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Vortrag von Dr. Gottfried Schüz zur Ethik Albert Schweitzers an der Albert-Schweitzer-Schule AlsfeldVerantwortung für das Leben und die Zukunft übernehmen

ALSFELD (ol). Im Rahmen des Albert-Schweitzer-Jahres widmete sich die Albert-Schweitzer-Schule Alsfeld der Frage nach der Aktualität von Schweitzers Ethik. Dr. Gottfried Schüz, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum, stellte in einem Vortrag das Wirken des Friedensnobelpreisträgers dar und zeigte Parallelen zu heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen auf. Schweitzers Leitmotiv „Ehrfurcht vor dem Leben“ fordere bis heute Verantwortung, kritisches Denken und nachhaltiges Handeln ein – auch in Fragen von Klima, Menschenrechten und Frieden.

150 Jahre Albert Schweitzer (geboren am 14. Januar 1875) – das ist für das Alsfelder Gymnasium, das den Namen des Arztes, Theologen und Musikers trägt, Grund genug, genauer hinzuschauen. Denn neben dem Lebenswerk des gebürtigen Elsässers, dem immer noch bestehenden Spital von Lambarene (Gabun), hat der Friedensnobelpreisträger auch seine Ethik und Vorstellungen von Menschlichkeit hinterlassen, so heißt es in der Pressemitteilung des Alsfelder Gymnasiums.

Doch wie aktuell sind die Moralvorstellungen Albert Schweitzers heute noch? Diese Frage stellte Schulleiter Christian Bolduan vor wenigen Tagen Dr. Gottfried Schüz, dem Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum (Offenbach). Schüz war eigens für einen Vortrag an die Albert-Schweitzer-Schule gekommen, wo ihm Lehrkräfte, Mitglieder des Fördervereins der Schule und Interessierte aus Nah und Fern lauschten. In seiner Begrüßung unterstrich Bolduan die Bedeutung der Schweitzer‘schen Ethik für das Schulleben auch im Jahr 2025: Spendenaktionen für verschiedene soziale Zwecke und die Zertifizierung als „Schule mit Courage – Schule ohne Rassismus“ nannte er dafür beispielhaft: „Wir sind den Werten und der Ethik Albert Schweitzers verpflichtet.“

Fest stehe: Zu seinen Lebzeiten war Albert Schweitzer bekannt und seine Themen waren in aller Munde. „Er hat ein unfassbar großes Erbe hinterlassen“, so Gottfried Schüz einführend und skizzierte die Bereiche Theologie, Philosophie, Kulturphilosophie, Ethik und Musik. Zu Beginn des Vortrags ging Schütz auf die Kindheit und Jugend Albert Schweitzers ein. Er galt als verschlossener Junge, fast trotzig, auf jeden Fall unangepasst von klein auf. Frühe Erfahrungen begründeten seine Liebe zur Natur, sein Mitgefühl gegenüber den Kreaturen – auch den Tieren und Pflanzen und die daraus entstandene Maxime: „Wir sollen nicht quälen oder töten“. Auch spirituelle Erfahrungen haben Albert Schweitzer geprägt, der zu dem Schluss kam, dass man die „Menschenfurcht“ ablegen müsse. Das bedeutete, dass man nicht anderen Menschen, sondern nur dem eigenen Gewissen verpflichtet ist. Als Theologe befasste er sich intensiv mit dem Leben Jesu von Nazareth. Schließlich erwuchs auch aus seinem Glauben die Frage danach, was er Sinnvolles tun könne. Für ihn war die logische Folge, seinen Glauben in Handeln zu überführen und seine Fähigkeiten den Menschen zugutekommen zu lassen – einer der Antriebsmotoren für das Engagement für die Menschen in Lambarene. Konkret war sein Plan, die ersten dreißig Lebensjahre der Kunst – er war ja auch ein großer Musiker und Bachkenner – und der Wissenschaft zu widmen und danach seine Kräfte in den Dienst der Menschen zu stellen. Seine spätere Frau Helene wusste davon und unterstützte dieses. 1913 reisten beide nach Lambarene und errichteten gemeinsam mit den Menschen vor Ort ihr Krankenhaus.

Obwohl Lambarene seitdem sein fester Ort war, kehrte Schweitzer zu vielen Anlässen nach Europa zurück. Er war ein engagierter Netzwerker, der seine Bekanntheit nutzte, um für seine Idee von der „Ehrfurcht vor dem Leben“ zu werben. Daraus resultierte auch Schweitzers Einsatz gegen Atomkraft und für Tierschutz. War Albert Schweitzer nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs – für ihn auch eine Folge einer dekultivierten Gesellschaft – auf der Suche nach einer neuen Ethik, die nationale und weltanschauliche Gegensätze überbrücken könne, so nahm er doch auch den bereits wieder aufkeimenden Nationalismus wahr. Er beklagte mangelndes eigenständiges Denken unter dem Zustand von Überlastung der arbeitenden Menschen und Berieselung durch Medien. Parallelen zur heutigen Zeit drängen sich da geradezu auf.

Aus Schweitzers Gedanken und konkreten Erlebnissen in Afrika erwuchs nicht nur seine Idee von der „Ehrfurcht vor dem Leben“ sondern auch die Begründung dieser Ethik für alle Menschen: „Ich bin Leben, das leben will inmitten von Leben, das leben will“. „Ein Satz für jedes Kleinkind“, meinte dazu der Referent. Ein Satz, der jedem Leben das gleiche Recht zuspricht und der Schweitzers Grundprinzip markiert. Gleichzeitig stellte Schweitzer dieses Recht auch in Relation: Anderes Leben dürfe unter der Prämisse der Notwendigkeit geschädigt werden. Als Beispiele dafür nannte Schüz Landbau und den Verzehr von Tieren. Albert Schweitzer war kein Vegetarier. Diese relativierenden Entscheidungen müssten jedoch immer neu getroffen werden – auf generelle Wertabschätzungen sei zu verzichten. Im Gegensatz zu immer wieder geäußerter Kritik an Schweitzers eventuellem missionarisch oder kolonialistischem Auftreten habe Schweitzer sein Wirken als Wiedergutmachung des Kolonialismus verstanden: „Er wollte heilen und helfen“, so Schüz in seinem Vortrag.

Aus Schweitzers Haltung, so der Referent abschließend, resultiere eine Verantwortung vor dem Leben und der Schöpfung. Menschen müssten immer bedenken, welche Auswirkungen ihr Handeln habe, sei es in Bezug auf Klima, Menschenrechte oder Tierschutz. Diese Ethik sei zutiefst radikal und emanzipatorisch. Sie gelte auch für die heutige Jugend noch: „Du bist verantwortlich für das, was du tust!“ Albert Schweitzer hätte „Fridays for Future“ gut gefunden, meinte Schüz. Mit Blick auf die militärischen Auseinandersetzungen der Zeit skizzierte der Schweitzer-Kenner auch dessen Haltung zur Bewaffnung: Krieg ist aus ethischen Gründen zu verwerfen. Verteidigung jedoch müsse – solange es keinen Frieden in der Welt gebe – möglich sein. Dies gehe aus Schweitzers Rede „Das Problem des Friedens in der heutigen Welt“ hervor, die er anlässlich der Verleihung des Nobelpreise 1954 gehalten hatte.

Schweitzers Botschaft trage in die heutige Zeit, so das Fazit: Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen, die Zukunft im Blick haben, eine kritische Öffentlichkeit sein und im Rahmen einer Massenbewegung die humanitäre Gesinnung fördern. Es bleibt also einiges zu tun. Auch im Albert-Schweitzer-Jahr.

Foto: Traudi Schlitt

Infos zum Albert-Schweitzer-Jahr an der Albert-Schweitzer-Schule

Bis zum 25. September kann noch eine Ausstellung zu Leben und Werk Albert Schweitzers in der Aula des Gymnasiums in der Schillerstraße besucht werden. Sie ist von 8 bis 15 Uhr zugänglich. Weitere Veranstaltungen der Schule im Albert-Schweitzer-Jahr sind ein Benefizkonzert „Hommage an Albert Schweitzer“ am Freitag, den 24. Oktober, um 19 Uhr in der Dreifaltigkeitskirche, ein Vortrag über das Spital in Lambarene von Dr. Roland Wolf am Donnerstag, den 13. November, um 19.30 in der Schule in der Schillerstraße sowie am Montag, den 15. Dezember, um 19.30 ein Vortrag des stellvertretenden Schulleiters Thomas Weidemann zur Geschichte der Namensgebung der Schule ebenfalls in der Schillerstraße.

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