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Die aus Alsfeld stammende Autorin Katja Decher schrieb eine eigenwillige Novelle über den Reifeprozess einer jugendlichen CliqueSex und Drogen auf dem Weg zu sich selbst

ALSFELD. Dass Jugend auch eine schwierige Zeit sein kann, weiß spätestens seit Salingers „Fänger im Roggen“ jeder Mensch, der das Meisterwerk im Unterricht gelesen hat. Wie schwierig Jugend es sich machen kann, das erzählt die aus Alsfeld stammende Autorin Katja Decher in ihrer Novelle „Loop – das Leben feiern“. Es ist die eigenwillig erzählte Geschichte einer zerbrechlichen Jugendclique rund um die 16-jährige Tari.

Das Mädchen steht im Zentrum, aus ihrer Sicht spielen sich große Teile der Handlung ab, wobei das Wort Handlung den Fortschritt der Geschichte nicht richtig beschreibt. Die Handlung reduziert sich auf das, was sich unmittelbar zwischen den sieben beteiligten Jugendlichen abspielt, die sich an verschiedenen Orten zusammenfinden und dann – wechselnden Szenen eines Kammerspiels nicht unähnlich – miteinander agieren.

Aber ob im ihrem Tanzclub „Loop“, im Heimatort, auf der nächtlichen Wiese oder zuhause in Taris Zimmer: Die Spielorte stehen nur vage in einem Zusammenhang und bleiben so unbestimmt wie die Akteure selbst.

Ein paar Mal blitzt auf, dass sich das Ganze im Raum Kassel abspielt, aber auch diese Verortung spielt keine Rolle. Ebenso wenig wie der Hintergrund der Protagonisten. Von Tari, Naomi, Lemon oder auch Jannis erfährt die Leserschaft nicht mehr als die gerade in ihrer Clique präsentieren. Wie man sich die jungen Leute zumindest charakterlich vorstellen soll, erklärt die Autorin lieber gebündelt im Prolog.

Einzelne Szene fügen sich zusammen

Diese Erzählweise, die zunächst als oberflächlich aufstößt, gewinnt aber im Laufe der Geschichte an Charakter, wenn spürbar wird, dass die scheinbar belanglosen Interaktionen doch einen roten Faden fangen und eine Richtung einschlagen: das Spiel mit Liebe, Leidenschaft und Macht, die jugendliche Zerrissenheit zwischen den Polen Vernunft und Grenzerfahrung.

Die Autorin, deren Teenagerzeit zur Handlungszeit 1996 passt, redet nicht lange herum, was die Triebmittel fürs Pingpong der Gefühle sind: Drogen und Sex, viel Sex. Die jungen Leute fummeln in wechselnden Besetzungen derart regelmäßig an sich herum, dass man unwillkürlich an die eigene Jugend denkt: War das so? Sex mit und ohne Joint, als beiläufiges Spiel, Sex aus Liebe, Sex als Machtmittel – als zerstörerisches Element und Kitt zugleich, explizit und lustvoll ausgebreitet. Das ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack – oder gerade ein Verkaufsargument? So ganz wird die Motivation für diesen Schwerpunkt der „Coming-of-Age-Geschichte“ nicht klar. Aber deutlich wird, dass sie sich wohl vor allem an die junge Generation wendet.

Botschaft: Jugend ist nicht einfach

Insgesamt führt das Ganze doch zum Schluss, und wer bis zum Ende dabei bleibt, versteht auch die Botschaft. So ist die Kargheit vielleicht sogar ein gewolltes Stilmittel, um das Leben der jungen Handelnden aus jeder ablenkenden Gegenständlichkeit heraus zu holen. Es wird erzählt, wie mit einer zittrigen Handkamera über die Schulter der Beteiligten gefilmt.

So wie junge Leute es vielleicht tatsächlich in einem Kosmos empfinden, dessen Horizont der Rand der eigenen Clique ist. Es ist keine Milieustudie, aber dieser Blick verleiht dem Erleben von Tari und Co. eine Art Allgemeingültigkeit, wie sie in jeder Generation und an jedem Ort Aktualität haben könnte. Als der ewig holprige Weg des Reifeprozesses.

                                                                                                                           Axel Pries

Katja Decher. Foto: Marcelle Wortmann

Die Autorin: „eine sehr persönliche Geschichte“

Die 1980 in Alsfeld geborene Katja Decher schreibt über ihre Motivation:

„Es ist eine sehr persönliche Geschichte, auch wenn sie in großen Teilen fiktiv ist. Als Coming-of-Age- beziehungsweise Jugendgeschichte beschreibt sie ein wichtiges Stück eines vielleicht lebenslangen Weges: dem zu sich selbst. Und sie zu schreiben und zu veröffentlichen, war für mich auf diesem Weg ein unglaublich großer Schritt.

Für den in meiner Novelle beschriebenen Club „Loop“ dienten zwei reale Diskotheken als Vorbild: zum einen das „Zabou“/später „Märchenland“ in Alsfeld und das „Aufschwung Ost“/später „Stammheim“ in Kassel. Beide Clubs waren sehr bekannt und beliebt, als ich sie in den 90er-Jahren besuchte, als ich ebenso ein Teenager war wie die Figuren in meinem Buch. Menschen und Ereignisse aus dieser Zeit haben mich zum Schreiben von „Loop – das Leben feiern“ inspiriert.“

Werdegang nach dem Schulabschluss in Alsfeld

„Nachdem ich 1999 an der Albert-Schweitzer-Schule Abitur gemacht hatte, verließ ich Alsfeld, um in Köln zu studieren. Zunächst schrieb ich mich für das Fach Dolmetschen/Übersetzen (Englisch und Französisch) an der Fachhochschule Köln ein. Doch ich merkte bald, dass ich etwas Schöngeistigeres brauchte: ein Magister-Studium an der Universität zu Köln mit dem Hauptfach Germanistik und den Nebenfächern Philosophie und Geschichte.

Ich wollte schon immer schreiben, so dass ich bereits als Teenager für die Jugendredaktion der Oberhessischen Zeitung Artikel verfasste und dem Beruf der Journalistin seitdem treu blieb: während meines Studiums als freie Mitarbeiterin und Praktikantin bei verschiedenen Medienhäusern, danach zwei Jahre lang als freie Journalistin für Print und Online beim Kölner Stadt-Anzeiger. Für ein Volontariat bei einem redaktionellen Dienstleister in Ludwigshafen zog ich 2009 nach Mannheim, wo ich bis heute lebe. Mittlerweile arbeite ich als Redakteurin für Sonderbeilagen für die Tageszeitung DIE RHEINPFALZ in Teilzeit und freiberuflich als Journalistin und Schriftstellerin.

Der Wunsch, zu schreiben, war für mich immer schon mit dem verbunden, etwas Literarisches zu schaffen. Meine erste Kurzgeschichte entstand im Kurs „Kreatives Schreiben“, den ich 2006/2007 an der Uni belegte, mein erstes Gedicht, dem bis heute sehr viele gefolgt sind und folgen, als ich mich 2008 verliebte. Ein eigenes Buch zu veröffentlichen war ein Lebenstraum, der für mich nach und nach realer wurde, je mehr ich diesen für mich selbst ernst nahm. 2012 reduzierte ich meine Arbeitszeit als Redakteurin, um mehr Zeit für das literarische Schreiben zu haben. Und ganz langsam begann in mir eine Geschichte zu wachsen: „Loop – das Leben feiern“.

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