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AKT 2025: Walter Windisch-Laube und Martin Windisch über Werke von Ian McEwanFaustisches im Freiwilligenzentrum

ALSFELD (ol). Im Rahmen der Alsfelder Kulturtage 2025 luden Walter Windisch-Laube und Martin Windisch ins Freiwilligenzentrum zu einer literarischen Reise durch das Werk des britischen Autors Ian McEwan. Dr. Martin Windisch untersuchte „Machines Like Me“ unter dem Aspekt künstlicher Intelligenz und faustischer Elemente, während Walter Windisch-Laube in „Lessons“ Parallelen zu Thomas Manns „Doktor Faustus“ aufzeigte.

Zwei ganz besondere literarische Stunden erlebten im Rahmen der Alsfelder Kulturtage die Besucherinnen und Besucher im Freiwilligenzentrum. Dorthin hatten die Brüder Walter Windisch-Laube und Martin Windisch eingeladen, um zwei Werke des britischen Schriftsteller Ian McEwan vorzustellen oder sie – wie es in der Ankündigung hieß – nach ihren faustischen Elementen zu untersuchen, so heißt es in der Pressemitteilung der Alsfelder Kulturtage.

Den ersten der beiden Vorträge hielt Dr. phil. Martin Windisch. Er ist Akademischer Oberrat in der Abteilung Englische Literaturen und Kulturen des Instituts für Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart und nahm sich in Alsfeld der Androiden Obsessionen in Ian McEwans „Machines Like Me“ an. „… and People like you“ gehört der Vollständigkeit halber zum Titel, zeigt dies doch, aus wessen Sicht die Betrachtungen geschildert werden: Hier ist die Maschine am Zug.

Die Geschichte spielt in einer alternativen Version des Vereinigten Königreichs in den 1980er-Jahren: Alan Turing lebt und forscht noch, Großbritannien hat den Falkland-Krieg verloren und die Digitalisierung ist weit fortgeschritten. Charlie, ein junger Mann mit vielen Interessen, aber wenig Ambitionen, investiert seine Erbschaft in eine technische Spielerei: Er kauft einen der ersten 24 vollständig künstlichen Menschen: Adam. Diesen zu erziehen und auszubilden wird sein neues Projekt, das er zusammen mit seiner attraktiven Nachbarin Miranda angehen will. Idealerweise wird daraus eine romantische Beziehung zwischen Charlie und Miranda entstehen. Doch sein Plan geht nicht ganz auf, denn Adam verliebt sich in Miranda und bringt außerdem ein dunkles Geheimnis ihrer Vergangenheit ans Licht. Auf der Grundlage eines Kipling-Zitats „But remember, please, the Law by which we live, we are not built to comprehend a lie“ enthüllte Martin Windisch, wie sich am Ende die Maschine moralisch über die Menschen erhebt. Dabei geht es auch – um in dem faustischen Bild zu bleiben – um „einen Pakt mit dem Teufel in einer sexualisierten Welt“. Die Nutzung künstlich geschaffener Menschen als Sexual- und Lebenspartner wird hier nämlich genauso thematisiert wie Stereotype in der Darstellung (Alicia Vikander als eine solche Roboterfrau in dem Film „Ex Machina“, die die Sehnsüchte männlicher Entwickler auf derartige Androiden verdeutlicht) sowie die Frage nach ethischen Überlegungen und die Angst, dass Maschinen die Menschen doch übertrumpfen werden.

Dr. phil. Walter Windisch-Laube, promovierter Musikwissenschaftler und Germanist, war bis 2024 Leiter der Alsfelder Musikschule und ist als vielfältig Kulturschaffender in Alsfeld und der Region aktiv. Er hatte Ian McEwans Roman „Lessons“ mit ins Freiwilligenzentrum gebracht und stellte dort insbesondere einen Vergleich mit Thomas Manns „Doktor Faustus“ an. „Lessons“, der bislang umfangreichste Roman des britischen Prosa-Großmeisters Ian McEwan, handelt von Musik, (psychischer) Intoxikation, Isolation des künstlerischen Menschen sowie – im wörtlichen Sinne – menschlicher Hand-Reichung. Und es ist eine autofiktionale Biografie in enger Verknüpfung mit Zeitgeschichte und Weltgeschehen. „Wie meist in seinen Werken greift Ian McEwan auch im Fall der ‚Lektionen‘ ein gesellschaftlich virulentes Thema auf, um es, im poetischen bis poetologischen Prozess, einer differenzierten literarischen Reflexion zu unterziehen. Wie weit McEwan hierbei in Fußstapfen des diesjährigen Jubilars Thomas Mann tritt und wo gravierende Unterschiede bestehen, gilt es zu untersuchen und an Beispielen darzulegen“, so Walter Windisch-Laube in seiner Einführung. Und so machte sich der Redner gemeinsam mit seinem Publikum auf eine Reise in die Lebensdaten, Erlebnisse und Innenwelten der beiden Protagonisten Adrian Leverkühn und Roland Baines, die – für den Vortragen von essentieller Bedeutung – durch die Musik verbunden sind. Auch darauf ging Walter Windisch-Laube explizit ein, etwa indem er die Bedeutung der Zwölftonmusik für den Aufbau beider Werke analysierte. Angereichert hatte der Literaturwissenschaftler seinen Vortrag mit zahlreichen Bildern relevanter Zeitgenossen wie Friedrich Nietzsche oder Gabriele Münter. Auch den Betrachtungen Walter Windisch-Laubes lag ein literarisches Zitat zugrunde: „First we feel then we fall“ aus James Joyce’s Finnegans Wake. Die Zuhörenden konnten dem Referenten folgen, wie er die Biografien der beiden Werke in den Kontext des Zitats setzte: „Beide Romane laufen auf ein apokalyptisches Ende zu, wenn auch auf ganz unterschiedliche Art und Weise.“

Foto: Traudi Schlitt

Der Doppelvortrag der beiden Windisch-Brüder war ein grandioser Ritt durch zwei bedeutende Werke der Gegenwartsliteratur. Er zeigte vielfältige Facetten des Schriftstellers Ian McEwan, dessen neuestes Werk „Was wir wissen können“ soeben erschienen ist. Wer Ian McEwan noch nicht kannte, wird seit diesem Abend neugierig auf ihn geworden sein.

Einen Rückblick über die Veranstaltungen der Alsfelder Kulturtage 2025 findet man auf der Website: https://www.alsfelder-kulturtage.de.

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