krug erklärte daraufhin sinnbildlich, dass es bei den Gesprächen nicht darum gehe, wer „Koch oder Kellner“ sei.
Es folgte die Frage, was die SPD bereit ist aufzugeben, um in der „Regierung“ zu bleiben und ob sie bereit wäre, den Posten des Landrats frühzeitig an die CDU abzutreten und bei einer neuen Wahl keinen Landratskandidaten zu stellen. Zur Erklärung: Der Landrat wird direkt gewählt, die SPD kann den Posten also nicht ohne Wahl von einer anderen Partei besetzen lassen. Möglich wäre allerdings ein Szenario, dass der Landrat sein Amt freiwillig und frühzeitig niederlegt, wodurch es zu Neuwahlen kommen würde. Ein solches Szenario könnte durchaus in solchen Koalitionsgesprächen besprochen werden.
Krug verneinte: Man werde den Landratsposten nicht vorher „abgeben“. Er erklärte, dass die CDU solche Forderungen nicht stellen würde und dies nicht Teil der Koalitionsgespräche sei. Die Amtszeit von Landrat Görig laufe noch bis 2024. Görig werde das Amt bis dahin weiter bekleiden. Dass er danach nicht nochmal als Landrat kandidieren wolle, sei kein Geheimnis. Zur Wahl in 2024 wolle die SPD dann einen anderen Kandidaten stellen.
Die Frage wurde in ähnlicher Form im Verlauf an Jens Mischak weitergegeben. Sie lautete, ob die Vogelsberger im kommenden Jahr mit einem vermeintlich freiwilligen Rücktritt von Görig rechnen müssten. Er verneinte und erklärte ebenfalls, dass die CDU solche Forderungen nicht stelle und das nicht Teil der Koalitionsgespräche sei. Ob die SPD in drei Jahren einen Kandidaten stellen wird, sei der Partei überlassen – seitens der CDU werde man auch hier keine Vorgaben machen – auch nicht schon jetzt in den Koalitionsgesprächen.
In den derzeitigen Gesprächen gehe es um Inhalte und nicht Personenfragen. Man wolle nicht schon jetzt mit Wahlkampf starten. Auch die CDU wolle zur Landratswahl in 2024 einen Kandidaten stellen. Ob Mischak das selbst sein wird, wurde weder dementiert, noch bestätigt – allerdings betonte der Vizelandrat später (das können Sie im Video wieder sehen), dass ihm sein Job große Freude mache. Mit der Frage von Lars Wicke an die Moderatorin, ob die Landrats-Frage wirklich ernst gemeint ist, setzt die Talkrunde wieder ein.
„Was fehlt, sind weitblickende Kommunalpolitiker und… (Trommelwirbel!)… Richtig: Die Fördermittel bzw. die Anstrengungen auf der Grundlage einer ‚Gemeinschaftsaufgabe‘, die aber leider nach dreijähriger Kommissionsarbeit vom Bund gerade in die Tonne gekloppt wurde.“
Und das wiederum bedeutet das Angewiesensein auf die ineffektiven Förderstrukturen der letzten Jahre, die finanzschwächere Kommunen benachteiligen bzw. innovative Anstrengungen oftmals blockieren (https://www.asg-goe.de/pdf/LR0320-Literatur-Zander.pdf). Das wurde gerade erst wieder an einem Beitrag der Gießener-/Alsfelder Allgemeinen unter dem Titel „Tourismus als Chance für die Region“ deutlich. Nachzulesen hier:
https://www.giessener-allgemeine.de/vogelsbergkreis/tourismus-als-chance-fuer-die-region-90456751.html
Lustig. Kaum fiel der Satz, dass Sozialdemokraten ein „großes Herz“ hätten (allerdings ging es zuvor um den Punkt einer gewissen Nachgiebigkeit im Personalpoker), schlug die Aufzeichnung der Gesprächsrunde zum zweiten Mal fehl. Nun ja. Angesichts eines Stimmenverlusts von sieben Prozentpunkten gegenüber den Kreistagswahlen von 2016 lag da wohl eine gewisse Geschmeidigkeit gegenüber dem weit weniger gerupften GroKo-Partner CDU nahe. Großer Verlierer = Großzügigkeit. Großzügig war Kreisvorsitzender Krug dann allerdings bei seinen Erklärungsversuchen. Wie üblich: Im Kreis nichts falsch gemacht, Schuld waren die bundesweite Stimmungslage. Und Corona. Zitat: „Die Wahlen im Vogelsberg finden nicht isoliert statt. Die Stimmungslage auf Bundesebene hat hier bestimmt eine Rolle gespielt – und vom Negativtrend aus Berlin konnten wir uns nicht lösen.“ Außerdem sei es unter diesen besonderen Herausforderungen in Zeiten von Corona nicht ganz gelungen, mit der Lage umzugehen, „das muss man selbstkritisch sagen“ (Quelle: https://osthessen-news.de/n11644355/der-neue-vogelsberger-kreistag-steht-spd-stuerzt-ab-afd-legt-drei-prozent-zu.html). Da werden viele Vogelsberger Wähler vielleicht anderer Meinung sein.
Aber was soll’s. Solche Pannen erlebt man fast täglich auch bei den Profis der großen TV-Sender oder im Hörfunk. Da kommt eine vorgesehene Schalte oder Aufzeichnung bei Aufruf nicht zustande, stottert das Telefoninterview usw. Was nicht zu sehen war, kann man ja immerhin hier nachlesen.
Eine gewisse Logik hat das Bemühen um eine Neuauflage der GroKo natürlich schon. Denn es wäre kaum zu vermitteln, dass man die letzten vier Jahre der Legislatur vor der Wahl als „gute Jahre für den Vogelsberg“ darstellt und ankündigt, „dafür sorgen [zu wollen], dass das so bleib[t]e“, dann aber dem roten Koalitionspartner die nämliche Karte zeigt. Nun ja, die Grünen wurden seinerzeit von den Sozen nicht so gut behandelt. Schwalm drüber.
Natürlich geht es wie immer bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen ausschließlich um Sach- und nicht um Personalfragen. Es sind ja alle gut versorgt. Und wenn der rote Landrat vor Capri in der (Zusatz-)Rente versinkt, ist Mischak noch jung genug für eine Landratskarriere nach dem Vorbild von Helmüt und Mutti. Da bleibt genug Zeit, um das heimische Vulkanistan „zu einem Modellkreis für ein Leben im ländlichen Raum“ auszubauen und hierbei das Positive herauszustellen. Das Motto lautet „Hauptsache gesund!“ Und so dürfen sich die Kranken und Hochbetagten auf Verbesserungen der haus- und fachärztlichen Versorgung, ein stationäres Hospitz und ein neues Kreiskrankenhaus in Alsfeld freuen, womit die finanziellen Ressourcen auch weitgehend erschöpft sein dürften. Das Wirtschaftsprogramm für die nächsten Jahre besteht daher lediglich in einer Frage: „Wie können wir trotz einer guten Arbeitslosenquote unseren Kreis wirtschaftlich weiter stärken und erfolgreicher machen?“ Aber gibt es auch konkrete Antworten? Sieht man mal von der Tatsache ab, dass sich die niedrige Arbeitslosenquote der Tatsache verdankt, dass die benachbarten Landkreise bei der wirtschaftlichen Stärkung so erfolgreich waren, dass fast die Hälfte der erwerbstätigen Vogelsberger zur Arbeit in diese auspendeln können, so überraschen die eher blutleeren Ankündigungen. Was bitte heißt es denn, dass die „Zentralität des Vogelsberges“ ein wichtiger Aspekt sei? Der Vogelsbergkreis wächst nur an den Rändern, entlang der Hauptverkehrsadern. Ansonsten besteht die „Zentralität“ in dem topografischen Nachteil, dass sich aufgrund des von einem bewaldeten Hochplateau nach allen Seiten abfallenden Kreisgebiets weder zentrale Verkehrswege noch mittelzentrumstaugliche Siedlungen ergeben haben. Große Teile des Vogelsbergs sind strukturschwach und abgelegen. Das taugt gerade noch für Windkraftanlagen im Wald und Tourismus, was sich aber leider gegenseitig ausbremst. So setzt man in dem Bestreben, „insgesamt den Vogelsberg zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort [zu] machen“ auf Selbstläufer: Die „attraktiven Gebiete für die Ausweisung neuer Gewerbegebiete […] stärker zu bewerben“ oder „den Breitbandausbau voran [zu] treibe[n]“, was längst beschlossen und auf dem Wege ist. Der Tourismus läuft da nur noch bei den Aufzählungszeichen mit. Kein Wort über aktuelle Tourismustrends oder den Niedergang der gesamten Branche unter Lockdown-Bedingungen. Fehlanzeige auch bei aktuellen Strategien zur Regionalentwicklung. Und das angesichts der Tatsache, dass die Gemeinschaftsaufgaben „Daseinsvorsorge“ und „gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land“ in Berlin nach dreijähriger Arbeit einer hochrangig besetzten Expertenkommission gerade erst beerdigt worden sind (siehe https://www.asg-goe.de/pdf/LR0320.pdf). An dieser Stelle darf nicht verschwiegen werden, dass die Frage: „Lassen sich gleichwertige Lebensverhältnisse durch eine bessere staatliche Ausgleichspolitik erreichen oder muss nicht stattdessen viel stärker auf die Entwicklung der endogenen Entwicklungspotentiale der Regionen gesetzt werden?“ nicht eindeutig zugunsten der erstgenannten entschieden werden kann. Aber über das Zusammenspiel von staatlicher Infrastrukturpolitik und Daseinsvorsorge sowie die Förderung von Partizipation, Autonomie und bürgerschaftlichem Engagement in den einzelnen Regionen müsste dringend eine strukturpolitische Diskussion geführt werden. Stattdessen arbeitet man sich an den Ladenhütern früherer Legislaturen ab, die nicht unbedingt zu Vorzeigeprojekten und Leuchttürmen, sondern vor allem zu vielen weißen Flecken „in der Fläche“ geführt haben, die man in Lauterbach nur äußerst widerwillig einräumt. So kommen die Impulse für demokratisch gewählte Seniorenbeiräte, die Einrichtung von Tagespflegeplätzen, von Demenzcafés zur Unterstützung pflegender Angehöriger oder die Verbesserung der Fahrdienste für Senioren vornehmlich aus den CDU-Ortsverbänden oder von neu gegründeten Bürger-Listen wie den „Mücker Bürgern“. Die Infrastrukturpolitik der Lauterbacher GroKo, so ist zu befürchten, wird wieder in den alten Trott zurück fallen, sich von einem inkohärenten Förderprogramm aus EU-, Bundes- und Landesmitteln zum nächsten durchzuhungern. Der gewohnte Flickenteppich der weißen Flecken lässt grüßen.
Sie scheinen viel Zeit zu haben. Bevor Sie weiter große Reden schwingen und in die Tasten hauen sollten Sie sich lieber aktiv einbringen. Machen nicht meckern!
Was bringen denn Sie zustande, Augenöffner? Ich meine, außer willkürlichen Unterstellungen und überflüssigen Ratschlägen? Schauen Sie mal auf die Uhrzeit des Beitrags. Da ist einer um 23:52 Uhr noch aktiv, während Sie um 20:51 Uhr gerade erst die Augen öffnen. Dass die Gedanken zu aktuellen Strategien der Regionalentwicklung als Grundlage für notwendige Aktivitäten Sie geistig überanstrengen, ist mir schon klar. „Machen nicht meckern“ fordert dagegen zu hirnloser Betriebsamkeit auf. Reine Phrasendrescherei! Denn erst kommen mal die Überlegungen und Planungen, und danach wird dann gehandelt. Eines schließt das andere nicht aus, bzw. ist das eine ohne das andere gar nicht möglich. Sie dagegen krempeln sich erst großartig die Ärmel auf, und dann geben Sie ein paar dürftige „Ratschläge“.
„Aber über das Zusammenspiel von staatlicher Infrastrukturpolitik und Daseinsvorsorge sowie die Förderung von Partizipation, Autonomie und bürgerschaftlichem Engagement in den einzelnen Regionen müsste dringend eine strukturpolitische Diskussion geführt werden. Stattdessen arbeitet man sich an den Ladenhütern früherer Legislaturen ab…“
Sie benennen das zentrale Problem. Die Spitzen der Kreispolitik wie auch die Mehrzahl der kommunalen Volksvertreter in allen Parteien befinden sich nicht auf der Höhe des Diskurses zum Thema Regionalentwicklung. So kommt man mit den alten Rezepten daher bzw. glaubt, dass es ausreiche, den neuen Stadt-Land-Flucht-Trend auszunutzen. Doch neue Baugebiete an den Rändern der Städte und Dörfer fördern die Zersiedlung der Landschaft, kosten landwirtschaftliche Ressourcen und verwandeln diese in Schlafstädte. Der Zuzug von Altersresidenten, die von den Wuchermieten der urbanen Regionen aufs Land getrieben werden oder die das Preisgefälle auf dem Immobilienmarkt zu Fans des Landlebens macht, erhöht die Zahl der einsamen Alleinstehenden und perspektivisch der Pflegebedürftigen, Krankenhauspatienten und Pflegeheimbewohner. „KoDörfer“ und ähnliche Ideen, die von vornherein funktionierende Quartierskonzepte für eine altersgemischte Bevölkerung installieren und einen Modernisierungsschub für die Standorte solcher Siedlungen bedeuten, sind dagegen kaum im Gespräch. Vor Jahren wurde der gesamte Vogelsberg mit einem Netz von Wochenendhaus-Siedlungen und Feriendörfern überzogen. Warum funktioniert das (noch) nicht im Fall der „Urbanen Dörfer“? Die Konzepte sind entwickelt (siehe https://neuland21.de/wp-content/uploads/2019/08/BI_UrbaneDoerfer_Online.pdf). Was fehlt, sind weitblickende Kommunalpolitiker und… (Trommelwirbel!)… Richtig: Die Fördermittel bzw. die Anstrengungen auf der Grundlage einer „Gemeinschaftsaufgabe“, die aber leider nach dreijähriger Kommissionsarbeit vom Bund gerade in die Tonne gekloppt wurde.
„Was fehlt, sind weitblickende Kommunalpolitiker und… (Trommelwirbel!)… Richtig: Die Fördermittel bzw. die Anstrengungen auf der Grundlage einer ‚Gemeinschaftsaufgabe‘, die aber leider nach dreijähriger Kommissionsarbeit vom Bund gerade in die Tonne gekloppt wurde.“
Und das wiederum bedeutet das Angewiesensein auf die ineffektiven Förderstrukturen der letzten Jahre, die finanzschwächere Kommunen benachteiligen bzw. innovative Anstrengungen oftmals blockieren (https://www.asg-goe.de/pdf/LR0320-Literatur-Zander.pdf). Das wurde gerade erst wieder an einem Beitrag der Gießener-/Alsfelder Allgemeinen unter dem Titel „Tourismus als Chance für die Region“ deutlich. Nachzulesen hier:
https://www.giessener-allgemeine.de/vogelsbergkreis/tourismus-als-chance-fuer-die-region-90456751.html
Aber dafür haben die für die Gemeinschaftsaufgaben-Kommission federführenden Ministerien eigene „Schlussfolgerungen“ aus der Kommissionsarbeit gezogen (siehe https://www.bmfsfj.de/resource/blob/137240/e94cf2ffab8768fd37a1e632db3ee51e/schlussfolgerungen-kommission-gleichwertige-lebensverhaeltnisse-langversion-data.pdf), die bei den düpierten Experten der sechs an der Gemeinschaftsaufgaben-Kommission beteiligten Arbeitsgruppen allerdings nicht gut weg kamen. Zitat Juliane Rumpf (Agrarsozialen Gesellschaft e.V):
„Wir, die Bewohner*innen des ländlichen Raums, können uns dort an vielen Stellen wiederfinden und sagen ja, das stimmt, das trifft zu und ja, das ist eine gute Idee, das sollten wir so machen. Aber wer denn und wann und mit welchen Mitteln?
Diese Fragen bleiben unbeantwortet und so richten wir unsere Wünsche für diese und bitte auch für die kommende Legislaturperiode an die politisch Verantwortlichen, ausgehend von den in dem Papier definierten Zielen konkrete Maßnahmen zu beschreiben, Förderprogramme anzupassen, Zeiträume für die Umsetzung festzulegen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen. Und dazu bitte ein ehrliches Politikcontrolling! Wir möchten keine Jahres-, Halbzeit- oder sonstigen Bilanzen mehr, in denen uns berichtet wird, was alles prima geklappt hat und richtig gemacht wurde. Wir möchten künftig – wie im richtigen Wirtschafts- und Arbeitsleben – eine an Zahlen und Indikatoren gemessene Zielerreichungsbilanz und, falls erforderlich, Korrektur des eingeschlagenen Weges zur Zielerreichung.“
Dem ist wohl nichts hinzu zu fügen! Doch mir schwant, dass der ländliche Raum weiterhin mit den im Zitat beschriebenen Luftnummern abgespeist wird.