Zum Auftakt der Interkulturellen Woche beschäftigte sich ein Tanztheater mit dem Thema MenschenrechteFreiheit oder Macht? Recht oder Ehre?
ALSFELD (ol). Kann man Menschenrechte tanzen? Was bedeuten sie für junge Menschen? Sind sie für Deutsche in Deutschland etwas anderes als für Migranten? Für Christen etwas anderes als für Muslime? Und wie stellt man sie dar, wenn man fast keine Requisiten hat, nichts als ein paar sparsame Kostüme?
Antworten auf all diese Fragen gaben am Samstagabend acht junge Menschen in der Aula der Albert-Schweitzer-Schule in der Schillerstraße einem viel zu kleinen Publikum, das sich seinerseits über einen ganz außerordentlichen Genuss freuen konnte. Die interkulturelle Tanzgruppe „Get2gether“ aus Hannover war anlässlich der Auftaktveranstaltung zur Interkulturellen Woche nach Alsfeld gekommen und damit einer Einladung der Ev. Dekanate Alsfeld und Vogelsberg sowie dem Bundesprogramm „Demokratie Leben“ gefolgt. Das teilte das Evangelische Dekanat Alsfeld in einer Pressemitteilung mit.
Für die Produktion „Human Act – Tanztheater zum Thema Menschenrechte “ habe die Gruppe von 14 Jugendlichen im Alter von 16 bis 24 Jahren aus sieben Nationen unter der Regie von Parisa Hussein-Nejad, der Schauspielleitung von Saham El Gaban und dem Tanztraining von Amanda Reich von Oktober 2016 bis März 2017 geprobt. Brandaktuelle Geschehnisse seien in die Handlung eingeflossen, Zitate von Trump, Assad, dem Dalai Lama, Eleanor Roosevelt, Kahlil Gibran und aus der Bibel seien darin zu finden.
Seit Sommer seien die Schauspieler nun auf verschiedenen Veranstaltungen zu Gast und stellen ihrem Publikum viele Fragen zum Thema Menschenrechte – drei ganz zentrale: Wie passiert das eigentlich, dass wir aufhören einander im Geiste der Mitmenschlichkeit zu begegnen, uns als gleich und zugehörig zu betrachten? Wann wird aus dem Wir ein Du und Ich? Wann verlieren Menschenrechte ihre Bedeutung? Bedenke man, dass das Stück von den Jugendlichen selbst geschrieben und erarbeitet wurde, wird klar, dass diese Fragen besonders für die jungen Menschen mit ihren ganz verschiedenen Migrations- und Herkunftsgeschichten offenbar von großer Bedeutung sind.
Die Themen: Liebe, Religion, Frieden und Krieg
Am Anfang des Abends stehe ein Fest. Freunde feierten miteinander, es erklang Musik. Doch bald spaltet sich die Gruppe, einer wird Anführer – ein kurzer Schritt nur noch, bis er der einzige ist, der satt wird und die anderen hungern: Wann wird aus dem Wir ein Du und ein Ich? Parallel dazu wurden die Verhandlungen über Syrien thematisiert. Ein überzeichneter Trump, ein herrschsüchtiger Assad, eine Gemengelage, die schwer zu verstehen ist. Bleibt die Frage: Wem wird es am Ende nützen, wenn alle tot sind? Und wo ist zuhause, wenn alles dahin ist? Heimat wurde tanzend gepriesen als Ort, an dem alle Gerechtigkeit suchen und finden – sofern sie in Frieden miteinander leben können.
Neben politischen Machtspielen könne auch Religion den Frieden stören. Gibt sie Halt oder ist sie Opium für das Volk? Die Jugendlichen stellten viele Fragen. Auch die nach der Freiheit, die aufhört, wenn sie zur Macht über andere wird. Eindrücklich stellten die Jugendlichen dieses Dilemma dar, indem der eine, der grade noch nach Freiheit rief, die anderen fesselte und niederrang.
Ein Sprecher umriss in kurzen Einführungen die einzelnen getanzten Szenen und brachte die Gründe für Krieg und Vertreibung auf einen Ursprung: „Mit den ersten Grenzen teilten wir unsere Welt und trennten unsere Herzen voneinander.“ Einen größeren Raum nahm auch das Thema Liebe und Ehrenmord in der Handlung ein – wunderschön wurde die große, zarte Liebe zwischen einer Syrerin und einem Kurden getanzt, bis die Frau von ihrem Bruder umgebracht wurde – der selbst an seiner Tat schier verzweifelte. Das traurige Resümee: „Am Ende bleibt Gewalt die einzige Sprache, und das Blut unserer Kinder tränkt den Boden, der uns einst allen gehörte.“
„Unsere Würde, das sind wir – auf dieser Bühne sind wir frei
Ebenso thematisierte das Theater die Rolle der Frau im Islam. Zwischendurch passierte es immer wieder, dass der Wunsch nach Veränderung in den Krieg führte. Sollte das alles sein, was die jungen Menschen bisher erfahren haben? Und kann man Achtung und Liebe wirklich nur an einem Ort ohne Grenzen und Nationen finden? Ihr Fazit: „Unsere Würde, das sind wir – auf dieser Bühne sind wir frei“.
Die Gäste spendeten den jungen Menschen und ihren Projektbegleitern viel Applaus, bevor sich diese unter die Besucher der Zauberhaften Nacht mischten und auch in der Innenstadt nicht müde wurde zu tanzen. Die einhellige Meinung nach dieser beeindruckenden Aufführung: „Wir würden ‚Get2gether‘ gerne wieder in Alsfeld sehen und ihr Stück mit einem größeren Publikum teilen.“
Die Interkulturelle Woche dauere noch bis zum 30. September. Das weitere Programm sehe heute Abend einen Vortrag über die Aktivitäten der Gruppe Seawatch vor. Die Politologin Sandra Hammamy werde um 19 Uhr im DGH Rainrod von ihren Einsätzen berichten. Zum Tag des Flüchtlings am 29. September soll ein Stilles Gebet auf dem Alsfelder Marktplatz an die vielen verschiedenen Schicksale von Geflüchteten erinnern. Hierzu seien alle Glaubensgemeinschaften eingeladen, miteinander und füreinander zu beten. Das Gebet beginne um 16 Uhr, im Anschluss daran lade die Islamische Gemeinde zu einer Teestunde in die Moschee ein.
Den Abschluss der IKW mache am 30. September eine Party in der Alsfelder Clubbar Plan B. Die starte um 21 Uhr mit einem Auftritt der „Beatpoeten“, die ihr Programm „Hate Speech ist keine Meinungsfreiheit“ mitbringen werden. Zur Party gehe im Anschluss daran DJ Cylo an sein Set und sei auch für Musikvorschläge aus dem Publikum offen.
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