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Markige Worte, viele Taten: Gerhard Jakob Ramspeck wurde vor 200 Jahren ein besonderer Alsfelder BürgermeisterUnvergessen durch „Ramspeckiaden“ und den Ludwigsplatz

ALSFELD – Gerhard Jakob Ramspeck war ein Alsfelder Bürgermeister, der Spuren hinterlassen hat – auch durch Humor. Nicht weniger als 50 Jahre war er in dem Amt, das er vor ziemlich genau 200 Jahren angetreten hat. Der Alsfelder Historiker Michael Rudolf blickt zurück auf den Mann, der auch mit „Ramspeckiaden“ bekannt wurde. Und zugleich auf ein denkwürdiges Wahlprozedere.

Dazu geht es in der Geschichte noch ein paar Jahre zurück. Georg Eberhard Happel überliefert in seiner Wahl- und Wappenpredigt, 1646 beziehungsweise 1648, dass der Bürgermeister und die zur „Ersetzung der städtischen Ämter“ alljährlich „zu Neujahr oder am Sonntag danach“ veranstalteten „Wahlen“ ein Alsfelder Großereignis waren, wozu sich Amtsträger sowie die „ganze Gemeinde“ nach dem „Ertönen der Bürgerglocke“ in der Walpurgiskirche versammelten (Soldan, Zur Geschichte, Bd. 1, 1861, S. 38 f.).

Nach den „Wahlen“ sind die Anwesenden keineswegs nach Hause gegangen, wie es einige Einträge in den Alsfelder Ratsprotokollen zeigen, sondern ein gewählter Bürgermeister, ein Ratsherr oder ein Schöffe lud nicht selten seine Wählerschaft zu einem Imbiss und Umtrunk ins Hochzeitshaus oder in örtliche Gaststuben ein.

Wie man Bürgermeister wurde

Bürgermeisterwahlen zogen in der Stadt an der Schwalm seit jeher das Interesse der Wähler und später auch der Wählerschaft auf sich, um den Wunschkandidaten zu küren, ihn auf dem „Chefsessel“ im Rathaus zu sehen und dessen Politik zu favorisieren.

Um dieses Amt gab es stets mehr oder weniger Konkurrenz, je nachdem, wer sich bewarb, ob er angesehen war, ihm in Stadt und Land

Einst ein lauschiger kleiner Park: der Ludwigsplatz vor über 100 Jahren. Sammlung von Andreas Lenth

etwas zugetraut wurde und welche Perspektiven er für das Prosperieren der Gemeinde anbot, in der Hoffnung, dass der Kandidat nach der Wahl das Angekündigte auch verwirklichte.

In der Vergangenheit wie in der Gegenwart zeichneten sich Bürgermeisterwahlen dadurch aus, dass die Kandidaten nachdrücklich für sich warben, um folglich das bestmögliche Ergebnis zu erringen und wenn möglich, den Konkurrenten weit hinter sich zu lassen. Nicht immer wurde in Alsfelds Vergangenheit gewählt, sondern die Kandidaten in früheren Jahrhunderten wurden kooptiert oder vom Landesherrn bestimmt.

Gerhard Jakob Ramspeck und die „Ramspeckiaden“

Die Alsfelder Bürgermeisterwahlen inspirieren als solche, den Blick auf mindestens eine
Persönlichkeit in diesem Amt zu lenken und bei einem Mann zu verweilen, der 1825 durch
ein Dekret des Großherzogs Ludewig I. zum Stadtoberhaupt und Ortsgerichtsvorsteher
berufen wurde und in diesem Amt bis 1870 verblieb.

Gerhard Jakob Ramspeck ist die herausragende Persönlichkeit, die am 25. September 1825 zunächst berufen, später mehrfach gewählt wurde. Und obschon über dieses schillernde Stadtoberhaupt manche Zeilen verfasst worden sind, soll an diesen Alsfelder im Jubiläumsjahr erinnert werden, einerseits wegen seiner langen Amtszeit, der Aktivitäten und des den Ort an der Schwalm Prägende, andererseits wegen seiner heiter-illustren Zeilen, die in Alsfelds Geschichte und Gegenwart als „Ramspeckiaden“ erhalten blieben und manchen noch in unseren Tagen zum Schmunzeln bringen.

Wer war Gerhard Jakob Ramspeck?

1793 in Alsfeld geboren, wurde Gerhard Jakob Ramspeck Kaufmann, heiratete Juliane
Hartmann, wobei dem Ehepaar vier Töchter und zwei Söhne geboren worden sind, diente als Leutnant in der Landwehr, wurde 1822 zum Beigeordneten gewählt und durch das oben erwähnte Dekret des Großherzogs zum Bürgermeister und Ortsgerichtsvorsteher der Stadt Alsfeld bestimmt.

Am 25. September 1825 erhielt Gerhard Jakob Ramspeck die „städtischen Papiere und
Dokumente“ aus den Händen des Vorgängers, wobei die Ratsprotokolle und Nachweise in
den Zeitungsausgaben zeigen, dass Ramspeck beispielsweise 1837 und 1849
„wiedergewählt“ worden war. Hervorzuheben ist, dass Ramspeck den eigenen Wahlbezirk in den Landtagen von 1841-42, 1844-47 und 1847-49 als Abgeordneter in der 2. Kammer des Landtags im Großherzogtum Hessen-Darmstadt repräsentierte.

Kontakte, wie der frühere Alsfelder Historiker Herbert Jäkel (Ramspeck, 1999) zur Biographie Ramspecks ausführt, bestanden zum Liberalen Heinrich von Gagern, dem späteren Präsidenten des Paulskirchen-Parlaments, und dem Reichstagsabgeordneten des Wahlbezirks Alsfeld, Wernher von Nierstein.

Bedeutend ist für die Geschichte der Stadt Alsfeld, dass Ramspeck 1848 Mitglied des Vorparlaments in der Frankfurter Paulskirche und an den Vorbereitungen für die Wahl des „ersten deutschen Parlaments und der Einberufung der Nationalversammlung“ beteiligt war. Von 1825 bis 1870 war Gerhard Jakob Ramspeck, der zahlreiche Auszeichnungen erhielt, im Amt des Bürgermeisters tätig, ohne die vielen weiteren Positionen, die er einnahm.

An Heilig Abend des Jahres 1880 verstarb Gerhard Jakob Ramspeck nach einem langen und verdienstvollen Leben, wobei sich das Grabmal noch heute auf dem Alsfelder Friedhof befindet.

Ist noch erhalten: das Grab des früheren Bürgermeisters Ramspeck auf dem Alsfelder Friedhof. Foto: Michael Rudolf

Wie sich Alsfeld in Ramspecks Amtszeit wandelte

Die Frage, was sich in Gerhard Jakob Ramspecks Amtszeit veränderte, ist dahingehend zu
beantworten, dass er viele, heute noch relevante Bereiche beeinflusste. Allem voran dürften seine Aktivitäten rund um den Landratssitz von Interesse sein, infolgedessen und neben weiteren Aspekten dieser 1829 von Romrod nach Alsfeld verlegt sowie 1832 der Kreis Alsfeld gebildet wurde.

Bedrohlich war der hessische Bauernaufstand 1830, für dessen Abwehr Ramspeck militärisch Vorsorge trug. Seine Spuren hinterließ der langjährige Bürgermeister im Einsatz um den Chausseebau genauso wie im Initiieren zahlreicher baulicher Entwicklungen und Erholungsanlagen.

Der Erfinder des Ludigsplatzes

Ramspeck setzte sich nachdrücklich für die Verschönerung des Stadtbildes ein, was vor allem die Beseitigung hygienischer Missstände betraf. Sein „liebstes Kind“ war wohl die Gestaltung des „Ludwigsplatzes“, indem er den Bereich zwischen dem „Gasthaus Zur Krone“ und dem „Schützenrain“ vom ästhetisch Unschönen, vom Unrat und von unfachmännischer Verfüllung der „Pferdeschwemme“ vor dem einst nahe dem Obertor befreite und seinerseits den Bereich mit Sandsteinpfeilern und Ketten versah sowie durch die Bepflanzung des Platzes mit Kastanien und Platanen eine Ästhetisierung erreichte.

Der „Ludwigsberg“ samt „Schieß-Anlage“ an der Steinkaute galt unter ihm als
„Erholungsstätte“, wobei dort am 25. August des Großherzog Ludwigs Namenstag und am 2. September im Gedenken an den Sieg über die Franzosen 1870 der „Sedanstag“ begangen wurde.

Wo Ramspeck tiefe Spuren hinterließ

Der Mönche- und Frauenberg, der Friedhof, die Straßenbeleuchtung, die
Wiederherstellung des Luther-Türmchens, die Veränderung des Weinhaus-Giebels, die
Schulpolitik, die Unterstützungen der Vereine, die Kartoffel- und Getreidemissernten der
Hungerjahre, die Konflikte um Totengräber und Leichenwagen, die Einflussnahme auf den
Bau des Telegrafen und der Eisenbahn sowie sein Wirken als Landtagsabgeordneter und
vieles mehr haben in Alsfeld tiefe Spuren hinterlassen.

Verfasser kurioser, heiterer und illustrer Zeilen

Ein Aspekt muss im kurzen Beitrag über Gerhard Jakob Ramspeck abschließend unbedingt
Erwähnung finden. Ramspeck ist – mehr als unfreiwilliger Autor – als Verfasser kurioser,
heiterer und illustrer Zeilen bekannt, die bis in die Gegenwart wirken, namentlich seiner
„Ramspeckiaden“. Unter diesem Begriff verbirgt sich eine Vielzahl von Berichten, die
Bürgermeister Ramspeck einst an die ihm vorgesetzten Behörden oder Amtsträger schrieb, die nicht selten in die Alsfelder Zeitung einflossen oder die als Nachweise seiner
ortsgerichtlichen Tätigkeit Zeugnisse der Amtszeit sind.

Auffällig ist hierbei der gestelzte Stil, seine heute seltsam klingende Schreibe sowie sein nicht frei von Komik wirkendes „Amtsdeutsch“, das sich in einer langen, verschachtelten, oft durch eine Häufung von Adjektiven, Partizipien und nominalisierten Verben auszeichnenden Schriftsprache äußert.

Ein Bulle mit harter, aber angenehmer Arbeit

Ein Verstehen des Vermittelten wird kompliziert und eine kommunikative Entschlüsselung
dadurch nicht leichtmacht. Allerdings bringen uns die „Ramspeckiaden“ noch heute zum
Schmunzeln, ob der gewählten Syntax und Lexik, wenn es in den von Herbert Jäkel 1999
herausgegebenen „Ramspeckiaden“ beispielsweise über den Verkauf eines Gemeindebullen heißt: „Rubrikat springt leicht und gewandt auf, arbeitet mit Ausdauer und Energie und ermüdet nie in seiner harten, aber dennoch angenehmen Berufspflicht.“

Bekannt dürfte der „gehorsamste Lochbericht“ sein, in dem zu lesen ist: „Rubriciertes Loch ist nicht der Stadt Alsfeld, sondern der Freifrau v. R. ihr Loch; jedoch ist dasselbe dermaßen mit Gestrüpp umwachsen, dass eine Einfriedung nicht nötig erscheint“ oder aus einem Bericht Ramspecks die Nachricht erstaunt, dass „das Großherzogtum Hessen ein Oblongum, welches mit seinen Extremitäten an das Ausland angeländet“ sei sowie die Zeilen eines eher zornigen Bürgermeisters auffallen, der schreibt: „Soll denn von einer Seite, die schon 10 Jahre intrigiert, ein neuer Knoten in den Gordon geknüpft werden?“

Die wenigen, nach Herbert Jäkels Buch „Gerhard Jakob Ramspeck und seine Ramspeckiaden“ (1999)“ entnommenen Zitate mögen das Interesse geweckt haben, die Entstehung der „Ramspeckiaden“, die vorliegenden Sammlungen und die vielen kurzweiligen Berichte dieser Alsfelder Persönlichkeit nachzulesen. Und welcher Bürgermeister kann in Alsfeld schon sagen, dass er aufgrund seiner eigentlich unspektakulären amtlichen Korrespondenzen zum Literaten mit Kultstatus instrumentalisiert worden ist?

von Michael Rudolf

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