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Zum Weltblutspendetag an diesem Donnerstag„Es geht schnell und man kann Menschenleben retten“

ALTENBURG (akr). Ein schwerer Unfall, eine Krankheit oder eine Operation: Immer wieder gibt es Situationen, in denen Menschen um zu Überleben auf das Blut eines anderen angewiesen sind. Damit überhaupt genügend zur Verfügung steht, gehen viele Menschen zum Blutspenden. Ein Nachmittag beim Blutspenden im Dorfgemeinschaftshaus in Altenburg.

Ein älterer Mann mit beige-gelber Jacke und blauer Jeans steht an der Anmeldung. Er wird nach seinem Personalausweis gefragt und zeigt ihn vor. Danach holt er ein weiteres Kärtchen aus seinem braunen Leder-Geldbeutel und gibt es dem jungen Mann am Laptop. Der scannt es ein, verschafft sich einen Überblick und druckt ein weißes Papier aus, auf dem sich kleine Klebekärtchen befinden. „Alles klar“, sagt er, während die andere Mitarbeiterin dem älteren Mann ein paar Papiere in die Hand gibt.

Er nimmt sie dankend entgegen. Mit den Zetteln in der Hand macht er sich auf den Weg in den großen, hellen Raum am Ende des Flurs. Dort findet das statt, weshalb er hier ist: Er möchte Blut spenden. Die erste von sieben Stationen hat er hinter sich.

Der Mann ist Mehrfachspender. Das erkennt man daran, dass er die Informationsbroschüren an der Anmeldung nicht durchlesen musste. Erstspender sind verpflichtet, sich vor der Spende zu informieren. Erstspender erkennt man auch daran, dass sie noch keinen Blutspendeausweis besitzen, den bekommt man nämlich erst nach seiner ersten Spende zugeschickt. Auf dem Ausweis sind dann alle relevanten Daten gespeichert: Von der Blutgruppe über den Rhesusfaktor, also die vererbbaren Eigenschaften der roten Blutkörperchen, bis hin zur Spendernummer.

Alle 56 Tage darf gespendet werden

Fünf Mal im Jahr richtet die Bereitschaft des DRK Alsfeld Blutspenden aus, wo der Blutspendedienst vom DRK Baden-Württemberg-Hessen für das Blutabnehmen und die Blutauswertung zuständig ist. Die Bereitschaft übernehme hingegen die Organisation, kümmere sich um die Werbung, die Lokalität und das Essen. Seit 2018 findet das Blutspenden im Dorfgemeinschaftshaus in Altenburg statt. „Alle 56 Tage darf man spenden – Männer sechs Mal im Jahr, Frauen vier“, erklärt der Bereitschaftsleiter des DRK Alsfeld Martin Gonder. Jeder gesunde Mensch zwischen 18 und 73 Jahren dürfe spenden.

Direkt auf der rechten Seite des großen, lichtdurchfluteten Raumes mit hellem Laminatboden stehen drei Tische mit jeweils vier Stühlen. Station 2. Hier sitzen gerade zwei Männer mittleren Alters und füllen den Fragebogen aus, den sie an der Anmeldung erhalten haben. Er dient als Vorbereitung für das folgende Arztgespräch. Viel kann man nicht sehen, die roten Trennwände auf den Tischen sorgen dafür. Es herrscht Diskretion, wie bei fast allen Stationen, denn auf diesem Bogen müssen sehr persönliche Fragen beantwortet werden: Haben Sie schon einmal Drogen gespritzt oder geschnupft? Waren sie innerhalb der letzten vier Monate in Haft?

Ist der Bogen ausgefüllt, geht es weiter zu Station 3. Hier sitzt gerade der Laborant J. Mogge, der seinen vollen Namen lieber nicht im Artikel lesen möchte. Er misst den Blutdruck eines potenziellen Spenders. Hier wird aber nicht nur der Puls und Blutdruck kontrolliert, sondern auch der Hämoglobin-Wert, kurz HB-Wert, gemessen. Das Hämoglobin ist der wichtigste Bestandteil der roten Blutkörperchen. Sie versorgen alle Körperzellen mit lebenswichtigen Sauerstoff und entfernen auf dem Rückweg zur Lunge Kohlendioxid als Stoffwechselendprodukt. Im Hämoglobin ist Eisen enthalten, das den Sauerstoff bindet.

An Station 3 wird unter anderem der Blutdruck gemessen.

Etwa fünf bis sieben Liter Blut hat ein Mensch im Körper. Bei einer Blutspende wird ein halber Liter Blut entnommen. Dabei geht Eisen verloren, das für den Neuaufbau von Hämoglobin wichtig ist. Wenn der Hämoglobinwert eines Spenders zu niedrig ist, hat er keine ausreichenden Eisenreserven für die Neubildung und darf nicht spenden. Deshalb wird an Station 3, dem Labor, der Wert überprüft. Dazu genügt ein kleiner Pieks in den Finger.

„Was die meisten nicht wissen ist, dass das meiste Blut nicht an Unfallopfer geht, sondern an Krebspatienten“J. Mogge

Sind alle Werte in Ordnung – also weder zu hoch noch zu niedrig – darf der Spender zur nächsten Station, dem Arztgespräch. Station 4. Hier findet der medizinische Check statt, der Fragebogen wird besprochen. Dabei ist es wichtig, dass die Menschen ehrliche Angaben machen. „Was die meisten nicht wissen ist, dass das meiste Blut nicht an Unfallopfer geht, sondern an Krebspatienten. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die Menschen ehrlich sind, weil man nicht alles prüfen kann und das Blut nach der Entnahme nur vier Wochen haltbar ist“, erklärt Mogge ein wenig später.

Spendetauglichkeit überprüfen

„Ich überprüfe, beziehungsweise beurteile, die Spendetauglichkeit“, erklärt die Ärztin mit leicht angegrautem Haar an Station 4. Ihren Namen möchte sie nicht nennen. Sie prüft die gesundheitliche Verfassung des Spenders, in Hinblick auf eine eigene Gefährdung sowie eine mögliche Gefährdung des Empfängers. Sie stellt eine Reihe von Fragen zu den Antworten des Fragebogens. Vor jeder Spende muss nämlich der aktuelle Gesundheitszustand und mögliche Infektionsrisiken abgeklärt werden, betont die Ärztin. Bei der Frau mit langen blonden Haaren im floralgemustertem Kleid scheint alles in Ordnung sein, denn sie steht auf, bedient sich an dem Getränketisch in der Mitte des Raumes und macht sich dann weiter auf den Weg zu Station 5, der Blutentnahme.

Auch bei dieser Station herrscht Diskretion. Eigentlich wie bei allen. Weiße Trennwände sorgen auch hier für Privatsphäre. „Es sind zwar nicht die schönsten, aber sie erfüllen ihren Zweck“, lacht Gonder. Vier von den acht blauen Liegen sind besetzt. Zwei Frauen und zwei Männer spenden gerade Blut. Sie haben einen Stauschlauch am Arm, damit die Venen besser getroffen werden können. Fünf bis zehn Minuten dauert die Prozedur. Dank der digitalen Mengenangabe können die Mitarbeiter genau sehen, wieviel Blut bereits entnommen wurde.

„Blut wird immer gebraucht“

Sechs Mitarbeiter sind an diesem Tag da, um Blut abzunehmen. Eine von ihnen ist Christine Schuster, Krankenschwester und Teamleitung vor Ort. Seit 20 Jahren ist sie beim DRK Blutspendedienst Baden-Württemberg-Hessen tätig. Sie freut sich, dass bereits zur frühen Stunde viele Menschen gekommen sind. „Blut wird immer gebraucht, gerade im Sommer gibt es vermehrt Unfälle“, erklärt sie. Viele der Anwesenden im Dorfgemeinschaftshaus wollen nicht über das Blutspenden reden. Doch die, die erzählen möchten wieso sie Blut spenden sind sich einig: Es sei einfach wichtig.

Entspannt liegt der Herr auf der Liege, während ihm Blut abgenommen wird.

Dieser Meinung ist auch ein Mann im schwarzen T-Shirt, der gerade auf einer der blauen Liegen liegt. Auch er möchte seinen Namen nicht nennen. „Ich spende Blut, weil ich es für mich mache und weil es wichtig ist. Jeder braucht irgendwann mal Blut. Es geht schnell und man kann Menschenleben retten“, sagt er. Die digitale Anzeige der gespendeten Blutmenge zeigt bei ihm gerade 111 Milliliter an.

Am Eingang auf der linken Seite befindet sich die vorletzte Station, der Ruhebereich mit Liege- und Sitzmöglichkeiten. Ein älterer Herr mit grün-kariertem Hemd gibt gerade seinen Laufzettel ab. Ab jetzt beginnen seine zehn Minuten Ruhezeit, damit er sich von der Blutspende erholen kann. Einer, der seinen Zettel schon abgegeben hat, ist Helmut Wenzel. Gerade sitzt er auf einem Stuhl. Den Rücken an die dunkelbraune Wand gelehnt.

Helmut Wenzel hat bereits Blut gespendet. An Station 6 wird sich erst mal ausgeruht.

Wenzel hat schon gespendet. Jetzt ruht er sich aus. Zehn Minuten sind Pflicht, das wird auf dem Laufzettel dokumentiert. „Beim Blutspenden schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Einmal für den guten Zweck und einmal für die eigene Gesundheit, denn dadurch wird neues Blut produziert, was gut für meinen Bluthochdruck ist“, erklärt Helmut Wenzel mit einem Lächeln im Gesicht. Viel Ruhezeit bleibt ihm nicht mehr.

Für die letzte Station, die allerdings keine Pflicht ist, sondern ein Dankeschön an die Spender, muss man die kleine Treppe am Eingang des DGHs, gleich neben Station 1, hochgehen: Station 7, die Essensausgabe.

Als Dankeschön erwartet die Spender eine warme Mahlzeit.

Hier sitzen zwei Männer, die gerade ihr Essen gebracht bekommen haben. Es gibt Kassler und Sauerkraut. Einer von ihnen ist Helmut Wenzel, der gerade noch im Ruhebereich saß. Auch der andere Herr ist kein Unbekannter – der Mann mit der gelb-beigen Jacke von der Anmeldung. Beide nehmen das kostenlose Essen gerne an. „Die Spender, die nicht hier essen möchten, können es sich auch gerne mit nach Hause nehmen“, sagt Martin Gonder. Mittlerweile ist es 17 Uhr. Bereits 41 Menschen haben in den anderthalb Stunden Blut gespendet, bis 20 Uhr werden noch etwa 60 weitere Spende erwartet.

Martin Gonder, Bereitschaftsleiter des DRK Alsfeld.

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