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Lyrik-Lesung an der AvH beeindruckt mit Sprachgefühl und AusdruckskraftDichte der Worte, Tiefe der Gedanken

LAUTERBACH (ol). „Lautschriften 2019“ – Unter diesem Titel ist vor kurzem ein Buch erschienen, das Werke junger Künstlerinnen und Künstler enthält, Werke von Schülerinnen und Schülern, die diese unter fachlicher Anleitung im Rahmen eines Schulprojektes erarbeiten konnten. Den Auftakt der frischen Autorenreihe machen elf junge Leute von der Alexander-von-Humboldt-Schule, die vor den großen Ferien gemeinsam mit der preisgekrönten Lyrikerin Safiye Can an fünf Nachmittagen in der Lauterbacher Stadtbücherei in Klausur gegangen sind, um ihren Gedanken, Ideen und Lebenswelten eine sprachliche, eine lyrische Form zu geben.

Wie gut dies gelungen ist, davon konnten sich am vergangenen Donnerstag die Zuhörerinnen und Zuhörer in der Aula der Alexander-von-Humboldt-Schule überzeugen: In einer Lyrik-Lesung trugen die Schülerinnen und Schüler ihre Gedichte vor und begeisterten ihr Publikum nicht nur mit ihrer Sprachgewandtheit und ihrem Ideenreichtum, sondern auch mit der Selbstverständlichkeit und dem Selbstvertrauen, mit dem sie vor die Gäste in der Aula traten.

Hanna Borchers (links) und Petra Scheuer stellten das Projekt und das Buch vor. Alle Fotos: Traudi Schlitt

„Wir erinnern uns in späteren Jahren niemals an den eigentlichen Unterricht, sondern immer nur an die Highlights unserer Schulzeit“ – ein wahres Wort, mit dem Schulleiterin Gitta Holloch die Lesung an ihrer Schule eröffnete. Und ein Highlight war diese Lesung, gemeinsam mit den vielen Wochen intensiven lyrischen Schaffens, die ihr vorausgegangen waren, auf jeden Fall. Eine Arbeitssituation außerhalb der Schule, freiwillig auf sich genommen, und doch ohne Schule und engagierte Lehrkräfte nicht denkbar.

Holloch dankte der hierfür verantwortlichen Deutschlehrerin Hanna Borchers, dass Sie die Anregung von Petra Scheuer, Leiterin der Lauterbacher Stadtbücherei, aufgegriffen und den Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums damit die Teilnahme an dem Lyrik-Workshop mit Safiye Can ermöglicht hat, die selbst natürlich auch zur Lesungen ihrer Lyrik-Schützlinge nach Lauterbach gereist war. „Man merkt den Gedichten an, wie sehr sie mit Herz, Hand und Verstand entstanden sind“, so Holloch, die ein solches Projekt, gepaart mit einer gelungenen Abschlussveranstaltung, als „Leuchtturm im Schulalltag“ bezeichnete.

Gespannt auf den lyrischen Abend in der Alexander-von-Humboldt-Schule warteten die Mentorinnen und die Schülerinnen und Schüler auf ihre Auftritte.

Ein unglaubliches Gespür für Sprache

Das Initiatorinnen-Team Hanna Borchers und Petra Scheuer ließ noch einmal die Wochen des Schaffens Revue passieren. „In dem Raum des Dichter-Clubs, dem ‚Eselsohr‘ unterm Dach der Bücherei, sprang jedes Mal der Funke über“, berichtete Petra Scheuer, immer noch ganz angetan von der flirrenden, inspirierten Stimmung der Gruppe, die sich gemeinsam mit Safiye Can in die Welt der Worte und Emotionen versenkte. „In diesem Buch erleben wir die Dichte der Worte, die Tiefe der Gedanken und ein unglaubliches Gespür für Sprache“, kündigte Petra Scheuer Buch und Lesung an, genauso wie Hanna Borchers sichtlich stolz auf das Schaffen der 12- bis 18-Jährigen, die sich ganz ihrer poetischen Neigung hingegeben haben.

„Wir sind insbesondere dem Hessischen Litarturforum außerordentlich dankbar, dass es sowohl das Projekt als auch unseren Leseabend großzügig unterstützt hat“, führte die Deutschlehrerin aus. „Unsere Dichterinnen und unser Dichter sind eine motivierte stabile Gemeinschaft geworden, mit dem Willen, das zu tun, was sie taten“, so Borchers, die hinzufügte, welch glückliche Auswahl Safiye Can als Coach war: „Die Chemie stimmte von Anfang an.“ Schreibanlass waren zwei Kurzfilme, die die Schülerinnen und Schüler als Assoziationsgrundlage für ihre Werke nutzten. Ihre Gedanken brachten Sie unter der Leitung von Safiye Can zu Papier.

Coach, Lyrikerin und Rezitatorin mit großer Ausstrahlung: Safiye Can.

Safiye Can, preisgekrönte Lyrikerin und Vorstandsmitglied der Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik „die horen“, war voll des Lobes für ihre junge Dichterschar. Sechsmal reiste sie eigens aus Offenbach an die Lauter und man konnte förmlich spüren, wie sehr ihr die Schülerinnen und Schüler in dieser Zeit ans Herz gewachsen sind. „Lautschriften“ ist ein Projekt des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Literaturforum im Mousonturm und dem Fischer Kinder- und Jugendbuchverlag, stellte die Autorin das Projekt vor. Vier Teams, vier Schulen, vier Autoren, vier Bibliotheken sind hessenweit daran beteiligt.

„Ich war jeden Moment begeistert von der Themenvielfalt, die sich entwickelt hat“

„Ich war jeden Moment begeistert von der Themenvielfalt, die sich entwickelt hat“, blickte Can zurück. „Wir haben geschrieben, redigiert, bearbeitet, vorgelesen, korrigiert und gedruckt“, so Can, die auch die Zusammenarbeit mit dem Fischer-Verlag lobend erwähnte. Dorthin waren die Schülerinnen und Schüler erst wenige Tage zuvor gereist, hatten sich im Literaturforum getroffen, den Verlag kennengelernt und die Regisseurin eines ihrer Ausgangsfilme getroffen. „Heute ist der letzte Tag unseres Projekts, nun trauern und feiern wir.“ Nacheinander lasen die Schülerinnen und Schüler ihre Werke vor, Lennart Zink und Emelie Mithin, hatten zusätzlich zwei Musikbeiträge für ihr Publikum mitgebracht. Zink spielte zur Eröffnung und Mithin gemeinsam mit Felicia Eisenmeier ein Intermezzo, eine Art musikalisches Gedankenspiel.

Signieren am laufenden Band: Die Bücher des Lauterbacher Dichter-Clubs fanden reißenden Absatz.

Die Gedichte aller jungen Autorinnen und Autoren, die nun vor ihr Publikum traten, sind so individuell wie die jungen Menschen selbst, ebenso wie ihre Art der Rezitation: Rhythmisch, lebendig lesen die einen, verhalten, fast still die anderen – ganz so, wie es zu ihnen selbst und zu ihren Werken passt. Ihre Themen sind Freiheit und Freundschaft, auch vergangene. Ängste und Sehnsüchte finden ihren Ausdruck in kurzen oder längeren Gedichten, die teilweise Ansätze von visuellen Gedichten enthalten. Lebenswelten, Träume, familiäre Verflechtungen – all das verpacken die jungen Dichterinnen und Dichter in Worte voller Strahlkraft, die nachhallen und die Eindrücke noch lange in der Erinnerung des Publikums festhalten.

Nachdem die letzte junge Lyrikerin verklungen war, las Safiye Can aus ihrem neuen Lyrikband „Kinder der verlorenen Gesellschaft“. Die ausgewählten Texte handelten von Verletzung und Hoffnung, von der Sehnsucht nach Frieden, die auf die harte Realität trifft, von der Liebe und ihrer Zerbrechlichkeit. Werke – wie die ihrer Schülerinnen und Schüler – zum Eintauchen.

Die Lauterbacher Dichterinnen und Dichter sind:

Marlene Aevermann, Charlotte Deuchert, Lotta Gohlke, Ilka Kötzschau, Emma Langstein, Emelie Mithin, Catharina Pilz, Melinda Utke, Annamaria Weber, Alexandra Wink und Lennart Zink.

Safiye Can (3. von rechts, vordere Reihe) inmitten ihrer Dichterinnen und Dichter.

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