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Vor 500 Jahren: ein Rückblick auf kriegerische JahreAls die Bauernkriege auch in Alsfeld für Unruhen sorgte

ALSFELD – 2025 ist ein Jahr, in dem Kriege das Weltgeschehen in beängstigender Weise beherrschen. Vor 500 Jahren herrschte auch Krieg: Die Bauern kämpften um ihre Rechte, und auch Alsfeld hatte damit etwas zu tun. Was damals vor sich ging, erklärt der Alsfelder Historiker Michael Rudolf.

Lange vor dem Wirken Martin Luthers waren in den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands, beispielsweise in Kempten, in Tirol, im Elsass, am Oberrhein durch den Bundschuh oder in Württemberg durch den Armen Konrad, Empörungen durch die Bauern aufgetreten. Dass Reformation und Bauernkrieg eng zusammenhängen, ist eine bekannte Tatsache. Die Bauern beriefen sich nachdrücklich auf Martin Luther und vor allem auf dessen Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, die sie jedoch nach des Reformators Intention falsch verstanden haben und er sie mit einer die Gewalttaten der „Bauernhaufen“ verurteilenden Schrift den Obrigkeiten zur Unterwerfung preisgab.

An der Giebelseite des Alsfelder Rathauses ist ein Bild zu finden, das einen Landsknecht zeigt, der in die Zeit passen dürfte. Es stammt von keinem Geringeren als dem Alsfelder Büchner-Preisträger Richard Hölscher.

Was war vor 500 Jahren geschehen?

Was war vor 500 Jahren geschehen, dass sich die Bauern in weiten Teilen des damaligen Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation erhoben und wie wirkten sich diese Erhebungen auf den Alsfelder Raum aus?

In der Reformationszeit verbanden sich wirtschaftliche, politische und soziale Konflikte mit der Kritik an den kirchlichen Autoritäten, wobei der Bauernkrieg in Deutschland erst durch die Reformation seine Stoßkraft erhielt.

Für Alsfeld bedeutet dies, dass der promovierte Theologe und spätere Superintendent Tilemann Schnabel zwischen 1518 und 1523 eine „evangelische Gemeinde“ etablieren konnte. 1523 musste Schnabel die oberhessische Stadt verlassen, da Philipp der Großmütige noch nicht für die „evangelische Bewegung “ gewonnen war und das Wirken Schnabels unterband. Erst 1526, nachdem er wohl zwei Jahre zuvor für die von Luther vertretene „Glaubenslehre“ gewonnen worden war, führte der Landesherr auf der Grundlage der Synode von Homberg/Efze offiziell die Reformation in Hessen ein.

Mit dem unfreiwilligen Weggang Schnabels hatten die Anhänger des Luthertums in Alsfeld das sie führende Haupt verloren, was für einen Aufstand der Bauern und eine Gegenwehr nicht förderlich war.

Unruhen in Treysa und andernorts

Seit dem Frühjahr 1525 griffen die Aufstände auf das hessische Gebiet über. Nach Berichten über den Ausbruch des Bauernkriegs in Schwaben gab es Meldungen über Unruhen aus dem Alsfeld nahe gelegenen Treysa. Soziale und religiöse Spannungen wirkten sich drastischer aus, führten in den Gebieten Fulda und Hersfeld zu Spannungen und Exzessen. Am 13. April 1525 gaben „christliche Brüder“ in Frankfurt die ersten Aufruhr-Artikel heraus. Drucke der „Zwölf Artikel“ der Bauernschaft in Schwaben, der von dem Memminger Kürschner Sebastian Lotzer und dem Prediger Christoph Schappeler verfassten ersten Programmschrift der bäuerlichen Bewegung in ganz Deutschland, welche Kaufleute von der Frankfurter Messe nach Fulda brachten, führten dort am 18. April zum Aufstand. Der organisierte Bauernhaufen übernahm die Gewalt im Stift und trug den Aufstand nach Hersfeld. Die Hersfelder sandten in dieser Zeit an alle Städte der Landgrafschaft Hessen Manifeste, die die Empfänger aufforderten, den Kampf der Bauern zu unterstützen.

Die erste Seite des Dokuments über die Ereignisse des Bauernkrieges 1525 aus dem Alsfelder Rats-Buch.

Agitatoren schürten in Alsfeld Unruhe

Es ist davon auszugehen, dass sich in Alsfeld Agitatoren einfanden, um Unruhen in der ackerbürgerlich geprägten Stadt zu entfachen. Die Alsfelder erhielten am 24. April 1525 ein Aufforderungsschreiben des Rates und der Gemeinde zu Hersfeld, die Bauernerhebungen zu unterstützen. Aus dem im Staatsarchiv in Marburg erhaltenen Dokument (HStM Bestand 3 Nr. 194, April – Juli 1525) geht hervor, dass die Hersfelder den Alsfeldern ihren nachbarschaftlichen Gruß entbieten und sie zum Aufstand bewegen wollen, um die Herrschaften einzunehmen und um den Bauern militärische Hilfe angedeihen zu lassen. Sie werben um den Eid, den man den Bauern leisten soll, mit „Gottes Wort, den Zwölf Artikeln und dem heiligen Evangelium“.

Es gab Schlachten in Fulda und Hersfeld

Ob es in jenen Tagen Unruhen in Alsfeld gegeben hat, kann aus der unzureichenden Quellenlage nur vermutet, nicht bewiesen werden. Landgraf Philipp beantwortete das Hersfelder Manifest, das in der Landgrafschaft wenig Resonanz fand, mit kriegerischem Vorgehen. Am 27. April 1525 stand das landgräfliche Heer vor Fulda, eroberte am 3. Mai die Stadt und zerschlug das unerfahrene Bauernheer, wobei Hersfeld ein ähnliches Schicksal ereilte.

Philipps Soldateska im Alsfelder Schloss

Bevor sich Philipp gegen Fulda und Hersfeld wandte, habe sich der Fürst mit seiner Soldateska in Alsfeld beziehungsweise er im Alsfelder Schloss aufgehalten, um sich huldigen zu lassen. Nachdem Fulda und Hersfeld unterworfen worden waren, zog Philipp nach Thüringen, um mit anderen Fürsten am 15. Mai 1525 in der Schlacht bei Frankenhausen Thomas Müntzer, den radikalen Theologen, Anführer der Bauern und „Rebellen“, samt Aufstand niederzuwerfen. 

Mehr Freiheit und Gerechtigkeit

Martin Luther hatte Müntzer und die Bauern durch seine „Ermahnung zum Frieden auf die Zwölf Artikel“ und durch die Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“ vor der „Sünde des Aufstands“ gewarnt. Letztlich eine Reaktion aufgrund der Tatsache, dass die Bauern dessen Schriften und Predigten falsch ausgelegt und den Reformator verspottet hätten. Nach dem Tod von 5.000 und zudem 600 gefangengenommen Bauern wurde Müntzer auf Veranlassung des Grafen von Mansfeld nach der Folter am 27. Mai 1525 hingerichtet.

Die Frage, warum sich die Bauern zwischen 1524 und 1526 erhoben haben, ist regional unterschiedlich zu beantworten. Die Geschichtswissenschaft spricht davon, dass die Erhebungen aus einer Kontinuität bäuerlicher Unruhen seit dem Mittelalter und aus der Abwehr der Bauern gegenüber Versuchen von Landesherren zu erklären sind, einen einheitlich regierten, geschlossenen Untertanenverband herzustellen – mit gleichzeitiger Steigerung der Abgaben und Dienste -, wodurch die bäuerliche Autonomie, der Gemeindebesitz, die Freiheit und Gerechtigkeit verlorengegangen seien.  

Treueschwur in Alsfeld gegenüber dem Landesherrn

Aus Thüringen zurückgekehrt, ließ sich Landgraf Philipp Mitte Juni 1525 in ganz Hessen die Treue schwören. Auch Alsfeld leistete die Huldigung, dem Fürsten treu, hold und gehorsam zu sein und ihn vor allem Schaden zu bewahren. 

Merkwürdig ist, dass Rat und Bürgerschaft Alsfelds dem Fürsten nochmals die Treue schworen, worüber ein umfangreiches Dokument vom 2. Dezember 1525 im Rats-Buch der Stadt informiert und fünf Seiten einnimmt. Damit „jede Untat von Aufruhr“, wie sie im Bauernkriege vorgekommen sei, ausbleibe, soll „jeder frumme Biddermann bei Recht und dem Seinen fridlich sitzen bleiben“ und dass „ein iczlicher under unss zu Abwendung und Vorhuettung“ allen künftigen Aufruhrs und des daraus fließenden Übels verpflichtet werde.

Vor allem sollte „in ewigker Zeit nymmermeher kein Uffrirung, Vorterung und Versamelung“ von den Untertanen gegen die Obrigkeit ausgehen, was mit dem Eid: „Als ware helff uns Got und seyne heyligen Evangelia“ bekräftigt wurde.

Das Dokument fasst die Alsfelder Ereignisse rund um den Bauernkrieg zusammen und zeigt allgemein, dass dieser eine sozial- und mentalitätsgeschichtliche Erhebung war, die für Freiheit, Selbstständigkeit und Gerechtigkeit gegen obrigkeitliche Unterdrückung stritt, aber aufgrund einer zunehmenden Radikalisierung entglitt.

von Michael Rudolf

 

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