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Von leeren Fußballstadien und der Angst, nicht versichert zu seinZu Corona-Zeiten in Trumps Amerika

Unser Kollege Juri Auel hält sich gerade beruflich an der Westküste der Vereinigten Staaten auf. Hier berichtet er von der Schwierigkeit, ein Land unter den aktuellen Bedingungen kennen zu lernen – und warum leere Regale in den USA noch ein bisschen gruseliger sind, als im Vogelsberg.

Es war diese eine Frage, an der vermutlich beinahe alles gescheitert wäre. Es war nicht die auf dem Einreiseformular, ob man Terrorist sei – und auch nicht die, ob man sich besonders gut mit Kernspaltung oder Schusswaffen auskenne. „Sie kommen aus Deutschland?“, fragt eine Mitarbeiterin der Airline beim Boarding in Amsterdam. „Ja“, antworte ich. „Waren Sie vor Kurzem in China?“ Ich verneine. Ein Blick rüber zur Kollegin. Ich darf einsteigen. Eine Woche später wird Donald Trump die Grenzen für alle Europäer dichtmachen.

Ich habe es also grade noch so reingeschafft, ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die, ziemlich zeitgleich mit Deutschland, immer begrenzter werden. Der Bundesstaat Kalifornien hat eine generelle Ausgangssperre verhängt und rechnet mit mehr als 25 Millionen Infizierten. Oregon, der Staat nördlich davon, in dem ich mich aufhalte, hat das öffentliche Leben ebenfalls runtergefahren. Klopapier und Desinfektionsmittel werden im Supermarkt rationiert – wenn es denn überhaupt noch welches zu kaufen gibt. Solche Szenen sind in Deutschland schon kaum vorstellbar und passieren dennoch. Aber hier, in den USA, wo die Regale noch ein bisschen größer sind und man sich allein im Dschungel der gigantischen Cornflakes-Abteilung verlaufen kann, wirken diese Szenen noch ein bisschen unrealer.

Kein Klopapier zu kriegen, auch in den USA. Foto: jal

Die Stadt, in der ich mich befinde, heißt Portland. Sie gilt als eine der europäischten Orte, die man hier drüben finden kann. Das politische Klima ist liberal und offen, man sieht viele Menschen auf Fahrrädern und von meinem Fenster aus kann ich in ein Stadion schauen, in dem Soccer, also echter Fußball und kein Football, gespielt wird. Das heißt, jetzt ist der Platz natürlich verwaist. Genau wie die vielen kleinen und großen Restaurants in der Stadt, für die Portland berühmt ist. Und die Basketball-Arena. Ich hatte Glück, noch kurz nach meiner Anreise bei einem Spiel der Portland Blazers dabei sein zu können – Hymne vor Spielbeginn und 12,50 Dollar für eine Dose Bier mit Mango-Geschmack inklusive. Wenige Tage danach stellte die gesamte Basketball-Liga NBA den Spielbetrieb ein.

Abstand halten, Bars geschlossen, Ausgangssperren: Diese ganzen Restriktionen machen es leider schwer, ein fremdes Land kennenzulernen. Aber ich bin froh über die liberale Grundstimmung, die hier in Portland herrscht. Denn als Trump den Einreisestopp für Europäer verkündete, war das mit einer klaren Zusatzbotschaft versehen: Das Virus ist kein Amerikaner. Das haben die Fremden aus Europa hier eingeschleppt. Republikaner, die auf den Zug aufspringen und mir oder anderen Besuchern feindselig werden könnten, sind in dieser Stadt zum Glück deutlich in der Unterzahl. 73,3 Prozent in der Gegend haben bei der Wahl 2016 für Hillary Clinton gestimmt, nur 17 Prozent für den jetzigen Chef im Weißen Haus.

Blick auf das Fußballstadion der Stadt.

Und dennoch ist es ein komisches Gefühl, während einer solchen Krise, eines solchen Ausnahmezustands, so weit weg von Daheim zu sein. 8360 Kilometer Luftlinie trennen Alsfeld und Portland voneinander, dazu acht Stunden Zeitverschiebung.

Was, wenn mich das Virus hier erwischt? Ich bin beruflich unterwegs, wäre es ein Urlaub, wäre ich schon längst wieder abgereist. Die Weltgesundheitsorganisation spricht von einer Pandemie, von einer weltweiten Seuche. Ob meine Auslandreisekrankenversicherung so etwas abdeckt? Ich mag lieber nicht nachgucken. Pandemien sind wie Krieg und Reaktorunglücke gerne mal ausgenommen.

Hier gibt es jedoch auch Menschen, die definitiv ohne Versicherungsschutz dastehen, wenn es hart auf hart kommt. Und ja, es ist fast schon ein Klischee, sich als Europäer über das Gesundheitswesen in den USA zu echauffieren. Aber für mich persönlich ist und bleibt es einfach unverständlich, wie in einem solch reichen Land so viele Menschen keine Krankenversicherung haben können. 27,5 Millionen waren es offiziellen Zahlen nach im Jahr 2018. Eine Lokalzeitung in Portland berichtete letztlich davon, wie sich Uber-Fahrer verzweifelt gegen das Virus zu wehren versuchen, indem sie keine Erfrischungen, sondern Handschuhe und Mundschutz an ihre Kunden verteilen. Die Fahrer sind rechtlich gesehen Selbstständige, Uber bietet von Haus aus keine Krankenversicherung an, sondern lediglich ein optionales Paket, für das die Fahrer selbst zahlen müssten. „Medizinische Versorgung ist nicht billig“, zitiert die Zeitung einen von ihnen.

Für mich persönlich ist es bislang ein bisschen so, als wäre ich im Home Office, nur eben am andere Ende der Welt. Ich gehe nur raus, wenn es nötig ist, wasche mir immer danach die Hände – und hoffe, dass alles möglichst schnell ein gutes Ende nimmt. In Portland, genau wie in Alsfeld und dem Rest der Welt.

Straßenszene aus Portland.

Ein Gedanke zu “Zu Corona-Zeiten in Trumps Amerika

  1. Danke Herr Juri Auel
    ….. für ihren interessanten Bericht von “ abroad „!
    Hier sieht man nochmals wie die nordamerikanische Maxime : “ Wir sind so frei “ : Keine soziale Marktwirtschaft / Waffen für fast jeden/ keine Bevölkerungszahl abdeckende Kranken/ Sozialversicherungen ect. dem menschlichen Individium fast die Lebensberechtigung abspricht.
    Trotz vieler Misstände können wir froh über unsere Form der Demokratie sein !!!!!
    Hut ab für das bis dato Krisenmanagment unserer Regierung leistet ! ….. auch wenn wir zuhause das eine oder andere schneller/ oder anders machen würden. Erinnert manchmal ein bisschen an die Millionen Fussballnationaltrainer ….
    Was nicht bedeutet das manche der Kritikpunkte von Seiten der Bevölkerung ihre volle Berechtigung haben !
    Man siehe nur Friseure/ Menschen die im Einzelhandel arbeiten ect. nur um einige zu nennen.
    Nichts desto trotz bin ich sehr dankbar dafür hier jetzt in dieser Situation in Deutschland zu leben !
    Vielen Dank an alle die für unser Gemeinwohl tätig sind.
    Dazu gehört die Verkäufer//in
    die Pfegenden/ Ärzte / Rettungskräfte/ Polizei und noch so viele andere !
    Bleibt gesund auch mental ….. und werdet nicht zu reinen Egoisten ….

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