Schüler und Zeitzeugen präsentieren Buchprojekt zu Flucht und Vertreibung im VogelsbergBuchvorstellung „Flucht und Vertreibung in den Alsfelder Raum – Erinnerungen bewegen immer noch“ im Alsfelder Rathaus
ALSFELD (ol). Mit dem Buch „Flucht und Vertreibung in den Alsfelder Raum – Erinnerungen bewegen immer noch“ ist ein eindrucksvolles Zeitzeugenprojekt der Albert-Schweitzer-Schule erschienen. In Zusammenarbeit mit dem ehrenamtlichen Stadtarchivar Michael Rudolf und Dr. Monika Hölscher wurden zahlreiche Interviews mit Geflüchteten geführt und dokumentiert. Die feierliche Vorstellung im Rathaus zeigte, wie wichtig Erinnerungsarbeit auch für junge Menschen ist. Neben persönlichen Schicksalen geht es um lokale Erinnerungskultur und die Bedeutung historischer Bildung im Schulkontext.
Im Alsfelder Rathaus wurde am 27. Juni feierlich mit Zeitzeugen, Schülern und Vertretern aus der Politik das neue Buch „Flucht und Vertreibung in den Alsfelder Raum – Erinnerungen bewegen immer noch“ vorgestellt, das berichtet die Stadt Alsfeld in einer Pressemitteilung. Herausgegeben ist das Werk von Michael Rudolf, Lehrer und ehrenamtlicher Stadtarchivar, sowie Dr. Monika Hölscher, ehemalige Referatsleiterin der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung in Wiesbaden.
Das Thema Flucht und Vertreibung besitzt eine große historische und gesellschaftliche Relevanz. Im Rahmen eines Schulprojekts der Albert-Schweitzer-Schule – basierend auf dem „forschend-entdeckenden Lernen“ – haben Schülerinnen und Schüler unter der Leitung von Oberstudienrat und ehrenamtlichem Stadtarchivar Michael Rudolf zahlreiche Zeitzeugengespräche und Interviews geführt, die nun in diesem Buch dokumentiert sind. Die authentischen Berichte bieten einen eindrucksvollen Einblick in die Erlebnisse und Schicksale von Menschen aus dem Vogelsbergkreis. „Als ich von dem Buchprojekt erfuhr, war sofort klar, dass die Stadt Alsfeld dieses unterstützt. Ich bin begeistert, welch` großartiges Werk hier entstanden ist und möchte allen, die daran mitgeiwrkt haben, von Herzen danken“, freut sich Bürgermeister Stephan Paule.
Allen voran dankte er den Herausgebern Michael Rudolf und Dr. Monika Hölscher, der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung in Wiesbaden, dem Verein Freunde und Förderer der Albert-Schweitzer-Schule e.V., den zahlreichen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, den Schülerinnen und Schülern der Albert-Schweitzer-Schule sowie Markus Harzer, zur Zeit des Projektes Mitglied im Landesvorstand der Sudetendeutschen Landsmannschaft und aktuell Kreisobmann von Schlüchtern. „Das Engagement der Schülerinnen und Schüler ist beeindruckend und zeigt, wie junge Menschen sich aktiv mit der Geschichte auseinandersetzen können“, so Stephan Paule.
Neben den Zeitzeugeninterviews enthält dieses Buch auch historische Hintergrundberichte. Es wird dabei deutlich, wie die Neubürgerinnen und -bürger die Nachkriegsgesellschaft nach schwierigen Anfängen bereichert und wie sie sich am demokratischen Wiederaufbau beteiligt haben, beispielhaft sind hier der ehemalige Landtagsabgeordnete des Vogelsbergkreises, Siegbert Ortmann, und der ehemalige Landrat des Vogelsbergkreises, Rudolf Marx, zu nennen, die sich an diesem Projekt nachhaltig engagierten.
Die Zeitzeugeninterviews sind auch ein Beleg dafür, wie Integration funktioniert hat und funktionieren kann, auch mit dem Blick auf die heutige Situation. Mehrfach nannten die Schülerinnen und Schüler das Beispiel Ukraine nach dem Angriff Russlands und die nach Deutschland Geflüchteten.
„Die Intention des Projektes war und ist es, Vergangenes zu bewahren, gegen das Vergessen zu schützen, Individuelles festzuhalten sowie Erlebtes für Gegenwärtiges und Zukünftiges transparent zu machen. Die Absicht des Projektes war es ferner, dass Schülerinnen und Schüler lernen, Interviews zu führen, das Gehörte zu notieren, ein Verständnis von Wirkung und Gegenwirkung, von Actio und Re-Actio, in der Geschichte zu erhalten und Methoden zu entwickeln, wie sie mit ´oral history` umgehen, Quellen erschaffen, die für das Gestern, Heute und Morgen Bestand haben, sich kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen und Fragen an die Geschichte zu stellen“, erläuterte Michael Rudolf.
Es sei beabsichtigt, das Buch mit seinen 216 Seiten und den 30 Abbildungen Schulen und Bibliotheken im Vogelsbergkreis zum Lesen und zur unterrichtlichen Auseinandersetzung zur Verfügung zu stellen, in der Hoffnung, dass andere dazu angeregt werden, sich ebenso in ihrem Ort auf Spurensuche zu begeben und forschend-entdeckend die „weißen Flecken“ des historisch-gegenwärtigen Themas ein wenig mit Farbe zu füllen.
„Es geht vor allen Dingen darum zu verstehen, welche Spuren von ´Flucht und Vertreibung` – neben den Gesprächen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen – noch heute in Alsfeld und Umgebung zu finden sind. Die Frage, warum es beispielsweise in Alsfeld eine Sudetenland-, Ostpreußen- oder Schlesienstraße gibt, warum ein an Flucht und Vertreibung weithin sichtbarer erinnernder Wegweiser am Ludwigsplatz aufgestellt worden ist, Gedenksteine oder Gedenktafeln auf dem Friedhof oder am Weinhaus am Alsfelder Marktplatz zu finden sind, ist nur dann nachvollziehbar, wenn man sich auf Spurensuche vor Ort begibt und sich mit dem Thema intensiv beschäftigt, wie es dieses Schulprojekt getan hat“, führte Dr. Monika Hölscher weiter aus.
Dass dieses Thema nicht abgeschlossen sei, sondern nur ein Anfang sein kann, wurde in der sich anschließenden Diskussion deutlich. Die Projektgruppe plant, „filmische Podcasts“ zu erstellen, die auf der Grundlage des Sehens und Hörens das Thema noch intensiver zu den Interessierten bringen sollen sowie zur unterrichtlichen Ergänzung eingesetzt werden können.
Das Buch „Flucht und Vertreibung in den Alsfelder Raum – Erinnerungen bewegen immer noch“ ist ab sofort im Buchhandel erhältlich und eine klare Empfehlung für alle, die sich für dieses wichtige Kapitel der Geschichte interessieren.
Foto: Stadt Alsfeld
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