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Therapiehunde Osthessen zu Gast bei Kompass Leben in AltenburgFellnasen mit einer besonderen Mission

ALSFELD (akr). Wenn das rote Halstuch umgebunden und das Geschirr angelegt wird, dann wissen Schäferhündin Tala, Collie Obelix und Mischlingshündin Kuka, dass die Arbeit ruft. Alle drei werden schon sehnsüchtig erwartet. Sie sind Therapiehunde und haben sich eine ganz bestimmte Aufgabe zum Ziel gesetzt: anderen Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Einer ihrer vielen Klienten ist die Behindertenwerkstatt von Kompass Leben in Altenburg. Ein Besuch in der Therapiestunde.

Noch sind ein paar Minuten Zeit, bis Tala, Obelix und Kuka ihren Einsatz haben. Während die Betreuer von Kompass Leben die Teilnehmer zur Therapiestunde abholen, genießt die fünfjährige Kuka ein paar Streicheleinheiten auf dem Schoß ihres Frauchens Marion Heimpel. Obelix und Tala hingegen schlecken sich gegenseitig ab, spielen miteinander. „Die lieben sich“, fängt Peter an zu lachen, als er mit seinem elektrischen Rollstuhl in die kleine Turnhalle gerollt kommt. Er kommt aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus, kann seinen Blick von den Vierbeinern nicht mehr abwenden. „Ich mag die Tala“, lächelt er.

Nach und nach trudeln immer mehr Teilnehmer ein. Ein letzter Hundekuss für Freund Obelix und Tala ist startklar. Sie fängt an. Zu Beginn jeder Stunde steht die Begrüßung auf dem Programm. Melanie Erdogan, erste Vorsitzende des Vereins Therapie Hunde Osthessen, und Frauchen von Tala, zieht ihre rote „Zaubertasche“ neben sich. Sie kramt ein wenig in ihr herum und zieht eine Kelle hervor. Sie geht mit Tala zu Mike, gibt ihm vorsichtig die Kelle in die Hand und legt ein Leckerlie drauf.

Geduldig sitzt die Schäferhündin vor Mikes Rollstuhl und wartet auf ihren Einsatz. Mike reicht ihr langsam die Kelle samt Leckerlie entgegen, vorsichtig fischt es sich Tala mit ihrer Zunge heraus. So geht es der Reihe nach. Alle Hunde werden nach und nach begrüßt und mit einem Leckerlie verwöhnt.

Die Begrüßungsrunde: Kuka freut sich auf ihr Leckerlie. Im Hintergrund sitzt Melanie Erdogan und ihre Hündin Tala. Fotos: akr

Insgesamt zwölf ausgebildete Teams gehören dem Verein an, der im April 2017 gegründet wurde und aktuell 40 Mitglieder hat. Fünf Teams sind aktuell in der Ausbildung – so wie Tala und Obelix –  und im Januar kommen sechs weitere hinzu. Ein Team besteht aber nicht nur aus einem Menschen und einem Hund. Das von Heike Leitsch zum Beispiel besteht aus ihr und den Collies Cassy, Fenja und Kim. Drei weitere Hunde sollen in Zukunft noch in ihr ehrenamtliches Team aufgenommen werden.

Eine hohe Reizschwelle ist Pflicht

„Therapiehunde müssen eine hohe Reizschwelle haben“, erklärt Melanie Erdogan. Das ist gerade wichtig, weil viele Patienten aufgrund ihrer Beeinträchtigungen oder Krankheiten nicht gerade feinfühlig mit den Hunden umgehen können. Da die Vierbeiner beispielsweise in Kindergärten, Senioreneinrichtungen, Schulen oder Heimen eingesetzt werden, sollten sie auch keine Probleme mit Rollstühlen, Rollatoren oder Kindern haben. Das wird aber unter anderem in einem Wesenstest geprüft.

Erst wenn der Hund diesen besteht, darf er die zweijährige Ausbildung antreten, die Rasse spiele keine Rolle, auch die Größe nicht. Von klein bis groß ist bei den Therapiehunden Osthessen alles vertreten. Bestes Beispiel: die kleine Mischlingshündin Kuka und der Berner Sennenhund Hakon – der Inbegriff eines riesigen Schmusebären. Der fünfjährige Hakon ist an diesem Tag aber nicht im Einsatz, zumindest nicht bei Kompass Leben.

Tala, Kuka und Hakon.

Nach der Begrüßungsrunde steht Talas nächster Einsatz auf dem Programm. Kuscheln ist angesagt – aber nicht mit Frauchen, sondern mit den Klienten. Wieder geht es der Reihe nach. Melanie legt die rote Hundedecke – passend zum Halsband und Geschirr – auf Mikes Schoß. Vorsichtig legt sich die zweijährige Schäferhündin mit ihren Vorderpfoten auf die rote Decke. Ein Lächeln macht sich in seinem Gesicht breit. Obelix und Kuka haben es sich derweil bei ihren Frauchen Yvonne und Marion bequem gemacht, gönnen sich eine Pause. Für die Hunde ist das ziemlich anstrengend, wie Melanie Erdogan erklärt.

Ein unbeschreibliches Gefühl

Peter kann es kaum erwarten. Er ist der nächste. „Ich komme mal mit Tala auf die andere Seite, damit dein Joystick vom Rollstuhl nicht im Weg ist“, erklärt Melanie. Peters Augen strahlen. Endlich kann er wieder mit seiner geliebten Tala schmusen, immerhin liegt die letzte Hundestunde zwei Wochen zurück. Ein ungewöhnliches Bild zeigt sich an diesem Tag bei Miro. Er nimmt zwar oft an der Therapiestunde teil, aber so richtig Nähe ließ er nie zu. Das ist heute anders. „Miro hat noch nie so nah mit Tala gekuschelt“, freut sich Melanie. Ein besonderer Moment, nicht nur für Miro. „Wir sind süchtig nach diesem Gefühl, etwas bewirkt zu haben. Es sind diese kleinen, persönlichen Momente, die einfach unfassbar schön sind“, lächelt die erste Vorsitzende.

Dass Hunde eine positive Wirkung auf uns Menschen haben, das ist schon länger bekannt. „Sie können unter anderem emotionalen Stress abbauen, soziales Wohlbefinden fördern, Menschen aktivieren, beruhigen oder auch Verkrampfungen lösen“, erklärt Erdogan. Letzteres ist gerade die Aufgabe von Therapiehündin Kuka. Während Obelix beim „Würfel-Spiel“ seine Tricks unter Beweis stellt, Peter Talas braunes Fell bürstet, sitzt Kuka auf dem Schoß von Tim. Er liegt im Wachkoma. Die kleine Mischlingshündin leckt seine zu Fäusten krampfenden Hände ab. Immer wieder schmiert Marion sie mit Kokosfett ein. „Vor fünf Minuten konnte ich nicht mal Tims Handfläche erreichen, jetzt hat sich seine Hand schon etwas entspannt“, lächelt Marion.

Miro, Yvonne und Collie Obelix.

Dann ist es auch schon an der Zeit, sich zu verabschieden. Für die Therapiehunde ist ein solcher Einsatz anstrengend. Immer wieder werden zwischendurch kleine Pausen für den vierbeinigen Therapeuten eingelegt. „Die Hunde wollen sich jetzt von euch verabschieden“, kündigt Melanie das Ende der Therapiestunde an. „Wir verstehen das“, sagt Peter etwas geknickt. Zum Abschied werden die Fellnasen noch einmal gestreichelt und für ihre Arbeit mit einem Leckerli belohnt. Die Frauchen nehmen ihren Hunden die Halstücher ab, wechseln das Geschirr. Der Einsatz ist vorbei. Jetzt ist auch bei den Vierbeinern Stressabbau angesagt: Gassi gehen, durchs Feld toben, miteinander spielen – sie haben es sich verdient.

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