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Gedanken zu den geplanten Protesten gegen die ErderwärmungWie der Kampf gegen den Klimawandel den Vogelsberg spaltet

MeinungALSFELD. In Großstädten ist es bei Jugendlichen gerade total angesagt, für den Klimaschutz auf die Straße zu gehen. Im Vogelsberg, so scheint es, kann sich hingegen eher die ältere Generation für das Thema begeistern. Das zeigen die Kommentare zu den Klima-Demos, die am Freitag in Alsfeld, Homberg und Lauterbach stattfinden sollen. Warum ist das so? Ein Essay von Luisa Stock.

„Erwachsene sagen immer: ‚Wir schulden den jungen Leuten Hoffnung.‘ Aber ich will eure Hoffnung nicht. Ich will nicht, dass ihr hoffnungsvoll seid. Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre. (…) Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen. Denn das tut es.“

Es sind Worte einer 16-Jährigen, die unter die Haut gehen. Was Greta Thunberg da bei der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos im Januar sagte, bewegt. Vor über einem Jahr saß die junge Klimaaktivistin zum ersten Mal vor dem schwedischen Parlament und protestierte für mehr Klimaschutz. Damit legte sie den Grundstein der wohl größten Jugendbewegung der heutigen Zeit: Fridays for Future mit Greta als Symbolfigur des Kampfes.

Dafür muss die 16-Jährige einiges einstecken – und auch alle, die mit ihr gemeinsam auf die Straße gehen. Von überall dort, wo man öffentlich kommentieren kann, folgt Spott. Den gibt es auch im Vogelsberg. Über 90 Kommentare gibt es mittlerweile auf die Ankündigung der Klimastreik-Demos im Vogelsberg am Freitag bei OL. Nicht alle sind negativ. „Wie erfreulich. Ich bin auch dabei“, schreibt da jemand. Oder aber „Ich denke, dass es eine gute Beschäftigung für Kinder und Jugendliche ist, sich kritisch mit solchen Themen auseinander zu setzen und dadurch Wissen über solche Themen zu erlangen. Kreativität hin oder her.“

Aber es gibt eben auch die hämischen Beiträge. In die Schule sollten die Kinder gehen, oder arbeiten. Etwas Sinnvolles tun. „Schulschwänzer“ sollten fürs Demonstrieren während der Schulzeit eine „saftige Geldstrafe“ bekommen. Neu sind solche Kommentare nicht, brodeln die doch schon seit Beginn der Bewegung unter der Oberfläche. In der letzten Zeit sind sie jedoch, so scheint es zumindest, auch bei uns in der Region ausgebrochen, laufen wie heiße Lava durch die sozialen Medien, verbrennen jegliche Diskussion und hinterlassen einen Haufen Asche.

Erstaunlicherweise kommen diese Kommentare von Menschen, deren eigene Jugend selbst noch nicht allzu lange her ist, wohingegen die ältere Generation im Vogelsberg aufgeschlossener zu sein scheint. Da drängt sich unweigerlich eine Frage auf: Woran liegt das? Und woher kommt der Unterschied zur Großstadt, wo eher die Erwachsenen von Schulschwänzern zu sprechen scheinen und die Jugendlichen in Scharen auf die Straße gehen?

Auf dem Land ist eben alles anders. Oder nicht? Ein Funken Wahrheit dürfte dran sein – es ist anders als in Ballungsräumen. Während die Jugend oder aber die jungen Erwachsenen sich hier abgehängt fühlen und um etwas zu erleben vermeintlich eher auf ein Auto angewiesen sind, sind es die Erwachsenen, die viel auf dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind. In den Großstädten ist das weniger nötig, Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen bieten einen bequemen und gleichzeitig umweltschonenden Ersatz. Ein Führerschein ist da oft erst recht überflüssig. Im Vergleich: Laut einer Studie des Kraftfahrt-Bundesamtes wurden 2018 in Hamburg 18.319 Auto-Führerscheine ausgestellt. In den eher ländlich geprägten Bundesländern wie Baden-Württemberg und Hessen waren es 139.924 und 75.499.

Ob die Menschen auf dem Land das Auto tatsächlich mehr brauchen bleibt auf dieser Grundlage seriös betrachtet dennoch nicht mehr als eine Vermutung. Vielleicht ist ihnen ihr Auto und die Unabhängigkeit wichtiger, vielleicht ist es aber auch ein anderes Bewusstsein, dass die Menschen im ländlichen Raum gegenüber der Natur haben. Sie sehen sie jeden Tag. So paradox es klingt, könnte genau das der Grund sein, warum sie mit ihrer Umwelt vielleicht weniger umsichtiger umgehen als ihre Altersgenossen aus der Metropole, für die ein kleiner Park schon pure Erholung ist. Auf dem Land hat man gefühlt vielleicht immer noch genug Natur, selbst wenn Teile davon kaputt gehen. Da ist der Wald vor der eigenen Nase selbst mit allen Hitzeschäden gefühlt immer noch vitaler als jeder Stadtpark.

Vielleicht ist auch der Vorwurf der Erwachsenen zum Schulschwänzen teilweise gerechtfertigt. Ein bisschen an der frischen Luft zu stehen und den Moralapostel spielen, statt im Klassenzimmer vor den Matheaufgaben zu grübeln, klingt natürlich verlockender. Warum sollen sie in der Schule für die Zukunft lernen, wenn es keine Zukunft mehr gibt, fragt Greta Thunberg rhetorisch. Ein guter Punkt. Die Demos der Schüler sollten vielleicht nicht als Schwänzen gelten, sondern vielmehr als Anschauungsunterricht. Biologie, Politik und Wirtschaft in einem.

Vergessen sollten wir bei der Debatte auch nicht: Als die heutigen Erwachsenen noch jung waren, gab es auch Themen, bei denen viele von ihnen eher auf die Straße gegangen sind, anstatt zu arbeiten oder zu lernen. Man denke beispielsweise an die Proteste gegen den geplanten Atomreaktor in Pfaffenhofen oder die Atomkraft-Proteste in Wackersdorf. Auch hier wurde geschwänzt, ob Arbeit oder Schule. Also sollte man diese Freiheit im Sinne des zivilen Ungehorsams der heutigen Jugend auch zugestehen. Und mal ehrlich: Wer schwänzen will, kann das auch ohne Demo auf dem Marktplatz.

An dieser Stelle sollte man sich einfach nochmal ins Gedächtnis rufen, was all die Jugendlichen auf den Straßen weltweit fordern: Sie wollen genau das, was zuvor 196 Staaten gemeinsam miteinander in einem völkerrechtlich bindenden Vertrag vereinbart haben. Die Inhalte des Pariser Klimaabkommens. Emissionsminderung, weitere Klimaschutzmaßnahmen und Rechenschaftspflicht. Nichts Realitätsfernes. Eigentlich sogar etwas, was jeder Mensch, egal welchen Alters, fordern sollte. Wer hier sagt, dass man als einzelner an der Klimakrise nichts ändern kann, der mag Recht behalten. Besser macht man die Situation damit aber auch nicht.

Ja, der Klimawandel ist eine enorme Herausforderung. Ja, er ist ein Kampf. Aber wer nicht kämpft, der hat eben schon verloren. Oder um es mit den Worten von Greta Thunberg zu sagen: „Wir können die Welt nicht retten, indem wir uns an die Spielregeln halten. Die Regeln müssen sich ändern, alles muss sich ändern und zwar heute.“ Damit werden sie, egal was man den vermeintlichen „Schulschwänzern“ alles nachsagt, Recht behalten.

11 Gedanken zu “Wie der Kampf gegen den Klimawandel den Vogelsberg spaltet

  1. sollen wir uns für die Erhaltung dieser (klick auf die Überschrift!) „Naturlandschaft“ auch nur eine einzige Einschränkung beim Energieverbrauch auferlegen? Was kann uns der Klimawandel denn noch nehmen, was die Klimaretter uns nicht vorher schon genommen haben? Wenn der Borkenkäfer fertig ist, stehen nur noch WKA-Infraschall-Schleudern in der Gegend rum. Und die holen sich dann die Chinesen, die bis 2050 die gesamte Welt beherrschen werden. Siehe: https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzeit/zdfzeit-supermaechte—angst-vor-china-100.html.

  2. „Wer hier sagt, dass man als einzelner an der Klimakrise nichts ändern kann, der mag Recht behalten. Besser macht man die Situation damit aber auch nicht.“
    Aber eben auch nicht schlechter. Und damit wird die Sache für den einzelnen zum Nullsummenspiel. Das war die gute Nachricht.
    Und jetzt die schlechte: Egal, was getan wird, um die menschengemachte Erderwärmung zu stoppen. All dies wird außer Kraft gesetzt durch den explosionsartigen Zuwachs der Weltbevölkerung. Dieselverbot kann man machen. Schnaxelverbot nicht. Ist leider so. Vielleicht will Greta ja demnächst überall Condome verteilen statt wieder zur Schule zu gehen. Aufschrift: „How dare you!“

  3. Um was zu sagen, muss man ja nicht schreiben können. Aber wenn man schon schreibt, dann wenigsten korrektes Deutsch (Beispiel: „Der Artikel trifft das was ich denkt.“)
    Jetzt mal zu dem, was ich denkt. Ist halt MEINE Meinung:
    Ich finde den Essey von Frau Stock nicht sehr gelungen. Zu oberflächlich. Ist Jugend auf dem Land „konservativer“ als in den Ballungsräumen? Dafür aber die Älteren progressive Radfahrer und Umweltschützer? Schaut man sich die Vogelsberger Junge Union an, möchte man das zwar gern glauben (Und es gruselt einen dabei gewaltig!). Aber es gibt da im Vogelsberg eine Grundströmung, die heißt Obrigkeitshörigkeit. Und die überträgt sich von den Alten auf die Jungen.
    Bei einer Gesamtpopulation von unter 110.000 Bewohnern im Vogelsbergkreis können natürlich einige wenige Lehrer und Lehrer-Pensionäre mit grünem Parteibuch und die ehemaligen Landkommunarden aus Rhein-Main, die in den 1970er Jahren hier die alten Bauernhöfe aufgekauft haben, eine Menge Lärm veranstalten und werden entsprechend deutlich wahrgenommen? Aber ist das die Mehrheit?
    Der Vogelsberg ist nun mal eine randständig zersiedelte Region mit schlechtem ÖPNV. Dementsprechend gibt es pro Haushalt drei PKWs. Mit denen die Vogelsberger gern fahren, ohne sich über nicht vorhandenen Bus- und Bahnverbindungen zu beschweren. Das tun nur an Gemüseschnitzen (aus Plastikdosen!) lutschende Schlabberpulover-Träger*innen, die den ganzen Tag nichts besseres zu tun haben, als mit einem Schlabber-Rucksack an einsamen Bushaltestellen zu stehen oder auf verwahrlosten Bahnhöfen herum zu lungern, wo man ins Gebüsch kacken muss, weil nicht mal das Bahnhofsklo funktioniert. Und jetzt gehe ich raus, streichele meinen kleinen Diesel, fahre mit ihm an eine der wenigen schönen Ecken, die noch nicht durch Winkraftmonster verspargelt sind, die ich mit dem höchsten Strompreis Europas und demnächst durch Diesel-Aufschläge subventionieren muss. Und ich versuche, mal für eine halbe Stunde nicht an Greta und Al-Wazir zu denken, sondern mir eine SCHÖNE Zukunft vorzustellen.

  4. Thomas Cook erreicht mehr für den Klimaschutz als unsere Bundesregierung. Gut, dass Jung UND Alt dann auf die Straße gehen. DANKE, Luisa Stock, für diesen Kommentar!

    1. Luisa Stork hat von den ökologisch-wirtschaftlichen Zusammenhängen in etwa so viel Ahnung wie meine Ur-Großmutter – nur würde die 1911 in Schweden geboren.

      1. Nicht alles, was aus Schweden kommt, taugt auch als Referenz oder sonst was. Weder Ihre Großmutter von 1911 noch Greta Thunfisch von 2019. Die Autorin des obigen Beitrags heißt übrigens Stock. Von Storck waren die großen Karamellbonbons, die der kleine Michael immer bei Frau Lange kaufte. Seit 1911 oder so.

  5. Die Leute, hauptsächlich Kinder und Jugendliche die sich vor den Karren von irgendwelchen Profiteuren spannen lassen, sind für mich keine Klimaaktivisten. Die sollen in der Schule mal aufpassen und die Relation ,Deutschland zur Weltkugel ,verstehen lernen. Bis heute haben die doch aus dem Vollen geschöpft Nehmt ihnen doch mal die Annehmlichkeiten weg, mal sehen was passiert. Das Hauptübel ist und war die Globalisierung!!!!!!!! Die Profiteure dieser Globalisierung sind sollen auch das bezahlen und nicht wieder und immer wieder der „kleine Mann“. Ich meine die „10000“ wirklichen Profiteure auf der Welt.

  6. Ich finde diesen Beitrag von Luisa Stock sehr bedenklich.

    Natürlich gehört es zur Meinungsfreiheit, dass man auch eine grün-sozalistisch geprägte Meinung äußern darf. Aber von einer Journalistin darf man doch wohl erwarten, dass:

    1. nicht einfach völlig nichts-sagende Statistiken aus dem Zusammenhang gerissen werden (wie schon ein Nutzer anmerkte würde ich die Führerscheinquote auch eher so interpretieren, dass selbst im gut ausgebauten Hamburg immer noch jede Menge junge Menschen den Führerschein machen).
    2. Streikrecht, welches über Generationen erarbeitet wurde und zu besseren Arbeitsbedingungen beigetragen hat, mit dem Demonstrationsrecht verwechselt wird.
    3. eine Demonstration für seine eigene politische Überzeugung natürlich nicht über gesellschaftliche Regeln, Normen und die Schul- und Arbeitspflicht hinwegträgt. Wer dennoch demonstriert, der schwänzt – und wer dafür schwänzen möchte, darf es auch gerne tun. Aber bitte nennt es nicht „streiken“.

  7. Solange Wirtschaftsinteressen und der Egoismus jedes einzelnen weiter im Vordergrund stehen, wird jeglicher Klimaschutz scheitern. Das Umdenken und Handeln verkommt wie das meiste in diesem Lande zur reinen Geschäftsmacherei. Die Natur sendet auch hier mit lokalen Unwettern deutliche Zeichen, dass es so nicht weiter gehen kann. Aber solange ein lokales Autounternehmen, dessen Marke tief in die Abgasschweinereien verstrickt ist, in Zeiten des langsamen Aufwachens Werbung für einen PS-starken und die Umwelt versauenden SUV macht und mit Sonderrabatten für dessen Verkauf wirbt, bleiben alle Lippenbekenntnisse nur ein Hohn. Wacht endlich auf, es ist schon einiges nach 12!

  8. Wenn man schon mit Statistiken kommt, dann doch bitte mit richtigen. Einfach nur die Anzahl der Führerscheine ohne Relation zur Bevölkerung zu nennen – soll das seriöser Journalismus sein?

    Bereinigt um die Bevölkerung sind es in Hamburg ca. 1 neuer Führerschein auf 100 Einwohner, in Hessen 1,2 und Baden-Württemberg 1,3. Bedenkt man, dass Hamburg ein Stadt-Staat mit durchgehendem ÖPNV ist, finde ich, fahren die Hamburger immer noch verdummt gerne Auto. Rechnet man es in Autos pro km vorhandener Straße um, liegt Hamburg ganz weit vorne.

    Ich habe noch eine andere Erklärung: Auf dem Land sind die Leute seit je her etwas konservativer und laufen nicht jedem neuen Trend nach. Die ältere Generation ist da nicht aufgeschlossener, sondern freut sich eher, dass noch ein paar junge Menschen hier wohnen und mal auf die Straße gehen. Würden sie auch okay finden, wenn freitags für mehr Arbeitsplätze im Vogelsberg oder längere Öffnungszeiten beim Frisör demonstriert würde.

  9. Wenn ich schreiben könnte hätte ich es so gesagt. Der Artikel trifft das was ich denkt.

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