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„5000 Euro könnten wir gut gebrauchen“: Gedenkstätte Speier Angenrod e.V. für Hessischen Ehrenamtspreis 2017 nominiertSpeier Haus als Sinnbild für bunten Vogelsberg

ANGENROD (ls). Fast ein Viertel der ganzen Dorfbevölkerung macht die jüdische Gemeinde in Angenrod um 1900 aus. Zum Beginn der NS-Zeit verblieben dort von den ehemals 60 nur noch sieben, die im „Ghetto-Haus Speier“ lebten, bevor sie von der SS deportiert wurden. Heute gibt es keine mehr – aber das Haus steht weiterhin. Genau das wird vom eigens dafür gegründeten Verein Gedenkstätte Speier Angenrod e.V. restauriert und wurde sogar für den Hessischen Ehrenamtspreis 2017 der Denkmalpflege nominiert. An diesem Mittwochnachmittag war die Jury zur Bewertung vor Ort um das Haus Speier zu inspizieren.

Viele Jahre stand das Haus Speier in Angenrod leer. Zusehends war es dem Verfall preisgegeben – das einzige, heute noch stehende und von Anfang an jüdische und in jüdischem Besitz stehende Haus an der Leuseler Straße in Angenrod. Das so genannte „Ghetto Haus“. Warum „Ghetto Haus“? In dem Haus mussten die letzten verbliebenen sieben jüdischen Bürger von Angenrod monatelang in einem Ghetto-Dasein verharren, bevor sie von der SS in Gaskammern und Todeslager deportiert wurden. Besonders aus diesem Grund, ist es auch heute noch um so wichtiger dieses historische Denkmal unbedingt zu erhalten. Darum kümmert sich seit Jahren der Trägerverein Gedenkstätte Speier – und bis dahin war es kein einfacher Weg.

Angestoßen durch den Tod eines Mannes in New York

Rückblick: Angefangen hatte das Projekt vor etwa acht Jahren mit dem Tod eines alten Herren in New York – Ludwig Speier. Er war der einzige Sohn von Leopold und Johanna Speier, die mit seinen Geschwistern Willi und Liselotte 1944 in Ausschwitz ermordet wurden. Dabei stellte sich heraus, dass sein Elternhaus im Grundbuch auf den namen von Isaak und Betty Speier eingetragen war, die allerdings schon in den 1920er Jahren verstorben waren. „Das Haus gehörte als einer Erbengemeinschaft von Holocaust-Opfern, sah in etwa so einladend aus wie das Hotel aus dem Film Psycho und war ein Schandmal des Dorfes“, erklärte Joachim Legatis, der Vorsitzende des Vereins.

Vorsitzender Joachim Legatis und der Juryvorsitzende Dr. Markus Harzenetter, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen. Fotos: ls

„Daraus ein Denkmal zu machen, war ein längerer Weg. Im Ortsbeirat und im Magistrat der Stadt gab es damals komplette Ablehnung, als wir vom Förderverein jüdischer Geschichte anfragten, ob man nicht gemeinsam öffentliche Mittel einwerben solle, um das Gebäude zu sanieren“, erinnert sich Legatis zurück. In einer Versammlung wurden er und eine Mitarbeiterin der Stadt sogar niedergebrüllt. Auch seitens des Landrates und des evangelischen Dekanates stieß man auf Ablehnung. Keiner wollte die Idee unterstützen diese „Bruchbude, die noch nicht mal jemanden gehört“ zu erhalten – nicht mal des Denkmals halber.

Anfängliche Ablehnung stark zurück gegangen

Seit dem hat sich allerdings einiges getan: Der Trägerverein wurde gegründet, zusammen mit dem Landesamt für Denkmalpflege und dem Kreisbauamt wurde das Dach und auch zwei Fassaden instand gesetzt, sodass der völlige Verfall erst einmal getoppt wurde. Aktuell wird die Wetterseite des Hauses hergerichtet: „Zwei Container Schutt haben wir schon aus dem haus geholt“, so Legatis – und noch viel mehr liegt aktuell noch davor. Zusammen mit dem Architekten Michael Ruhl, dem Leiter des Baus Konrad Rüssel, der für die Organisation zuständig ist, den zwei afghanischen Asylbewerbern als Mitarbeiter, Ansgar Brockmann, dem Bezirkskonservator der Denkmalpflege, Bernhard Hoffmann vom Kreisbauamt, sei man sogar weiter als gedacht bisher.

Eine große Runde an Jurymitgliedern war gekommen um das Haus zu sichten. Im Anschluss gaben sie ihre Bewertung ab.

Und gebracht hat es auch schon etwas: Mittlerweile sei die anfängliche Ablehnung deutlich zurück gegangen. „Je schöner der ehemalige Unort aussieht, desto größer ist die Akzeptanz und gleichzeitig erreichen wir nicht nur ein Stück Geschichte zu erhalten, sondern auch das Unbehagen gegenüber dem Jüdischen schwinden zu lassen“, so Legatis.

Bunter Vogelsberg schon lange bevor das Speier Haus den Begriff prägte

Das Ziel war schon immer klar: Die Geschichte begreifen und aus ihr für die Gegenwart lernen. „Die Frage ist doch: Wie geht man heute mit Vorurteilen um? Wie geht man heute mit Anders-Seienden um? Das Speier Haus ist der ideale Lernort dafür“, erklärt der Vorsitzende. Man wolle einen Ort schaffen, der an das schwierige Zusammenleben verschiedener Kulturen erinnert. Ein Ort zum Begreifen der Geschichte mit Phasen des Zusammenlebens, der Ablehnung und der Vernichtung. „Wir können daraus lernen und dafür brauchen wir das Haus“, erklärte Legatis entschlossen und weiter: „Vieles was heute passiert, gab es früher schon einmal“.

So ähnlich soll es einmal aussehen. Der Vorsitzende des Vereins, Joachim Legatis, zeigt im Vorfeld die Pläne.

Aktuell soll aus dem Speier Haus ein begehbares Denkmal entstehen, doch falls die nötigen Mittel dafür bereitgestellt werden können, wünsche man sich einen Seminarraum, in dem unterschiedliche Gruppen unterschiedlicher Kulturen und Geschichtsinteressierte zusammenkommen und sich austauschen können. Interaktive Ausstellungen, eine Webseite zum Stöbern und Entdecken und auch Rundgänge durch das Dorf sollen die Grundlage für ein friedlichen und vor allem bunten Vogelsberg sein – und das wahrlich am richtigen Ort: „Das Speier Haus zeigt, es gab den bunten Vogelsberg schon lange bevor wir diesen Begriff geprägt haben“, so Legatis abschließend, bevor die versammelten Jury-Mitglieder des Ehrenamtspreises das Haus unter die Lupe nahmen.

Bleibt zu hoffen, dass das Speier Haus den Ehrenamtspreis 2017 bekommt – verdient hätte der Vereins es allemal.

Viele Eindrücke aus dem Speier Haus an diesem Tag:

Hintergrund zum Hessischen Ehrenamtspreis:
Der Hessische Denkmalschutzpreis wird jährlich durch das Land Hessen vergeben und ist mit insgesamt 25 000 € dotiert. Die Lotterie Treuhandgesellschaft mbH Hessen stiftet 20 000 Euro. Zum ersten Mal wird im Rahmen des Hessischen Denkmalschutzpreises auch der Ehrenamtspreis verliehen, der das gemeinschaftliche Engagement bei der Sanierung eines Kulturdenkmals in den Vordergrund stellt. Er ist mit 5 000 € dotiert und wird von der Hessischen Staatskanzlei gestiftet.

Das Speier Haus und die Gedenkstätte Speier Angenrod e.V. sind dabei bereits in der zweiten Runde. Die Preisträger erhalten eine Urkunde. Geldpreise werden nur an private Eigentümer oder bürgerschaftliche Initiativen verliehen.

Für den Hessischen Denkmalschutzpreis sind insgesamt 50 Bewerbungen eingegangen. Über die Anzahl und Art der Preise entscheidet eine Jury am Ende der Bereisung.

Vorgeschlagen würde der Verein im Übrigen von Ansgar Brockmann dem Bezirkskonservator der Denkmalpflege.

16 Gedanken zu “Speier Haus als Sinnbild für bunten Vogelsberg

  1. Wie ich an den Beispielen hier sehe, wird mit gutem Grund immer wieder auf die kollektive Schuld bei dem Völkermord erinnert! Ansonsten hätten wir wohl schon 1950 wieder eine 1939er Mentalität gehabt. War doch alles nicht so schlimm? Ja, hätten wir Deutsche den Krieg gewonnen, würde wohl kaum noch einer (die übrigen Juden würden nur wohl nur noch wie Sinti&Roma verstreut auftauchen) auf dem Völkermord rumreiten. Siehe USA, China, Russland, Türkei, Frankreich, England, etc. Im übrigen zahlt beispielsweise Amerika oder Australien immer noch an die Ureinwohner, auch Japan hat die Rolle im 2. Weltkrieg nicht vergessen und erinnert an die Verbrechen an den Koreanern / Chinesen. Haben die Nationalisten dort auch nicht gern. Ich weiß wir National-Patrioten wollen uns und Deutschland gerne als Helden mit weißer Weste sehen, doch die Vergangenheit beinhaltet Fehler, die nie wieder gemacht werden dürfen. Deswegen die permanten Erinnerungen. Der Mensch vergisst leider sehr leicht.

  2. Alfred Grosser, deutsch-französischer Publizist jüdischer Herkunft

    Der Finger von außen zeigt noch immer auf die Deutschen schlechthin. Und innen sprechen auch noch allzu viele Deutsche, als hätten sie eine kollektive Schuld mitzutragen, so dass alles, was sich der Verallgemeinerung widersetzt, als störend empfunden wird!

    So und nicht anders ist es!

  3. Kein Franzose, kein Türke, kein Amerikaner, kein Jugoslawe, kein Israeli, keine Kirche, kein….kriecht zu Kreuze so wie ein Germane. Und alle haben Blut an Ihren Händen, und das nicht zu knapp. Es reicht völlig aus wenn das in den Geschichtsbücher steht, das ist alles keine Frage von verleugnen oder von vergessen. Nur die heutigen Generationen haben damit nichts zu tun und sollten nicht ständig zur Verantwortung gezogen werden. Ich möchte diese und meine Meinung frei äußern dürfen ohne dafür in irgendwelche Ecken gestellt zu werden. Das was Ihr da alle treibt ist Diktatur.

  4. „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ Jorge Augustín Nicolás Ruiz de Santayana

  5. @33’er: Sie beschimpfen einige hier als Rassisten und Antisemiten. Ich dachte eigentlich, dass wir hier in einer Demokratie leben, wo Meinungsfreiheit gegeben ist. Dass dies leider schon lange nicht mehr so ist, erlebt man tagtäglich in den öffentlich-rechtlichen Propagandamedien und nun fordern sie das gleiche auch hier.
    Es kommt mir von Tag zu Tag mehr der Verdacht, dass wir Schritt für Schritt in eine Art Diktatur schlittern. Andersdenkende werden denunziert, ausgegrenzt und beleidigt. Traurig, was aus diesem Land wird. Willkommen in der DDR 2.0 oder im 3.Reich 2.0.

  6. 33er ich bin weder Antisemit noch Rasisst,aber in diese Ecke wird man halt gesteckt wenn man sich traut in Deutschland die Wahrheit zu sagen. Was treibt den Israel mit den Palästinensern? Wenn sie das für gut heißen,dann fehlt mir jegliches Verständnis.warum muss man über 70 Jahre nach dem Krieg immer noch zu kreuze kriechen? Meine Generation und die heutige hat damit nichts zu tun. Das man das nicht vergessen sollte ist jedem klar,aber irgendwann muss auch mal Schluss sein mit dem ewigen anbiedern.

  7. Ob man den „Deutschen“ auch irgendwann in ferner Zukunft auch mal ein Denkmal setzt für ihre Willkommenskultur? Meiner Meinung reicht es doch so langsam, wir lassen uns in Verantwortung ziehen für Ereignisse die wir nicht verursacht haben, weil die meisten von uns nach dieser Zeit geboren wurden. Kein Volk dieser Welt läßt sich so erpressen wie wir Deutsche. Es werden noch unzählige Generationen nach uns dafür büßen (zahlen) müssen, wenn diese Heuchelei nicht endlich aufhört. Die finanziellen Mittel für solche „Gedenkstätten“ wären auf vielen verschiedenen Ebenen sinnvoller einzusetzten.

  8. Wieder einmal können sich die Rassisten und Antisemiten hier nach Herzenslust austoben. Das diese Spinner ungestört eine Plattform bekommen ist schon weit jenseits von PC. Was läuft bei Euch Moderatoren eigentlich falsch? Dürft Ihr nicht einschreiten (Chef-Order)?

  9. …Juden pflegen in der heutigen Generation auch keine bessere Kultur mit Ihren Nachbarstaaten und mit unserem neuen Außenminister, oder…?
    Ich brauche keine schrottiges Haus und ein schlechtes Gewissen habe ich in meinem Alter auch nicht.

  10. Leider wird die Jugend ja so erzogen. Wir würden noch in 100 Jahren dafür büßen und bezahlen. Zum „Glück“ gibt es dann durch die
    jetzige Politik keine Deutschen mehr. Vielleicht werden dann Häuser zu Museen umgestaltet wo geschrieben steht: „Hier wohnten mal die letzten Deutschen von Angenrod.“

  11. @Thomas Scheinder
    Sie haben absolut recht mit dem was Sie hier zu diesem Thema schreiben, ich stimme Ihnen in jedem Punkt zu!

  12. Da fühlst sich wohl jemand auf die Füße getreten! Irgendwann muss mal Schluss sein mit dem ewigen zu kreuze kriechen bei den Juden. Das juckt die heutige Generation kein bisschen mehr.

  13. „Das Speier Haus ist der ideale Lernort dafür.“
    Bitte Herrn Schneider hinschicken! Da kann er noch was lernen!
    Anstatt hier zu jedem x-beliebigen Thema einen Kommentar abzugeben nach dem Motto Herr Lehrer ich weiß was.

  14. Für mich ist es eine absolute Lachnummer,das in eine Bruchbude die Jahrzehntelang sich selbst überlassen wurde soviel Geld gesteckt wird. Völlig egal was für eine Geschichte das Haus hat. Wenn man das vor 20 Jahren gemacht hätte,würde ich es noch verstehen. Nur weil es eine jüdische Geschichte hat,muss man ein Abbruchreifes Haus nicht retten. Mich würde mal interessieren Wieviel Steuergelder da wieder verschwendet wurden.

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