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Feuerwehren, Tierärztin und Landwirte trainieren tierschonende Rettung großer TiereGroßtierrettungstraining in Alsfeld

ALSFELD (ol). In Alsfeld fand ein praxisnahes Großtierrettungstraining mit 20 Einsatzkräften aus Lohra und Alsfeld, zwei Landwirten sowie einer Tierärztin statt. Organisiert vom Netzwerk Fokus Tierwohl, vermittelte das Seminar theoretische Grundlagen und realitätsnahe Übungen zur sicheren Rettung von Pferden und Rindern.

Einsätze, bei denen Pferde, Rinder oder andere Großtiere aus Notlagen befreit werden müssen, stellen besondere Anforderungen an die Einsatzkräfte und andere am Einsatz Beteiligte – die Zahl der Einsätze nimmt zu. Deshalb haben sich die Verantwortlichen des Netzwerk Fokus Tierwohl Hessen entschieden, in der Region einen Ausbildungstag zum Thema „Technische Großtierrettung“ anzubieten. Ziel war die sichere und tierschonende Rettung von Pferden, Rindern, Eseln und anderen großen Tieren, berichtet die Vogelsberger Zeitung in einer Pressemitteilung.

Neben den zahlreichen Einsatzaufgaben heißt es in den Leitstellen von Feuerwehren häufig auch: Einsatz Tierrettung. Nicht immer ist es dann die sprichwörtliche Katze auf dem Baum, für die Einsatzkräfte der Feuerwehren ausrücken. Die Zahl der Einsätze, an denen große Tiere wie Pferde, Rinder, Lamas oder Esel etc. beteiligt sind, steigt seit Jahren. „Mein Pferd ist in einen Graben gerutscht und schafft es nicht mehr allein heraus. Ein PKW mit Pferdeanhänger ist in einen Verkehrsunfall verwickelt. Ein Rind ist in die Güllegrube gefallen.“ So klingen die Meldungen, die bei den Einsatzzentralen eingehen. Gefordert sind in einem solchen Fall nicht nur die Rettungsorganisationen. Auch immer mehr landwirtschaftliche Betriebe, Tierparks und Veterinärmediziner erkennen die Notwendigkeit, auf derartige Situationen gut vorbereitet zu sein. Denn Fakt ist: Die Zahl der Rettungseinsätze für große Tiere, die in eine Notlage geraten sind, nimmt seit Jahren zu.

Um bestmöglich für einen tierischen Rettungseinsatz vorbereitet zu sein, fand am 09. Juli für 20 Einsatzkräfte der Feuerwehren aus Lohra und Alsfeld, zwei Landwirte aus der Region und eine Tierärztin ein Großtierrettungstraining statt. Ermöglicht wurde das Training im Rahmen der Initiative des „Netzwerk Fokus Tierwohl“. Das Verbundprojekt hat das Ziel, den Wissenstransfer in die Praxis zu verbessern, eine tierwohlgerechte, umweltschonende und nachhaltige Nutztierhaltung zukunftsfähig zu machen.

Das ganztägige Training bestand aus einem theoretischen und ausführlichen Praxisteil, bei dem realistische Einsatzszenarien nachgestellt wurden. Geübt wurde an einem lebensgroßen professionellen Rettungsdummy (Pferd) „Sam“ (200 Kilogramm) unter Einsatz der Spezial-Rettungswerkzeuge und eines Krans, in diesem Fall die Drehleiter der Alsfelder Feuerwehr.

Einen ganzen Tag nahmen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Trainings für das Thema. Der Trainingstag begann mit einem Seminarteil, bei dem die angehenden Großtierretter wichtiges Grundlagenwissen erhielten. Neben der ganzheitlichen Analyse der Einsatzsituation ging es um die richtige Einschätzung des Verhaltens von Menschen und Tieren unter Stress. Das Tier ist ein Lebewesen, das anders wahrnimmt als wir Menschen, das besonders unter Stress unvorhersehbar reagieren kann. Hier muss man gewappnet sein, sich als Retter wirkungsvoll schützen und im Team effizient agieren.

Einsatzübungen mit lebensgroßem Rettungsdummy “Sam“

Nach gut zwei Stunden zur Vermittlung von Grundlagenwissen gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Trainings ins Gelände, um das Erlernte am Beispiel verschiedener Einsatzszenarien praktisch anzuwenden und zu üben.

Hierfür hatte der Trainer Lutz Hauch um ein Gelände gebeten, das für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer echte Herausforderungen bereithält. „Ideal sind Hänge und Gräben, Wasserläufe, Morast, Unterholz oder auch dichter Baumbestand“, weiß Großtierrettungstrainer Hauch aus Erfahrung. „Es ist kaum zu glauben, in welch haarsträubende Situationen sich Tiere immer wieder bringen. Schwierigste Gelände sind im Einsatz eher die Regel als die Ausnahme. Wir führen die Übungen so authentisch wie möglich durch. Man kann die Stellung des Tieres und den Ort, wo es liegt, nicht beeinflussen. Mit vielseitigen Übungen sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf alles vorbereitet.“

Bis in den späten Nachmittag hinein simulierten die Trainingsteilnehmerinnen und -teilnehmer mit Sam verschiedenste Notlagen, wie sie im echten Einsatz vorkommen können: Es galt das Pferd behutsam aus misslichen Lagen wie Gräben oder verunfallten Anhängern zu befreien – eine Herausforderung, die Geschicklichkeit und Teamarbeit erfordert. Die Teilnehmer lernten unter Anleitung des Trainers und mit dem Dummypferd, wie eine sichere und tierschonende Großtierrettung ablaufen sollte. Dabei kamen auch die Spezialwerkzeuge zum Einsatz. Die Werkzeuge sind internationaler Standard und wurden für die technische Großtierrettung entwickelt. Sie sind geeignet, Tiere schonend und schmerzfrei zu befreien, ohne dass die Rettungskräfte dem Tier zu nahekommen müssen. Alle Einsatzszenarien wurden so realistisch wie möglich nachgestellt, um die Einsatzkräfte und Veterinärmediziner auf den Ernstfall vorzubereiten: Damit sich Retter nicht in Gefahr bringen und Tierbesitzer auf professionelle Hilfe setzen können.

Daniel Schäfer, Stadtbrandinspektor Alsfeld im Wortlaut: „Wir hatten heute das Seminar Großtierrettung hier am Standort Alsfeld in Zusammenarbeit mit Tierärzten, die vor Ort waren, Landwirten, die auch in der Feuerwehr sind oder nicht und mit einer externen Feuerwehr. Es war ein sehr interessanter Tag. Es ist ein Einsatzszenario, was zum Glück real nicht so oft vorkommt, dass man Tiere wie Kühe, Lamas, Esel und Pferde, also Tiere in dieser Größe in Notlage geraten sind.

Wenn dann allerdings so ein Einsatz kommt, ist es schwierig mit den Tieren umzugehen. Die wissen ja nicht, dass wir ihnen helfen wollen. Und so ein Pferd oder Pferdgroßtier ja auch schon mal bis zu 800, 900 Kilo locker wiegen kann. Man kann das auch schwer abschätzen. Das ist in Zusammenarbeit dann mit einem Tierarzt notwendig. Das muss auch abgestimmt werden, deshalb war es auch gut, dass heute auch eine Tierärztin dabei war.

Man hat jetzt neue Möglichkeiten gelernt, wie man dann arbeiten muss. Ich habe den Gefahrenbereich von so einem Tier kennengelernt. Wenn so ein Tier am Boden liegt, gibt es dann die „Kickzone“, wo die Beine hintreten. Das ist alles so ein bisschen was das man so ja als im Standard nicht so auf dem Schirm hat. Ein Tier weiß nicht, dass wir ihm helfen wollen und wir müssen halt besondere Verhaltensregeln und besondere Verhaltenstechnik heute lernen. Das haben uns heute die Leiter des Seminars sehr gut und sehr nahe gebracht. Und man hat mal wieder viele neue Sachen dazugelernt.

Die letzte Tierrettung war auf der A5, ein verunfalltes Pferd, was ja dann auch leider vor Ort verstorben ist, beziehungsweise erlöst werden musste von einer Tierärztin vor Ort. Das wäre so ein Fall gewesen, wo man Techniken von heute hätte anwenden können. War da nicht nötig, weil dieses Pferd auch nicht mehr aus dem Fahrzeug raus musste. Hier haben wir heute zum Beispiel gelernt, wie man aus einem Anhänger ein gestürztes Pferd wieder raus retten könnte. Was ja durchaus mal passieren kann. Wir haben genug Reiterhöfe, Reitvereine und auch Landwirte mit Kühen hier vor Ort. Das könnte jederzeit passieren und es ist ja auch immer wieder auf der Autobahn zu sehen Pferdetransporter, Tiertransporter wenn da irgendwas passiert. Insofern sind die Einsatzszenarien zum Glück extrem selten. Der Leiter des Seminars hatte im letzten Jahr so rund 400 Einsätze mit Großtieren deutschlandweit. Die Dunkelziffer wird ein bisschen höher sein, das ist eine hohe Zahl, aber auf Deutschland verteilt ist das schon wieder sehr gering.

Tierärztin Anna Kohlstädt, Schrecksbach im Wortlaut: „Eine gelungene Übung, die ganz viele Möglichkeiten der Rettungen aber auch Gefahren aufzeigt. Grundsätzlich ist es auch schön, dass der Fokus da mal draufgelegt wird, weil die Feuerwehr bisher wenig geschult war im Bereich, was Rettung angeht, das zwar immer mitgemacht hat, aber letztendlich gab es da bisher keinen Fokus drauf. Und deshalb finde ich das sehr positiv, dass es jetzt vermehrt solche Übungen gibt, die eben auch mit den Fokus auf das Tierwohl liegen, also eben auch eine Rettung unter Tierschutzaspekten ist.

Bei einem Unfall ist meine Aufgabe grundsätzlich erst mal zu sichten, wie ist der Allgemeinzustand des Pferdes, sind irgendwelche offensichtlichen Verletzungen zu sehen und dann letztendlich schnellstmöglich das Pferd in irgendeiner Form ruhig zu stellen, in der Regel über eine Sedierung. Manchmal ist auch eine Vollnarkose notwendig, dass die Feuerwehr auch die Chance hat, ans Pferd zu kommen, entsprechend Gerätschaften und Geschirr anzulegen, um das Pferd aus der misslichen Lage zu befreien.“

Wann wäre für Sie der Moment gekommen, wo Sie über eine Einschläferung entscheiden müssen?“, fragte die Vogelsberger Zeitung die Expertin. „Beispielsweise bei offenen Frakturen, also bei ganz offensichtlichen schwersten Verletzungen, mit Komplettdurchtrennung von Sehnenbändern, Frakturen, solche Sachen eben. Oder auch wenn ein Pferd beispielsweise nicht mehr aufstehen kann, das wäre auch eine Indikation, das Tier einzuschläfern.“

Fotos: Vogelsberger Zeitung

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