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Walter Bernbeck im Gepräch über seine Zeit als erster VorsitzenderFast 900 Tafel-Kunden: „Das hatten wir noch nie“

ALSFELD (akr). Walter Bernbeck ist seit mittlerweile eineinhalb Jahren Vorsitzender der Alsfelder Tafel. Mitten in der Corona-Krise übernahm er den Führungsposten, ohne zu wissen, dass schon bald die nächste Krise folgen sollte. Ein Gespräch über einen Ausnahmezustand, große Unterstützungsbereitschaft und die Ursachen der Armut.

Es ist Dienstagmittag in der Alsfelder Tafel. Die Lebensmittelausgabe ist in vollem Gange. Während einige Kunden im Wartezimmer sitzen, haben andere ihre Tüten bereits gefüllt bekommen. Mittendrin huscht Walter Bernbeck durch die Räumlichkeit. Der Pfarrer im Ruhestand ist seit August 2021 der erste Vorsitzende der Alsfelder Tafel. Den Post zu übernehmen, hatte er eigentlich nicht geplant. „Ich bin eine Notlösung. Ich habe eigentlich gedacht, dass ich einen Beisitzerposten erbe“, lacht der 67-Jährige aus Billertshausen.

Nun, daraus wurde nichts. Er erklärte sich nämlich bereit – nachdem er „weichgeklopft“ war, wie er mit einem Schmunzeln im Gesicht erzählt. Bernbeck bereut seine Entscheidung aber keineswegs. „Es ist eine riesige Aufgabe und sehr schöne Erfahrung, aber auch viel Verantwortung“, fasst der Vorsitzende zusammen, der übrigens schon seit Gründung der Alsfelder Tafel Mitglied im Verein ist.

Sich im Ruhestand einfach auszuruhen, das kam für den 67-Jährigen nicht in Frage. „Ich genieße meinen Ruhestand, das ist nicht die Frage, aber dass er auch eine gewisse Menge Aktivität verträgt, ist schon gut“, lächelt er.

Walter Bernbeck liegt die Umwelt sehr am Herzen. Deshalb ist er auch viel mit dem Fahrrad oder der Bahn unterwegs, nur wenn nötig, nimmt er das Auto. „Fahrrad und Bahn ist eine gute Kombination“, sagt er.  Auch mit dem Flugzeug verreisen, kommt für den Billertshäuser nicht in Frage – auch wenn er nicht ausschließen kann, dass er vielleicht mal anders darüber denkt . Doch für ihn steht fest: „Ich habe meinen Co2-Fußabdruck im Leben längst verbraucht – schon als Kind.“  Bernbeck lebte nämlich unter anderem fünf Jahre in Kabul, weil sein Vater dort als Lehrer arbeitete. Foto: Archiv/Traudi Schlitt

Bernbeck übernahm den Posten in einer Zeit, die dank der Pandemie alles andere als einfach war, denn auch bei der Tafel blieben Konflikte nicht aus. „Wir haben schon heftig diskutiert, wenn sich jemand von den Mitarbeitern nicht testen wollte. Andere wollten dann nicht mehr kommen. Also musste man harte Entscheidungen treffen“, erinnert er sich zurück.

Die Krisenzeit hat seiner Meinung nach aber auch positive Spuren hinterlassen. „Mit der Not ist die Unterstützung in der Öffentlichkeit gewachsen. Das ist die viel positivere Geschichte“, lächelt 67-Jährige und meint damit gezielt die Hilfsbereitschaft, die seit dem Ukraine-Krieg – die nächste Krise, die auf Corona folgte – in der Bevölkerung stärker geworden ist. So hätten beispielsweise viele Menschen ihre 300-Euro-Energiepauschale an die Alsfelder Tafel gespendet.

So viele Bedürftige wie noch nie

Doch trotz der großen Welle an finanziellen Spenden steht die Tafel seit einiger Zeit vor einer großen Herausforderung: Es gibt zu wenig Lebensmittel für zu viele Bedürftige. Schon im Oktober musste die Tafel deshalb eine Warteliste einführen. „Es ist grausam, aber wir können momentan nicht anders“, sagte Bernbeck damals im Gespräch mit OL.

Und die Situation hat sich weiter verschärft, denn mittlerweile sind aus den 600 Tafelkunden, die es im Oktober noch waren, fast 900 geworden. „Das hatten wir noch nie“, sagt der Vorsitzende, während eine Mitarbeiterin ihm nickend zustimmt. „Wenn wir noch mehr werden, dann können wir nicht mehr, das ist ganz klar“, bringt er es auf den Punkt. Bei der Lauterbacher und Schottener Tafel sehe das übrigens anders aus – sie hätten beide jeweils rund 300 Kunden.

Alsfelder Tafel: Zu wenig Lebensmittel für zu viele Bedürftige

Durch die Inflation und Energiekrise gibt es nämlich immer mehr Bedürftige. „Auch durch die Wohngeldreform hat sich der Empfängerkreis vergrößert, auch wenn es jetzt gerade erst los geht“, erklärt Bernbeck. Etwa 100 Kunden würden zudem aus der Ukraine stammen. „Es sind auch viele Menschen dabei, die 2015 beispielsweise aus Syrien geflüchtet sind. Sie haben Arbeit und verdienen Geld, fallen jetzt aber wieder unter die Bedarfsgrenze. Sie hatten gerade genügend Geld, dass es ausreicht, doch durch die Inflation sieht das jetzt wieder anders aus.“

Und weil es nicht genügend Lebensmittel für die vielen Bedürftigen gibt, kauft die Tafel derzeit in kleinen Mengen Lebensmittel ein – auch wenn es gegen alle Grundsätze der Tafel ist, wie Bernbeck betont. Damit ist die Alsfelder Tafel aber nicht allein. „Das machen derzeit ganz viele“, erzählt der Pfarrer im Ruhestand.

Die richtige Lösung ist das für ihn aber nicht, die grundsätzlichen Fehler würden ganz wo anders liegen. „Die Regierungen müssen eine vernünftige Sozialpolitik machen und die Menschen mit dem nötigen Geld ausstatten, damit die davon leben können“, betont der Tafel-Vorsitzende, der sich auch für mehr sozialen Wohnungsbau ausspricht. Das seien eigentlich die Wurzeln des Übels. „Die Menschen müssen in die Lage versetzt werden, wirklich für sich selbst sorgen zu können.“

Ein Gedanke zu “Fast 900 Tafel-Kunden: „Das hatten wir noch nie“

  1. Das es eine Tafel geben muss ist für mich eine verbrechen !
    Panzer und Munition für die Ukraine und die Menschen im eigenem zu Bettlern machen so ist die viel gelobte Freiheit in Deutschland .Die Herren in Berlin Leben in saus und braus fliegen um die Welt und verteilen Geld ich kann die Reden nicht mehr hören in den Nachrichten.Sie wollen die Freiheit verteidigen wessen Freiheit ihre!.

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