Mücker Bürger wollen sich für alle Generationen engagierenVon Kitas für die Kleinsten bis zur Seniorenbetreuung
MÜCKE (ol). Von den Kitas für die Kleinsten, Unterstützung für Senioren oder aber eine Verbesserung der Jugendarbeit in der Gemeinde: Die Mücker Bürger haben in ihrem Wahlprogramm Punkte für alle Generationen. Ein paar ihrer Ziele für die Mücke stellen sie in einer Pressemitteilung vor.
„Die neue Fachsoftware ‚Little Bird‘ ist ein großer Schritt für Eltern, die Suche und die Anmeldung eines Kita-Platz wird erheblich erleichtert“, sagt Dominic Rüffieux von den Mücker Bürgern (MüBüs). Er habe es noch ohne diese Unterstützung bewältigen müssen, für seine Tochter einen Platz in einer der Mücker Kitas zu bekommen. „Viel hat sich getan in der Kinderbetreuung in den letzten zweieinhalb Jahren in Mücke. Es gibt den ersten Waldkindergarten im ganzen Vogelbergkreis, der Kiga in Sellnrod ist wieder gemeindlich geworden und in Ruppertenrod gibt es eine Ganztagsbetreuung“, ergänzt Katharina Liehr.
Dennoch gebe es noch viel zu tun. In der nächsten Wahlperiode würden für die Mücker Bürger die Ausbauten der Kitas der Gemeinde weiter auf dem Programm stehen, da es noch immer nicht genügend Plätze für alle Kinder gebe. An- und Umbaumaßnahmen in Merlau sowie Groß-Eichen und Schallschutzmaßnahmen in allen Einrichtungen seien genehmigt und werden im nächsten Jahr umgesetzt. „Trotzdem werden die Kita-Plätze nicht reichen“, berichtet Jörg Schlosser.
Gerade in Nieder-Ohmen sei eine bauliche Erweiterung wichtig, aber so einfach auf dem begrenzten Grundstück nicht möglich. Eltern des größten Ortsteils der Gemeinde Mücke müssten ihre Kinder immer wieder per Auto in die Kita in einem anderen Ortsteil bringen. Deshalb wolle man sich in den kommenden Jahren dafür stark machen, eine bessere Lösung zu finden – wenn möglich, einen Neubau einer Kindertagesstätte in Nieder-Ohmen zu verwirklichen.
Magdalena Zizka von den Mücker Bürgern ist selbst im Elternbeirat der Kita Groß-Eichen. Über die Ortsgrenze hinweg stellt sie fest: „Für uns ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Zahl der Kindergartenplätze rechtzeitig geplant wird und jedes Kind seinen Platz bekommt. Die neue Fachsoftware ‚Little Bird‘ kann bei der Planung helfen, aber auch Geburtenzahlen sollten berücksichtigt werden. Hier heißt es, mit allen Fraktionen zu sprechen zum Wohle unserer Kinder.“
Ein Fokus auf der Jugendarbeit in der Gemeinde
Um die Jugendarbeit sei es im vergangenen Jahr etwas zu ruhig geworden. Die Verwaltung habe zwar eine Stelle für die Jugendarbeit in der Gemeinde geschaffen, aber Kontaktbeschränkungen gestalteten bisher eine intensive Aufnahme des Dialogs mit den Jugendlichen eher schwierig. Gute Jugendarbeit funktioniere aber nur gemeinsam mit den Jugendlichen.
Angebote für junge Menschen in allen Ortsteilen und die Unterstützung der Vereine im Bereich der Nachwuchsarbeit stehen daher bei den MüBüs mit ganz oben auf der Agenda, sobald sich Jugendliche auf diesen Ebenen wieder begegnen dürfen. Dabei auch das Interesse für die Kommunalpolitik zu wecken, sei eine selbst gestellte Aufgabe, denn es gelte auch an den eigenen politisch interessierten Nachwuchs zu denken und der Politikverdrossenheit im regionalen Umfeld entgegen zu wirken.
„Im Bereich der Seniorenarbeit wurden bereits erste Gespräche geführt“, berichtet Michael Schlosser. In Mücke leben, wie in vielen anderen Gemeinden, Senioren häufig allein in ihren Häusern. Sie seien zwar in den meisten Fällen gut versorgt durch ihre Angehörigen, aber Gelegenheit für einen Austausch und die Möglichkeit zu Begegnungen innerhalb der Generation gelte es vielfältiger zu schaffen.
Veranstaltungsangebot in der Gemeinde soll gestützt werden
Hier gehe es darum, die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Institutionen zu organisieren, vorhandene Angebote zu verknüpfen sowie neue zu erarbeiten. Zahlreiche Gespräche werden geführt und die BürgerInnen dürfen auf die Präsentation erster Ergebnisse im Frühjahr gespannt sein. Eine Idee sei es, regelmäßig im Jahr medizinisch betreute Seniorenfahrten anzubieten.
Im Alterssegment zwischen Jugend und Senioren seien die Interessenlagen so unterschiedlich, dass es hier noch der intensiveren Recherche bedarf. Was alle verbindet, ist der tiefe Wunsch sich wieder begegnen zu können. Deshalb soll das Veranstaltungsangebot in der Gemeinde gestützt und vernetzt werden. Hierzu gebe es ebenfalls erste Ideen.
Was sich die Wählergemeinschaft der Mücker Bürger auf jeden Fall wünscht, sei der intensive Austausch mit den Bürgern. Michael Schlosser kündigt daher folgendes an: „Wir werden in den nächsten beiden Wochen zwei Termine für Online-Fragen anbieten und per Live-Schaltung ins Gespräch gehen. Wir MüBüs wollen die Mücker Bürger unabhängig von Parteiprogrammen vertreten und freuen uns deshalb über Anregungen und Ideen.“
Wahlprogramme lesen sich natürlich immer gut. Entweder werden einzelne Vorzeige-Projekte hervorgehoben. Oder man verströmt sich in Allgemeinplätzen zum lebenswerten Leben, dem Vogelsberg, der Heimat bleiben soll, oder gar dem Ziel, „zu einem Modellkreis für ein Leben im ländlichen Raum“ werden zu wollen, ohne jemals „in der Fläche“ überzeugende Strukturen der öffentlicher Daseinsvorsorge geschaffen zu haben.
Viel wurde in den letzten zehn Jahren über die Zukunftsperspektiven des Vogelsbergs diskutiert. Große Forschungsprogramme zur Regionalentwicklung unter Bürgerbeteiligung wurden aufgelegt und mit reichlich Fördermitteln gefüttert, wovon „MORO“ und das „Modellvorhaben Langfristige Sicherung von Versorgung und Mobilität in ländlichen Räumen“ noch in Erinnerung sein dürften. Bzw. auch wiederum nicht, und zwar wegen der Unfähigkeit der Politik, die Forschungsergebnisse dann auch in praktische Politik umzusetzen. Man erschrak kurzfristig angesichts der Horrorzahlen zur demografischen Entwicklung, wehklagte über deren Auswirkungen hinsichtlich Überalterung, Landflucht der Jugend, Fachkräftemangel, Pflegenotstand und Altersarmut, und kehrte dann, weil eben auch nichts geschah, was man dem Wähler als eigene Leistung hätte verkaufen können, zur gewohnten Beschönigungspropaganda zurück: Eigentlich gehe es doch allen gut, und die Kommunalpolitik wolle dafür sorgen, dass dies weiterhin so bleibe. O-Ton Mischak (CDU Vogelsberg): „Wann haben wir eigentlich diese Eigenschaft als Gesellschaft verloren, mal das Positive herauszustellen, das was uns Mut machen sollte?“ Äh ja, vor welcher Kommunal- oder Landtagswahl war das noch? Aber gut, dass „wir als Politiker“ diese schöne Eigenschaft nie verloren hatten.
Das ganze Demografietheater und „Wir-sterben-aus“-Gewimmer nur Panik-Mache ohne nachhaltigen Effekt für die kommunalpolitische „Gestaltung der Zukunft“? Stattdessen „Weiter so macht Kinder froh und Erwachsene ebenso“? Und was hätte man denn auch machen sollen ohne das notwendige Geld in der notorisch klammen Gemeindekasse?
Genau das, was die MüBü-Gruppe in dem obigen Beitrag vorschlägt bzw. sich nach der Kommunalwahl vorgenommen hat: Das Kümmerer-Potenzial der Institutionen und einzelnen Bürger auf Gemeindeebene zu aktivieren und zu mobilisieren, um die Lücken im Netz der Daseinsvorsorge so gut wie möglich aus eigener Kraft zu schließen. Gerade erst hat Corona diese Lücken schmerzlich zu Bewusstsein kommen lassen. In der Pandemiekrise und erst recht in der Zeit danach ist bürgerschaftliches Engagement gefordert, ganz wie es oben an verschiedenen Beispielen demonstriert wird. Auf Kreisebene hätte das seit Jahren die politische Leitlinie sein müssen. Aber kann man bürgerschaftliches Engagement mobilisieren, wenn man – anstatt die Schwachpunkte zu benennen – sich ständig selbst dafür lobt, wie glänzend der Vogelsbergkreis in allen sozialen Belangen da stehe und man vielfach sogar die Nase vorn habe?
Was die Mücker Bürger hier vortragen bzw. sich vornehmen, ist übrigens mehr als ein Notprogramm nach dem Motto: Hilf dir selbst, weil dir sonst niemand hilft. Ich möchte hier auf die Analysen des Soziologen Prof. Norbert Schneider, langjähriger Leiter des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, verweisen. In einem bemerkenswerten Vortrag unter dem Titel „Bedrohter Wohlstand. Perspektiven der demografischen Entwicklung“(https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/bevoelkerungsentwicklung-norbert-f-schneider-bedrohter-wohlstand-sind-wir-zu-alt) legt er dar, dass die unleugbaren demografischen Veränderungen nicht zwangsläufig zu einem Zusammenbruch unserer Sozialsysteme führen. Seine Kernthese lautet: „Nicht die Größe einer Bevölkerung bestimmt über deren Zukunft, sondern das Handeln ihrer Mitglieder.“ Mit anderen Worten: Gesellschaftliche Veränderungen darf man nicht ignorieren, aber man soll auf sie auch nicht hilf- und tatenlos starren wie das Kaninchen auf die Schlange. Derzeit zwingt uns Corona zu einschneidenden Veränderungen unseres in Jahrzehnten eingeschliffenen Alltagshandelns. Es ist also möglich, sich auf dramatische Veränderungen der Gesellschaft durch richtiges Handeln einzurichten. Zum Beispiel durch ein neues Verhältnis zur Kommunalpolitik und zu den Bürgerpflichten, wie die Mücker Bürger es durch ihr Engagement für alle Generationen oben skizzieren. Gerade das generationsübergreifende Moment hat hier einen zentralen Stellenwert, weil sich die früher streng voneinander getrennten Lebensphasen, die über lange Jahre von der Sozialforschung ständig ausdifferenziert wurden, mehr und mehr einebnen. Auch hierzu empfehle ich einen Vortrag von Prof. Schneider: https://www.youtube.com/watch?v=en0amm9xwnM
Warum dieser lange Kommentar zu dem kommunalpolitischen Programm der Mücker Bürger? Hier zeigt sich m.E. der Weg aus der Pandemiekrise in die Zukunft, plausibel begründet und wissenschaftlich seriös untermauert. Gleichzeitig ist man aber auch erschüttert über den unzureichenden Grad der politischen Reflexion im derzeitigen Kommunalwahlkampf. Von Ausnahmen abgesehen: Keine Visionen, kein theoretischer „Unterbau“, nur plattes Geschwätz und „Weiter so!“. Mir ist das zu wenig!