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Blick ins Archiv: Ein Spektakel mit GeschichteWas man zu 525 Jahren Alsfelder Pfingstmarkt wissen muss

ALSFELD. Die Wurzeln des beliebten „Volksfestes“ gehen ins Jahr 1499 zurück – Landgraf Ludwig VI. erneuerte das Marktprivileg im 17. Jahrhundert.

Dass die Alsfelder feiern können, haben sie in ihrer traditionsreichen Geschichte oft bewiesen. Die Feierlichkeiten gründeten nicht selten auf den früher durch die Landesherren verliehenen Märkten, die der Versorgung, dem Warenaustausch und vor allem zur Beförderung der Wirtschaftskraft sowie der Ausbildung des Wohlstandes der Bevölkerung in Stadt und Land dienten.

Einer dieser Märkte ist der „Alsfelder Pfingstmarkt“, den Einheimischen wie Auswärtigen in unseren Tagen meist als „Jux-Markt“ oder „Vergnügungspark“ bekannt. Der Blick in die Vergangenheit weist diesen „Pfingstmarkt“ zunächst als einen „Krammarkt“ aus, dessen Wurzeln nachweislich im 15. Jahrhundert liegen und dieser in 2024 auf eine 525-jährige Tradition blicken kann.

Das älteste, zum momentanen Zeitpunkt bekannte Dokument und damit der früheste Nachweis über einen „Alsfelder Pfingstmarkt“ ist eine sich im Staatsarchiv Darmstadt befindende Urkunde (HStAD Bestand A 3, Nr. 5/63, alte Archivsignatur), die auf den 9. April 1499 datiert ist und in der Landgraf Wilhelm von Hessen die örtliche Zunft der Wollweber mit zahlreichen Rechten ausstattet und ihnen die eine oder andere Pflicht auferlegt, was in der Urkunde ausgeführt wird und als „Zunftsatzung“ zu verstehen ist.

Das verblasste, löchrige, auf Pergament geschriebene, stark beschädigte, schwer zu lesende und von den Spuren der Zeit gezeichnete Dokument aus dem Jahr 1499 hält den beeindruckenden Nachweis bereit, dass der „Pfingstmarkt“ in der Stadt an der Schwalm in 2024 auf ein 525-jähriges Jubiläum zurückblicken darf.

Eine Urkunde mit Bedeutung

Dem Alsfelder Axel Haltenhof und dessen Recherche ist es zu verdanken, dass wir Einblick in das trotz seiner Beschädigungen faszinierende Dokument nehmen können, da es visualisiert auf der Seite des Staatsarchivs Darmstadt unter oben genannter Signatur vorliegt und dort einzusehen ist. Obschon frühere Lokalhistoriker wie Wilhelm Gottlieb Soldan, Eduard Edwin Becker, Karl Dotter, Herbert Jäkel, Siegmar Baron von Galéra und andere bereits mittel- oder unmittelbar von der Existenz dieser Urkunde Kenntnis hatten und über diese schrieben, wohl ohne die Urkunde ihren Veröffentlichungen als visuelles Medium unterstützend hinzuzufügen, vermutlich aus Gründen der mangelhaften Qualität, wie wir das auch nicht tun, ist das Nachforschen Axel Haltenhofs zu loben, eröffnet dieses Tun doch die Chance, in diesem Jahr ein kleines Jubiläum des Pfingstmarktes zu begehen.

Interessant ist die Existenz dieser Urkunde und die Möglichkeit, fortan mit ihr zu arbeiten, ist sie doch, was das Vorhandensein im Staatsarchiv Darmstadt bestätigt, der bisher älteste Nachweis der Erwähnung des hiesigen Pfingstmarktes als einem „freien Markt“ 1499, der bestätigt ist.

Eduard Edwin Becker, Pfarrer, Archivar und einer der frühen namhaften Alsfelder Lokalhistoriker, äußert sich über das verliehene Privileg eines Pfingstmarktes in Alsfeld im Zusammenhang mit der Urkunde für die hiesigen Wollweber in seinem Beitrag über die „Alsfelder Urkunden des Staatsarchivs zu Darmstadt 1292 – 1807“ (M. OHGV NF 33. Bd., Gießen 1936, S. 160f.) und schreibt hierüber beispielsweise, dass Landgraf Wilhelm den Meistern des „Wollenweberhandwerks zu Alsfeld eine Zunft und Bruderschaft“ gegeben habe.

Der Wortlaut der Urkunde weist auf das künftige Miteinander, das Soziale, die Rechte und Pflichten der Mitglieder, die Arbeits- und Produktionsweise, das Handeln in Stadt und Land, den Warenverkehr und den Verkauf an Markttagen und vieles mehr hin. Für unseren Zusammenhang hält Becker in seinem „Regest“ die Bestimmungen des Landgrafen an den Markttagen bereit, was mit dem Wortlaut der Urkunde von 1499 korrespondiert.

Die ansonsten strengen Auflagen, was den Tuchhandel, das Herstellen von Kleidung und andere Tätigkeiten betrifft, werden an den nachfolgend genannten „freien Markttagen“ aufgehoben, so dass „an den drei freien Märkten, Sonntag nach Walpurgis (1. Mai), Pfingstmontag (kein festes Datum) und Sonntag nach des h(eiligen). Kreuz Tag Exaltacionis (14. September), jeder Tuche, wie sie sind, verfließen, verschneiden und verkaufen“ darf, wie es „von alters herkommen“ sei.

Dieser Passus bestätigt, dass der „Pfingstmarkt“ in Alsfeld mindestens auf das Jahr 1499 zurückgeht und damit die Existenz eines freien „Jahr-Marktes“ zwei Jahre nach der Privilegierung der Stadt mit einem „Wochenmarkt nach dem Beispiel der Stadt Marburg“ unter Landgraf Wilhelm III. bezeugt ist (vgl. Rudolf, 29. Mai 1497, Landgraf Wilhelm III. verleiht Alsfeld einen freien Wochenmarkt, in: Sonderbeilage der OZ u. OZ-Extra v. 29. April 1997).

Bei aller Freude über die Existenz der Urkunde von 1499 und dass wir mit ihr Einblick in einen wichtigen Part der Alsfelder Wirtschafts- und Handelsgeschichte nehmen können, muss festgehalten werden, dass der Pfingstmarkt mit Unterbrechungen, Veränderungen, Verschiebungen und Herabsetzungen seiner einstigen Bedeutung konfrontiert war und das Privileg des „freien Marktes“, an dem jeder handeln, kaufen und verkaufen durfte, keinen Bestand hatte. Im Laufe der Zeit wurde aus diesem „freien“ ein „unfreier“ Markt. Karl Dotter, Lehrer und Stadtarchivar, bemerkt in seinem Beitrag über die Märkte in der Stadt Alsfeld (M.GAVA 6. R. 1929, Nr. 8, S. 68 – 71), dass Märkte durch tonale Aktivitäten eingeläutet wurden, so das Trommelschlagen oder das Läuten der Glocken samt dem Hissen der „groff grünen Marktfahne“ in Alsfeld.

Landgraf Ludwig VI. war Alsfeld wohlgesonnen

Dass der Pfingstmarkt nach Dotter später nicht mehr eingeläutet, also bekanntgemacht wurde, er auch als „unfrei“ galt, nicht mehr allen Handelswilligen zugänglich und in seiner Bedeutung herabgesunken war, ist genauso wie die spätere Verlegung des Marktes auf Pfingstdienstag, die Urkunde von 1499 spricht noch von Pfingstmontag, bemerkenswert.

Da Landgraf Ludwig VI. der Stadt Alsfeld wohlgesonnen war und ihrer Bitte um Verleihung eines bedeutenderen Marktes entsprach, um selbst von den höheren Einnahmen zu profitieren, erhob der hessen-darmstädtische Fürst durch das Dekret vom 18. September 1668 den Alsfelder Pfingstmarkt wieder zu einem „offenen freien Jahr-Markt“. Das Original in Alsfelds Stadtarchiv lässt erkennen, dass der „unfreie Markt des Pfingstdienstags und der an Kiliani (8. Juli) zu offenen freien Märkten“ wurden. Der Landgraf erteilte weitere Markt-Privilegien, wovon die immer noch an den Folgen des Dreißigjährigen Krieges leidende Stadt profitierte (vgl. Rudolf, Alsfelder Pfingstmarkt-Urkunde 1668, in: OZ v. 16. Mai 2018).

Das historische Interesse der Pfingstmarkt-Feierlichkeiten gilt in diesem Jahr der Urkunde des Jahres 1499, die den frühesten Nachweis eines „freien Marktes“ an Pfingsten vor 525 Jahren enthält, und dem Dekret des Landesherrn aus 1668, das ein Jahr später wirksam wurde und den im Laufe der Zeit stark veränderten Markt vor 355 Jahren wieder zu einem „offenen freien Jahr-Markt“ machte, wobei das ursprüngliche Marktgeschehen, wird die Verbindung zum 15. Jahrhundert gesucht,  bewusst oder unbewusst, erneuert worden war und bis heute eine Kontinuität existiert.

Und wenn Bürgermeister Stephan Paule am 17. Mai 2024 Alsfelds Pfingstmarkt eröffnet, tut er das in Erinnerung an eine über 500-jährige Tradition. Dieser Tradition folgend, werden in diesem Jahr wiederum Alt und Jung das vergangene Marktgeschehen lebendig halten, das Überlieferte in der Gegenwart pflegen und dafür Sorge tragen, dass das beliebte Volksfest und der historisch gewachsene Krammarkt auch in Zukunft mit Freude veranstaltet wird.

 Von Michael Rudolf

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