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Die 17-Jährige Lisa erzählt von ihrem Auslandsjahr in ThailandAlle wollen Autogramme von der „Westlerin“

ALSFLED (ol). Lisa Bukreew, 17 Jahre alt, ist Schülerin der Albert-Schweitzer-Schule. Vor einem Jahr beschloss sie, einige Zeit im Ausland zu verbringen. Ihr Ziel: Thailand. Fast ein Dreivierteljahr ist vergangen, seit Lisa sich aufmachte, eine neue Welt zu entdecken. Ein Zwischenstandsbericht. 

Mein siebter Monat in Thailand ist gerade zu Ende gegangen, aber ich kann jetzt schon sagen, dass ich gerade die beste Zeit meines Lebens erlebe. Ich habe auf der anderen Seite der Welt tatsächlich ein neues Zuhause gefunden.

Vor meiner Abreise habe ich mir die Dinge anders vorgestellt. Ich habe mir vorgestellt, wie ich langsam die Sprache lerne, Freunde finde, mit meiner Umgebung klar komme und ein nettes Jahr habe. Aber hier habe ich gemerkt, dass so viel mehr dazugehört.

Die Sprache zu lernen ist eines der wichtigsten Dinge hier. Die meisten Thailänder, genauso wie die meisten meiner Schulkameraden, sprechen kein Englisch und vor meiner Abreise habe ich nicht erwartet, dass die Sprache zur einfachen Kommunikation so essenziel sein wird. Nach meinem ersten Schultag hatte ich schon eine Gruppe, die ich Freunde nennen konnte. Die ersten Monate habe ich auch ganz normal mit meinen Freunden verbracht. Aber mittlerweile kann ich nicht einfach nur die Austauschschülerin sein, die am Anfang in die Gruppe reingefallen ist.

Ich merke, dass es viel schwieriger ist enge Freundschaften zu schließen, als ich dachte. Ich kann nicht mehr warten, bis die anderen auf mich zugehen, wie es am Anfang war. Ich muss jetzt selbst auf die Menschen zugehen, damit ich sie besser kennenlernen kann. Und auch das kann ich nur mit der Sprache.

In Thailand ist es nicht leicht, enge Freundschaften zu schließen, erzählt Lisa. Sie hat es aber dennoch geschafft. Das hier sind ihre besten Freundinnen.

In Thailand ist es nicht leicht, enge Freundschaften zu schließen, erzählt Lisa. Sie hat es aber dennoch geschafft. Das hier sind ihre besten Freundinnen.

Meine Aufgaben innerhalb der Familie kenne ich mittlerweile. Kinder haben viel mehr Ansprüche als in Deutschland. Die meisten, mich eingeschlossen, müssen ihre Wäsche selber waschen und bügeln. Man wird auch sehr anders behandelt, während man noch in die Schule geht. Meine 18-jährigen Freunde durften zum Beispiel nie lange weggehen und ohne Erlaubnis sowieso nicht, da sie ja noch Kinder im Schulalter waren.

Schule bis 16 Uhr und dann noch reichlich Hausaufgaben

Die Schule geht jeden Tag bis 16 Uhr und die Schüler haben noch reichlich Hausaufgaben. Ich habe kein Problem mehr damit meine Aufgaben schnell zu erledigen und ich habe auch kein Problem mehr mit Dingen, die nicht deutschem Standard entsprechen, wie zum Beispiel die Hygiene an den meisten Orten. Ich denke, ich habe mich schon sehr an meine Umgebung angepasst, auch wenn mir alles an manchen Tagen zu viel wird.

Wie waren meine ersten Eindrücke? Soviel war anders, nachdem ich aus dem Flugzeug gestiegen bin. Die ersten Dinge, die ich entdeckt habe, waren die Schrift und die Sprache, welche ich mir in Deutschland schon angeschaut hatte, die mir aber dort noch viel schwieriger vorkamen. Das thailändische Alphabet besteht aus 44 Konsonanten und um die 33 Vokalen. Dazu kommen noch 5 verschiedene Töne, die teilweise auch von der Buchstabengruppe abhängen.

Alles sehr kompliziert und nach 7 Monaten komme ich immer noch nicht ganz damit klar. Und als die anderen Austauschschüler und ich den Flughafen verlassen haben, ist mir als erstes aufgefallen, was für eine hohe Luftfeuchtigkeit in Thailand herrscht und wie viel heißer sich 32 Grad dabei anfühlen. Als wir dann in den Van gestiegen sind, bemerkte ich erst, dass Thailand Linksverkehr hat. Und auf dem Weg zu unserem Hotel ist mir klargeworden, dass ich die nächsten zehn Monate hier verbringen werde.

Meine Gastfamilie habe ich nach fünf Tagen getroffen und ich war so aufgeregt wie noch nie. Sie besteht aus Vater, Mutter und zwei Töchtern. Ich hatte solche Angst, dass ich nie richtig zu ihnen gehören werde oder dass ich nicht mit ihnen klarkommen werde in den zehn Monaten. Aber meine Familie war die richtige und ich fühle mich sehr wohl. Ich weiß jetzt, wie es ist Schwestern zu haben und dass das nicht immer einfach ist, vor allem, wenn man sich zu zweit ein Zimmer teilen muss.

Familie ist für Thailänder unheimlich wichtig

Aber das Verhältnis zu meiner Familie wird mit jedem Tag stärker. Mein Gastvater arbeitet in Bangkok und ist nur an drei Tagen in der Woche zuhause, meine ältere Gastschwester hat gerade die Uni beendet und lebt zurzeit auch in Bangkok. Das heißt, wir kommen nur alle zwei bis drei Wochen alle zusammen. Die Zeit zusammen ist aber immer die schönste. Und wenn die ganze Familie mit Onkel, Tanten und Cousinen zusammenkommt, ist es noch besser.

Familie ist für Thailänder unheimlich wichtig, sie steht an erster Stelle. Die Familienältesten werden sehr stark respektiert, während die Jüngsten beschützt und umsorgt werden. Geheimnisse innerhalb der Familie gibt es kaum. Alle reden sehr offen miteinander und haben ein freundschaftliches Verhältnis. Die Eltern von Freunden und Bekannten spricht man außerdem auch mit Mama und Papa an, auf thailändisch also „Khun Mae“ und „Khun Poh“.

Ein aufregender Moment: An ihrem ersten Schultag musste Lisa gleich eine Rede vor ihrer ganzen Schule halten.

Ein aufregender Moment: An ihrem ersten Schultag musste Lisa gleich eine Rede vor ihrer ganzen Schule halten.

Was wohl den größten Teil meiner Zeit in Anspruch nimmt, ist Schule. Am ersten Schultag ging es für mich los mit einer Rede vor der ganzen Schule. Ungefähr 3000 Schüler. Eine normale Schulgröße in Thailand, da es nur eine Schulform gibt. Meine Schule besteht aus fünf dreistöckigen Gebäuden, einer Kantine und einem Sportplatz. Ich wurde auch gleich am Anfang schon wie eine Berühmtheit behandelt. Westler – „Farang“ sind für Thailänder sehr besonders, da sie sofort unter der normalen Bevölkerung auffallen, und deswegen wollten unheimlich viele Schüler ein Bild mit mir machen oder sogar ein Autogramm haben. Das ist bis heute so geblieben.

In Thailand trägt man auch Schuluniformen, welche an sehr heißen Tagen zu warm und an windigen, kühlen Tagen zu kalt sind. Schule in Thailand ist ganz anders als in Deutschland. Man beginnt jeden Morgen auf dem Sportplatz mit der Nationalhymne, einem darauffolgendem Gebet und zum Schluss der Schulhymne. Nach dieser Morgenzeremonie erzählen einige Lehrer vor allen Schülern über verschiedene Projekte oder einfachen Lernmethoden, während andere durch die Reihen gehen um nachzuschauen ob Schüler Schmuck tragen oder ob die Haarlängen annehmbar sind. Wenn die Haare zu lang sind, werden sie an Ort und Stelle abgeschnitten. Einmal im Monat müssen außerdem alle Schülerinnen ihren Zopf messen lassen, der nicht länger als 20 cm sein darf.

Schultag beginnt mit Zeremonie

Die gesamte Morgenzeremonie dauert ungefähr 30 Minuten. Danach gehen die Schüler zu ihren Klassenräumen. In einer Klasse sind um die 50 Schüler. Eine Schulstunde dauert 50 Minuten und man lernt vier Schulstunden bis zur 50 minütigen Mittagspause, in welcher sich die Hälfte der Schule zur Kantine bewegt. Eine warme Mahlzeit kostet umgerechnet 50 Cent. Und nach der Mittagspause lernt man wieder 4-5 Stunden. Zeit für Hobbies haben die meisten Schüler nicht mehr. Das beliebteste Hobby ist wohl, nach der Schule noch Nachhilfe zu bekommen. Ich konnte meine Gastschwester oft dabei beobachten, wie sie bis Mitternacht an ihren Hausaufgaben saß und sie am Morgen noch vervollständigt hat. Die Schüler beschweren sich aber nicht. Die meisten haben gute Noten und gehen danach auf die Universität.

Auch wenn meine Schulfächer zum größten Teil nur aus Fremdsprachen und Tanzen bestehen, ist es doch ziemlich anstrengend, die Schule jeden Tag erst um 17 Uhr zu verlassen. Es fällt einem nach einigen Monaten aber einfacher. Und so schwer wie es klingt ist, es dann gar nicht. Das Verhältnis zu den Lehrern ist auch anders. Die Lehrer werden hier mit Vornamen angesprochen und sind eher wie Freunde. Ich werde von meinen Lehrern auch oft spontan zum Essen eingeladen. Respekt zu zeigen ist trotzdem sehr wichtig. Am wichtigsten ist dabei der Wai. Man legt die Hände wie bei einem Gebet zusammen und neigt den Kopf. So begrüßt und bedankt man sich bei allen Menschen, die älter sind als man selbst.

Das ist Lisas neue Schulklasse.

Das ist Lisas neue Schulklasse.

In meiner Freizeit gehe ich oft mit meinen Freunden auf Märkte oder in Einkaufszentren, von denen es in Thailand mehr als genug gibt. Das sind die beliebtesten Freizeitbeschäftigungen in Thailand. An den Tagen, an denen ich zuhause bleibe, verbringe ich meine Zeit größtenteils mit fernsehschauen oder schlafen. Aber so viel Freizeit wie in Deutschland habe ich hier nicht mehr.

Alles in einem erlebe ich gerade aber mehr als ich mir jemals vorstellen hätte können. Ich lerne Menschen kennen, die so anders sind als die, die ich in Deutschland kennengelernt habe. Ich sehe die beeindruckendsten Dinge hier in Thailand. Und ich bin traurig, dass meine Zeit bald zu Ende ist, aber ich werde die Momente hier nie vergessen. Ich habe so viel gelernt, was mir in Deutschland helfen wird, vor allem, dass man alles erreichen kann wenn man sich nur anstrengt.

Dieses Jahr war die beste Entscheidung meines Lebens.

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