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Ein Gespräch mit Bestatter David Tauscher: "Es ist einfach alles anders als sonst"Sterben in Zeiten von Corona: Abschiednehmen mit Mindestabstand

ALSFELD (akr). Keine liebevollen Umarmungen, kein Gottesdienst in der Kapelle, keine große Trauergemeinde, nur der engste Familienkreis: Auch beim letzten Weg eines Menschen hat das Coronavirus derzeit das Sagen, denn Trauerfeiern und Beerdigungen unterliegen in diesen Zeiten strengen Vorschriften – für trauernde Angehörige eine zusätzliche Belastung. Ein Gespräch mit Bestatter David Tauscher über das Sterben in Zeiten von Corona.

Wer einen geliebten Menschen verliert, befindet sich im emotionalen Ausnahmezustand. Noch schwieriger wird es, wenn trauernde Angehörige in Zeiten des Coronavirus Abschied nehmen müssen. Seit der Corona-Krise gelten nämlich auch für Trauerfeiern und Beerdigungen strenge Vorschriften. „Es ist einfach alles anders als sonst“, sagt David Tauscher. Seit rund 15 Jahren arbeitet er als Bestatter, begleitet und unterstützt Familien in ihrer schwierigsten Zeit. Jetzt musste auch er den Kontakt zu den Trauernden auf ein Minimum reduzieren.

Gespräche finden wenn überhaupt nur noch im kleinsten Kreis statt, die meisten laufen über das Telefon. Die Menschen würden auch so gut wie gar nicht mehr persönlich vorbei kommen, um einen Trauerfall zu melden – auch dafür greift man zum Hörer. „Das Persönliche ist weniger geworden, dafür steht das Telefon nicht mehr still, doch das stand es ja noch nie“, erzählt Tauscher. Das ist aber noch längst nicht alles, das sich in dieser außergewöhnlichen Zeit verändert hat.

Zehn Personen unter freiem Himmel

„Trauerfeiern dürfen im Moment nur unter freiem Himmel stattfinden, teilnehmen dürfen höchstens zehn Personen – Bestatter und Pfarrer mit eingeschlossen“, erklärt Tauscher. Familien müssen also die Entscheidung treffen, wer zur Beerdigung kommen darf und wer nicht. Das wird dann auf einer Liste festgehalten. Die Tendenz der letzten Jahre habe zwar gezeigt, dass Trauerfeiern immer kleiner ausfallen, immer öfter nur im engsten Familienkreis Abschied genommen wird, „doch was wir nie hatten, das sind Beschränkungen. Das mit den zehn Personen ist schon ein Einschnitt“, sagt Tauscher.

Keine große Trauergemeinde, lediglich zehn Personen. In Wien zum Beispiel werden Bestattungen nun für Angehörige und Freunde per Livestream übertragen. „Ich hatte vor zwei Jahren schon mal einen Livestream in die USA. Aber das haben die Angehörigen selber gelöst, mit dem Handy per Whatsapp“, erzählt er. Trauerfeiern aufgezeichnet habe er auch schon des Öfteren. Wegen Corona hat Tauscher deswegen aber noch keine Anfragen bekommen. „Ich bin eigentlich für vieles offen, solange es sich in einem gewissen Rahmen bewegt. Man sollte halt aufpassen, dass es nicht zum Standard wird“, sagt er.

Ich habe mich am Anfang immer dafür entschuldigt, dass ich keinen Handschlag mehr gebe, extra die Arme verschränkt oder hinter den Rücken gelegt, damit ich nicht in Versuchung komme, habe mich dafür entschuldigt, eine Maske zu tragen.David Tauscher

Auch wenn die ganzen Regelungen für Trauernde sicherlich eine zusätzliche Belastung sind, versucht er, einen würdigen Rahmen zu schaffen, „aber es ist eben anders, als sonst“. Deshalb komme es immer öfter zu der Situation, dass Angehörige die Trauerfeier hinauszögern, um doch noch eine Bestattung im größeren Kreis abhalten zu können, schließlich ändert sich die Gesetzeslage fast täglich. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt sei das auch möglich, doch es gibt natürlich auch hier strenge Regelungen, an die man sich halten muss.

Abschiednehmen auf Distanz

Sterben in Zeiten von Corona bedeutet Abschiednehmen auf Distanz. Alle Trauergäste müssen nämlich auch auf der Beerdigung den Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten. „Die Menschen halten sich an die Regeln. Die meisten sind total verständnisvoll“, erzählt der Bestatter. Und was passiert, wenn sich Trauernde plötzlich doch in die Arme fallen?  „Ich habe dafür Verständnis. Ich kann es ihnen nicht vorschreiben. Es ist einfach etwas Menschliches“, sagt Tauscher.

Kondoliert wird jetzt nicht mehr mit Umarmungen, nicht mal mit einem Handschlag darf man seine Beileidsbekundung ausdrücken. Es sind strenge Regeln, die in dieser Zeit gelten. Tauscher selbst ist jemand, der normalerweise viel mit Gestik und Mimik arbeitet, doch auch das fällt jetzt wegen der Schutzmaske fast komplett weg. Aber das sei ja alles nur äußerlich, sagt er. Im Prinzip gehe es um das Menschliche und das dürfe nicht zu kurz kommen. „Die Menschen können mich jederzeit anrufen, wenn sie jemanden zum Reden brauchen. Es ist wichtig, dass sie wissen, dass man für sie da ist. Wenn man gut zuhört, langsam und ruhig spricht, das kann einiges bewirken. Es kommt aber auch darauf an, um was es sich für einen Sterbefall handelt. Wurde jemand nach einer langen Krankheit erlöst oder ist es ein plötzlicher Tod?“

Wie findet man überhaupt die Balance zwischen Anteilnahme und Einhaltung der Vorschriften? „Bei uns muss man immer irgendwie die Balance finden, dass man zum Beispiel nicht mit den Leuten trauert, sondern Anteil nimmt“, erklärt der Bestatter. Dass das nicht immer leicht sei, sei keine Frage, und die aktuelle Situation mache das nicht unbedingt leichter.

Auch für Bestatter David Tauscher ist die Situation alles andere, als einfach.

Mittlerweile hat sich der Bestatter an diesen neuen Umgang gewöhnt. „Anfangs war das schon ungewohnt und auch irgendwie problematisch“, gibt er zu. „Ich habe mich am Anfang immer dafür entschuldigt, dass ich keinen Handschlag mehr gebe, extra die Arme verschränkt oder hinter den Rücken gelegt, damit ich nicht in Versuchung komme, habe mich dafür entschuldigt, eine Maske zu tragen. Mittlerweile entschuldige ich mich nicht mehr, sondern erkläre es einfach.“

Die Hygienestandards sind schon immer sehr hoch

Denn die Hygiene- und Abstandsregelungen gelten auch bei Überführungen, sprich, wenn der Bestatter einen Verstorbenen abholt. Was viele nämlich nicht wissen: Auch Leichen können hoch infektiös sein. Deshalb muss der Bestatter in der jetzigen Zeit die Frage stellen, ob es sich bei dem Verstorbenen um einen Covid-19-Patienten handelt, sofern er es noch nicht weiß. Denn wenn das der Fall ist, erfordert das besondere Schutzmaßnahmen – und zwar eine komplette Schutzausrüstung. Tauscher hatte diesen Fall schon. Ein Mal musste er bereits einen Corona-Patienten beerdigen.

Vom Grundprinzip her muss man mit jedem Verstorbenen so umgehen, als sei er infektiös. Man muss immer damit rechnen, dass jemand vielleicht eine Krankheit hatte, von der er oder auch die Familie nichts wusste.David Tauscher

Wer einen infektiösen Menschen beerdigt, egal ob sie mit Corona oder etwas anderem infiziert sind, der muss sich an spezielle Vorsichtsmaßnahmen halten. Leichenhüllen, sogenannte „Bodypacks“ oder das Einwickeln des Leichnams in mit Desinfektionsmitteln getränkte Tücher, sind dann Vorschrift. Eigene Kleidung darf der Verstorbene nicht tragen, wenn er bestattet wird. „Beim Anziehen wird der Leichnahm bewegt, auf die Seite gelegt, damit man beispielsweise Kleid, Hemd oder Sakko zurecht rücken kann. Die Gefahr ist groß, dass dabei Körperflüssigkeiten austreten, die man dann aufnimmt“, erklärt Tauscher.

„Im Prinzip ist es nichts Neues“

Angst davor, sich mit dem Virus anzustecken, hat er nicht. Im Prinzip ist das nämlich für die Bestatter auch nicht unbedingt etwas Neues. „Wir haben auch sonst mit Viren oder Bakterien zu tun, beispielsweise der MRSA-Keim, der Norovirus oder andere meldepflichtige Krankheiten, wo Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Aber hier ist es jetzt einfach nochmal viel wichtiger, gezielt drauf zu achten.“

„Vom Grundprinzip her muss man mit jedem Verstorbenen so umgehen, als sei er infektiös. Man muss immer damit rechnen, dass jemand vielleicht eine Krankheit hatte, von der er oder auch die Familie nichts wusste“, erklärt Tauscher. Wenn er einen Toten mit Handschuhen angefasst hat, dann ist es für ihn selbstverständlich, nicht einfach mit den selben Handschuhen auch die Griffe des Sargs oder die eigene Kleidung anzufassen.

Im Bestattungsinstitut von David Tauscher hat man übrigens die alten, langen schwarzen Arbeitskittel wieder herausgekramt. „Man belächelt eigentlich Bestatter, die so etwas heute noch anziehen. Aber wir haben die schwarzen Kittel wieder aus der Mottenkiste geholt“, lacht er. Bei jedem Verstorbenen, bei jeder Überführung, wird ein frischer Kittel angezogen. Nach der Überführung wird er noch bevor man wieder ins Auto steigt ausgezogen. Damit versuche er nicht nur sich und seine Mitarbeiter zu schützen, sondern auch die Menschen, die er trifft.

Das Hamstern macht auch übrigens vor der Bestattungsbranche keinen Halt. „Es werden die einfachen Einäscherungssärge und Bodypacks gehamstert. Es ist derzeit wirklich schwierig, diese Sachen zu bekommen“, erzählt Tauscher. In seinem Bestattungsinstitut gebe es aber zum Glück noch keine Engpässe, was die Särge oder Leichenhüllen angeht. „Wir haben standardmäßig zwischen 70 und 100 Särge auf Lager“. Engpässe gebe es auch in Sachen Desinfektionsmittel Gott sei Dank bei ihm noch nicht. Bei anderen Bestattern sieht das allerdings anders aus. Anders als Ärzte und Pfleger werden Bestattungsinstitute nicht mit Schutzausrüstung versorgt. Sie gelten nämlich in den meisten Bundesländern nicht als systemrelevant – so wie in Hessen. Doch in Corona-Zeiten ist auch das nicht für die Ewigkeit gewiss.

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