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Debatte um Böhmermann: Nachgefragt im Vogelsberg - Stimmen Sie ab!Was denkt die Jugend über das „Erdoğan-Gedicht“?

ALSFELD (ls). Jan Böhmermann spaltet die Republik. War das Gedicht des ZDF-Moderators nun Satire oder doch eher Beleidigung? Im Netz und auf der Straße wird heftig diskutiert. Was denken eigentlich junge Deutsch-Türken und Deutsche aus dem Vogelsberg darüber? Wir haben nachgefragt. 

Oberhessen-live war rund um Alsfeld unterwegs und hat Menschen mit türkischer Abstammung sowie einige junge Deutsche nach ihrer Meinung gefragt. Das Thema scheint für viele sehr heikel zu sein. Fotografien lassen wollte sich leider niemand, manche äußerten sich nur nach dem Versprechen, mit einem anderen Namen erscheinen zu können.

Adem Maden, Vorsitzender der muslimischen Gemeinde in Alsfeld, ist bei diesem Thema vorsichtiger als die im Folgenden deutlich jüngeren Befragten.

„Ich denke, dass man das nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Er beleidigt hier nicht nur den türkischen Präsidenten, sondern auch indirekt die türkische Bevölkerung – Meinungsfreiheit hin oder her. Da kommen Sachen vor, die alle Türken betreffen und das kann man schon als Türkenfeindlichkeit betiteln und sich als Türke selbst beleidigt fühlen. Das trägt absolut nichts zu der Freundschaft zwischen der Türkei und Deutschland bei. Dabei werden 30 Jahre Arbeit an einer guten deutsch-türkischen Beziehung in Frage gestellt. Andere Sachen treten dabei zum Vorschein, die nicht sein müssen.

"Das ist eine Beleidigung der türkischen Bevölkerung" sagt Adem Maden, Vorsitzender der muslimischen Gemeinde in Alsfeld.

„Das ist eine Beleidigung der türkischen Bevölkerung“ sagt Adem Maden, Vorsitzender der muslimischen Gemeinde in Alsfeld.

Bei der deutsch-türkischen Jugend erzeugt das Hass und sie lassen sich schnell beeinflussen, das bringt uns nichts. Auch die deutsche Jugend kann dabei von falschen Sachen angestachelt werden. Das ist nicht Sinn der Sache. Man sollte sich da nicht reinhängen, sondern vernünftig miteinander sprechen und dabei nötige Fragen lösen. Böhmermann verletzt hier einige Werte der türkischen Bevölkerung und das ist nicht fair. Man darf gerne etwas kritisieren aber das geht einfach zu weit. Da werden Sachen gesagt, die stimmen einfach nicht. Letztendlich entscheidet jetzt aber der Richter darüber.“

Tolga ist 22 Jahre alt. Er empfindet das Gedicht als bewusste Provokation, was für ihn nicht in Ordnung ist.

„Von bewusster Provokation halte ich nicht viel. Natürlich hat jeder das Recht seine eigene Meinung zu vertreten aber in diesem Fall ist es schon etwas beleidigend. Erdoğan werden dabei Sachen unterstellt und mit Bildern verdeutlicht, die so einfach nicht stimmen. Das ist dann nicht mehr nur einfache Übertreibung. Erdoğans Reaktion darauf ist einerseits zwar verständlich aber andererseits auch unnötig, denn dadurch wird Böhmermann nur wichtiger dargestellt als er eigentlich ist. Wenn man sich mal alle Fakten anschaut, ist es allerdings auch verständlich. Ich denke allerdings nicht, dass ein Satiriker die Beziehung zwischen der Türkei und Deutschland gefährden kann.“

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Christoph ist 26 Jahre alt und findet die bewusste Provokation Böhmermanns ist ihm gut gelungen. (Name und Alter durch die Redaktion geändert)

„Man muss das Gedicht im Kontext der gesamten Sendung betrachten. Vor dem Gedicht sagt er dem Sinn nach: „Das, was jetzt folgt wäre schon keine Satire mehr, sondern bereits strafbar“. Er will damit provozieren und das ist ihm auch sehr gut gelungen. Über die Wortwahl kann man sich streiten aber die künstlerische Freiheit ist in Deutschland nun mal ein hohes Gut. Dass sich Türken in Deutschland davon angegriffen fühlen denke ich nicht, schließlich zieht er nicht über alle Türken, sondern nur über Erdoğan her. Wir fühlen uns ja auch nicht beleidigt wenn Frau Merkel im Ausland als der neue Hitler tituliert wird oder? Die Beziehung zwischen den Staaten sollte davon unberührt bleiben. Die Flüchtlingspolitik beispielsweise darf und wird durch so was nicht verletzt werden. Von Politikern muss man erwarten können, dass sie das voneinander trennen können. Erdoğan hat, meines Wissens nach, aktuell um die 2000 Anzeigen gegen Artikel und Berichte der gleichen Art gestellt. Was er damit bezwecken möchte, vermag ich nicht zu beurteilen aber ich denke man kann von einem ausgeprägten Narzissmus und Ego-Problem sprechen.“

Erkan ist 29 Jahre alt findet, dass eine Satire kritisch und nicht beleidigend sein sollte.

„Ich finde das Gedicht von Böhmermann absolut nicht lustig. Meiner Meinung nach sollte Satire kritisch sein und nicht beleidigend. Ich fühle mich aber dennoch nicht davon persönlich angegriffen. Dass Erdoğan jetzt rechtlich gegen Böhmermann vorgeht finde ich gut – er hat das Recht dazu. In Deutschland gibt es ein Gesetz, dass ausländische Staatsoberhäupter nicht so angegriffen werden dürfen, also darf er sich so wehren. Das Gedicht sollte allerdings nicht die politische Beziehung kaputt machen.“

Patrick ist 24 Jahre alt und findet, dass Böhmermann provokant und plakativ ist. (Name und Alter wurde durch die Redaktion geändert)

„Das Gedicht ist provokant, plakativ und populistisch und in dieser Form im medialen Kontext mit seiner beleidigenden und mit vorurteilenden Haltung nicht neu. In Deutschland ist es in dieser Ausprägung allerdings etwas Neues und vorher in dieser Form nicht dagewesen. Aufgrund der Vereinbarungen zwischen der EU und der Türkei, betreffend der Flüchtlingsrücknahme und dem Thema des möglichen EU-Beitritts der Türkei, ist die juristische Reaktion Erdoğans sicherlich als ein Abwägen des Machteinflusses seinerseits auf die deutsche Politik zu verstehen. Türkische Mitbürger können sich allerdings sicherlich angegriffen fühlen. Er sagt zwar nicht „alle Türken“ und beschränkt es auf Erdoğan aber dabei sind bekannte Vorurteile, die andere auch auf sich übertragen werden – es meiner Meinung nach allerdings nicht sollten.“

Tuğçe ist 19 Jahre alt und findet, dass Böhmermann den Bogen überspannt hat.

„Ich bin für die Presse- und Meinungsfreiheit und somit so gegen ziemlich alles was Erdoğan in der Türkei veranstaltet. Ich bin also kein Fan von Erdoğan. Nichtsdestotrotz finde ich, dass Böhmermann den Bogen etwas überspannt hat und zu weit gegangen ist – in der Hoffnung sich einen größeren Namen zu machen und Aufmerksamkeit für seine Sendung zu erzeugen. Nach dem „Gedicht“ über Erdoğan hat er die Chance ergriffen und sich daraus einen Nutzen gemacht. Ich persönlich fühle mich dadurch allerdings nicht angegriffen, eher finde ich es etwas amüsant, vor allem weil daraus so ein Drama gemacht wird und er sich etwas in innerdeutsche Angelegenheiten einmischt. Er treibt Merkel in die Ecke und die ganze Welt macht sich über Merkel lustig, weil sie sich so von Erdoğan beeinflussen oder gar erpressen lässt. Eine Gefährdung für die deutsch-türkische Beziehung sehe ich allerdings nicht, da Frau Merkel momentan sowieso auf Kuschel-Kurs ist – also keinerlei Gefahr. Einerseits finde ich es wie gesagt amüsant, aber dennoch viel zu übertrieben. Es wird überall davon gesprochen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und dann verspottet man einen Menschen in so einem Ausmaß – das ist nicht richtig.“

Arslan ist 22 Jahre alt (Name und Alter vond der Redaktion geändert) und denkt eine Strafanzeige für Böhmermann sei übertrieben.

„Es stimmt, dass in Deutschland die Meinungs- und Pressefreiheit im Grundgesetz verankert ist und somit eines unserer höchsten Güter ist. Ich schätze das sehr und bin unheimlich froh darüber das in der Bundesrepublik Deutschland ausleben zu können – vor allem auch was meinen Glauben betrifft. Im Widerspruch dazu steht allerdings die Würde des Menschen, die laut Artikel 1 im Grundgesetzbuch unantastbar ist. Fraglich ist hierbei also schon ob die Satire von Jan Böhmermann die Würde von Recep Erdoğan angegriffen hat?! Ferner sollte man beachten, dass die Meinungsfreiheit in Böhmermanns Äußerungen erst zu begründen ist wenn geklärt ist, ob dessen Satire überhaupt unter den Begriff der „Meinung“ fällt. Die darunter zu sublimieren ist für mich ein weiteres Problem. Ich selbst fühle mich dadurch weder angegriffen noch beleidigt. Erdoğans Reaktion ist für mich nachvollziehbar. Es ist sein gutes Recht darauf zu reagieren und schließlich auch zu agieren. Eine Strafanzeige finde ich zu übertrieben. Ein geringeres Ausmaß für das Handeln des Herrn Böhmermann würde meiner Meinung nach ausreichen.“

Thomas, 28 Jahre alt, empfindet das Gedicht als geschmacklos und beleidigend gegenüber der türkischen Bevölkerung. (Name durch die Redaktion geändert)

„Ich finde das Gedicht ist auf einem sehr niedrigen Niveau und das gehört sich einfach nicht. Ich selbst bin ein großer Fan von Satire und Übertreibungen aber denke trotzdem man hätte auch eine geschmackvollere Antwort auf die Einbestellung des Botschafters veröffentlichen können. Ich werte dumpfe Beleidigungen als unreif und sinnlos. Ich kann mir schon vorstellen, dass sich einige Deutsch-Türken ärgern. Man hat schließlich eine Verbundenheit zu dem Land und selbst wenn man sich nicht mit Erdoğan identifizieren kann, so ärgert man sich dennoch über solche Worte über sein Heimatland bzw. den Präsidenten. Selbst dann, wenn es nur ein gewisser Scham ist! Ich denke allerdings auch, dass der türkische Präsident hier nicht kritikfähig ist und hat nun mit der Flüchtlingswelle versucht seinen Einfluss auf die deutschen Medien auszuweiten. Dass es der deutsch-türkischen Beziehung kurzfristig geschadet hat, denke ich schon, wobei ich auch sehr viele Personen in der Türkei kenne, die sich über solche Reize freuen und sich öffentliche Diskussionen und Debatten wünschen.“

Mehmet ist 21 Jahre alt. Er findet das Gedicht amüsant und lustig. (Name und Alter wurde durch die Redaktion geändert)

„Ich finde das Gedicht amüsant und lustig. Das einzige das mir an dem Gedicht nicht gefallen hat war die Kürze. Es hätte ruhig noch länger sein können. Durch das Gedicht fühle ich mich nicht angegriffen. Es hat nichts mit mir zu tun – es ist ausschließlich eine Satire, die der Belustigung dient. Bei mir kam sie gut an und ich denke, dass ich nicht der einzige bin, der darüber lachen konnte. Natürlich reagiert Erdoğan darauf. Ein Diktator lässt sowas nicht auf sich sitzen, das bereitet ihm sicherlich schlaflose Nächte. Was haben Sie erwartet? Was in einem anderen Land über ihn gesagt bzw. gedacht wird dürfte ihn normalerweise nicht zu interessieren haben. Sicherlich werden viele Erdoğan-Anhänger nicht erfreut sein über das Gedicht und sind mit Sicherheit verärgert darüber. Öffentlich bekennt sich in Alsfeld keiner dazu daher kann ich nichts genaueres dazu sagen, aber in den eigenen vier Wänden wird es schon den einen oder anderen zur Weißglut getrieben haben.

10 Gedanken zu “Was denkt die Jugend über das „Erdoğan-Gedicht“?

  1. Herr Maden, immer noch in der Öffentlichkeit der Meinung, Erdogan sei kein Diktator?
    Wer die Nachrichten richtig verfolgt hat, sollte jetzt auch wissen, daß die DITIB von Erdogan ausgesuchte Mitarbeiter nach Deutschland entsandt haben und diese Vereinigung fest und geschlossen hinter Erdogan stehen. (Quelle: Heute Journal, ZDF)

  2. Es ist doch entlarvend,warum sich keiner kitisch zu Erdogan,von unseren „Neudeutschen“ zu den Kommentaren äußert. Auch von den Alsfeldern Pateien alles heile Welt. Wie kann sich ein Türke der in Deuschland Schutz sucht in Deutschland beleidigt fühlen. Das muß mir einer erlären.

  3. Peter, das ist doch Unsinn. Schreibe mir doch mal ein Schmähgedicht der übelsten Sorte. Ich versuche dann mal bei Merkel nach 103 Majestätsbeleidigung durch zu bekommen :-). Du verstehst den Unterschied wirklich nicht. Erdogan hat und kann Klage einreichen, wie jeder andere auch. bei 1800 Klagen die er schon verteilt hat, kennt er das . Nur gut das nicht jeder so ist wie Erdogan. Was meinst du wie viele Klagen Deutschland schon von ausländischen Staatoberhäuptern bekommen hätte können, wenn es nach dir geht.Es wäre ein leichtes gewesen dieses Verfahren , seitens der Regierung, abzulehnen. Und alle Welt würde nicht noch mehr über uns lachen als sie es eh schon tun.

  4. Allein die Aussage:Türkische Gemeinde ist schon komisch. Sie leben in Deutschland!! Man könnte sagen eine Gemeinschaft von ehemaligen Türken die jetzt Deutscheland leben und Deutsche sind. Oder ??

  5. Liebe Bürger der Türkische Gemeinde, viele mit Deutscher Staatsbürgerschaft, wenn sie meinen dass Erdoğan ihr Präsident ist, und unsere Werte und wie wir in unserm Land nicht teilen, warum leben sie in Deutschland??

  6. Im Artikel erkennt man das wahre Gesicht. Die Deutschen Werte mittragen gleich Null. Damit meine ich Satire Meinungsfreiheit. Hier geht es gleich um Ehre von allen Türken und nicht nur Erdoğan.Man kann sich fragen. Wo leben sie? Welche Staatsbürgerschaft haben sie? Und natürlich die Frage! Wie sieht die wirkliche Integration der Türkischen Gemeinde aus? Wenn darauf ankommt?

  7. Susanne es ist eine Beleidung und daher ist es absolut folgerichtig das Verfahren zuzulassen. Es sind eben keine verschiedenen Schuhe. Gerade weil wir in einem Rechtsstaat leben darf es nicht davon abhängig sein wen ich beleidige sondern ob und wie ich wen beleidige.

  8. Peter, hier geht es um etwas anderes. Erdogan kann,wie jeder andere eine Anzeige wegen Beleidigung stellen, was er ja auch schon getan hat.Die Zustimmung der Regierung ein Strafverfahren nach 103 zu zu lassen ist etwas ganz anderes. Ich halte es für einen weiteren fatalen Fehler der Regierung der nicht nötig gewesen wäre.

  9. Wenn Böhmermann nicht gegen Rechts wäre, würde ich auch denken er hat was gegen Türken :D
    Bei dem agressiven/beleidigenden Niveau der Satire.
    Ich frage mich ob er sich auch trauen würde Israels Premier Netenjahu oder Putin so zu beleidigen ??

  10. Jemanden als Ziegenf… zu bezeichnen ist und bleibt eine Beleidigung, egal wenn man damit bezeichnet. Da hilft der Deckmantel der Satire nicht. Einschaltquoten um jeden Preis und Medien die sich über alles stellen wollen, das darf nicht sein. Hätte jemand Westerwelle oder Wowereit als Tuntenf… oder Schwuch…f.. Bezeichnet hätten die selben Heuchler aufgeschriehen.
    Erinnert euch an Kanzler Schröder der eine einstweilige Verfügung erwirken wollte weil jemand behauptete er trüge Toupet.
    Vergleicht das mal bitte. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen und viel geheuchelt.

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