Wirtschaft0

Unternehmergespräch ins Schloss Romrod: Jens Hilbert punktet durch EhrlichkeitDer dankbare Stratege im Blümchenanzug

ROMROD (kiri). „Am Ende entscheidet die Größe der Angst über die Höhe des Mutes!“ sagt der Mann, der unscheinbar den Raum betreten hat, ein paar Minuten zum „Warmwerden“ brauchte und dann souverän im Fokus von rund 50 Unternehmern steht: Jens Hilbert – Unternehmer, Autor und Coach. Der Abend hält, was er versprach: ein spannender Unternehmerdialog mit vielen neuen Erkenntnissen, interessanten Kontaktmöglichkeiten und einem Impulsvortrag, der durch Hilberts lebendige und bildhafte Vortragsweise sicher bei den Gästen in die Reihe der „Das-werde-ich-nie-vergessen!“-Erinnerungen aufgenommen wird.

„Authentisch, ehrlich und direkt – drei wesentliche Eigenschaften, die man braucht, um mutig zu agieren“, übernahm Stefanie Richter vom BVMW die Überleitung vom „Come together“ zum Impulsvortrag. „Mut und Angst gehören zusammen wie die zwei Seiten einer Medaille und fast jeder kennt die Auseinandersetzung damit, wenn beispielsweise schwierige Entscheidungen anliegen.“ Hilbert weiß, wie sich die beiden Seiten der Medaille anfühlen, und ist der Einladung des BVMW – Bundesverband Mittelständische Wirtschaft Nord-/Osthessen – zu einem Unternehmergespräch ins Schloss Romrod gerne gefolgt. „Den Mutigen gehört die Welt!“ leuchtete es bereits in Großbuchstaben auf der Einladungskarte des Events, das der BVMW gemeinsam der MRH Group (ehemals Mesterheide GmbH Alsfeld) veranstaltete. Ein Slogan, für den der Referent des Abends steht und der in kurzen Worten seinen Werdegang skizziert.

Hilbert selbst wurde von den Gästen in einem blumigen Anzug erwartet – eines Paradiesvogels gleich ist er schließlich auf den roten Teppichen der Deutschen High Society bekannt. Weit gefehlt. Nach Romrod kam er im gut geschnittenen, schwarzen Anzug und lediglich die roten Accessoires, bestehend aus Fliege, Einstecktuch, Gürtel und Socken wiesen auf seine Fashionaffinität hin. Auch die erwarteten Starallüren blieben aus. Hilbert war überraschend bodenständig, empathisch und sehr reflektiert.
Da stand er nun, gemeinsam mit seinem alten Reiter-Freund Boris Prochazka von MRH Group, der die Moderation des Abends übernahm, und gab entwaffnend ehrliche Einblicke in die vergangenen Jahre seines Lebens.

OL-Hilbert-0502

Als Junge gehänselt, als Unternehmer gefragt: Jens Hilbert

Als gehänselter Junge aus einer kleinen katholischen Gemeinde im Odenwald, die von ihm eine Frau, zwei Kinder und ein Eigenheim erwartete, schlug er – nachdem er sich geoutet hatte – einen ganz anderen Weg ein: Er ging in die Kosmetikbranche und hat dort in den vergangenen elf Jahren viele Höhen und Tiefen erlebt. Heute ist sein Unternehmen „Hairfree“ in Sachen dauerhafte Haarentfernung Marktführer in Deutschland, Österreich, Schweiz und Luxemburg. Bisher gibt es hundert Institute in Europa, einige Franchise-Unternehmen, eine Ausbildungsakademie, über 500 Mitarbeiter und bislang zwei Millionen Behandlungen.

„Im Schmerz geht man die unbequemen Ecken seines Lebens an“, stellt er fest, und warf einen Blick zurück auf schwierige Lebensphasen. Sein Vater war Elektriker, seine Mutter Sonnenstudiobesitzerin. Irgendwann – im Jahrhundertsommer 2003, als keiner die Sonnenbänke nutzte und der Vater diese dann auch nicht mehr reparieren brauchte – verlor die Familie alles: Haus, Autos und Hilberts geliebte Pferde. Er selbst war zu dieser Zeit Student. Etwas orientierungslos und suchend, wie er sich selbst beschreibt. Als alles verloren war, sagte er sich „entweder du wirst ein kleines, schwules Landei-Opfer oder du schaffst das!“ und probierte sich in einem kleinen Raum mit der Geschäftsidee der Haarentfernung aus, schaltete briefmarkengroße Anzeigen und machte dennoch innerhalb von drei Monaten mehr Umsatz als das Sonnenstudio zuletzt in einem Jahr abwarf.

Mit 27 stand dann ein Porsche vor der Tür. „Statuszeug nutzt sich emotional schnell ab und es ist nie genug!“, warnt Hilbert, geprägt aus eigener Erfahrung. „Schnell hat es mich wieder in den roten Drehzahlbereich gebracht. Das Supermannheftchen, auf dem man ein paar Nächte geschlafen hatte, wurde wieder weggelegt….“

Doch Hilbert gab nicht auf: „‘Du bist scheiße‘ kannte ich ja schon aus meiner Kindheit und das dachte ich immer, also strengte ich mich noch mehr an“. Es war anstrengend. Es kostete Kraft. So kam er davon ab, alles alleine machen zu wollen. Er suchte sich Mitstreiter, vergab Franchiselizenzen an Powerfrauen, Ehepaare und Manager – alle mit genügend Berufs- und Lebenserfahrung – und gründete die Ausbildungsakademie, in der heute jährlich über 200 Seminar stattfinden, in denen neben den klassischen Schulungen der Branche auch Coaching-Seminare angeboten werden.

„Vor sieben bis acht Jahren hätte ich noch nicht für mich arbeiten wollen, da war mir Image und Status sehr wichtig, ich war von Angst getrieben und aggressiv. Heute weiß ich, dass man mit Dominanz weiter kommt, man ist aber genauso alleine wie als Außenseiter.“ So führt Hilbert heute sein Unternehmen mit Demut, auf Augenhöhe und weiß, dass nur zufriedene Mitarbeiter loyal und engagiert sind. Er hat Erfolg. Sein Erfolgsrezept? Der sogenannte „Faktor Mensch“.

Er selbst lässt sich seit seiner Jugend coachen, blickt auf seine Ressourcen, konzentriert sich statt auf seine Schwächen auf seine Stärken und weiß, dass die Beziehungen untereinander – auch oder gerade zu Mitarbeitern – der wichtigste Faktor für Erfolg ist.
So hat er in einer schweren Zeit beispielsweise eine Geschichte von einer Schafherde gelesen, die über einen Fluss mit Krokodilen musste – statt vom Schäferhund getrieben, schaffte die Herde es gemeinsam, das große Hindernis zu überwinden. „Ich habe mich vom Schäferhund zum Hirten entwickelt“, resümiert Hilbert, dessen Botschaft an die Unternehmer des Abend – als erfolgreicher Unternehmer, aber auch als Coach war: „Die Persönlichkeit muss mitwachsen!“

An welcher Stelle es bei dem einen oder anderen Unternehmer hakt, wo er noch Entwicklungspotential sieht oder wie er anders vorgehen würde, erläuterte Hilbert in den offenen oder auch anschließenden persönlichen Dialogen gerade heraus. „Frontale Ehrlichkeit und Wahrheit – zu allen und zu sich selbst – ist notwendig.“ So gingen die Unternehmer mit viel Input und Denkanstößen nach Hause und stellten fest: Bei all den Blümchenanzügen ist Jens Hilbert ein reflektierter, tiefgründiger und dankbarer Stratege.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren