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Schülerin aus Romrod beeindruckt mit einfühlsamer KurzgeschichteJulia Rausch gewinnt Jugend-Literaturpreis der OVAG mit berührender Abschiedsgeschichte

ROMROD (ol). Die 18-jährige Julia Rausch aus Romrod hat den Jugend-Literaturpreis der OVAG gewonnen. Mit ihrer beeindruckenden Kurzgeschichte „Engelchen, Engelchen flieg“ überzeugte sie die Jury und begeisterte mit ihrer einfühlsamen Darstellung des Abschieds. 

Keiner bleibt verschont, jeder wird, jeder muss diese Erfahrung machen: Den Moment des Abschieds, gleich ob am Anfang, in der Mitte oder am Ende seines Lebens. Die 18-jährige Julia Rausch aus Romrod hat diese Erfahrung laut einer Pressemitteilung der OVAG in ihrer Kurzgeschichte „Engelchen, Engelchen flieg“ derart gekonnt in Worte gefasst, dass sie beim diesjährigen, dem 20. Jugend-Literaturpreis der OVAG, den ersten Platz belegt hat. Schon im Vorjahr hatte sich die Schülerin der Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld, in der Geschichte „Ballkleidgefühle“ als versierte Beobachterin profiliert. Ein Protagonist der schaut, beschreibt und sich selbst zurücknimmt. Worin sicherlich einiges von Julias zurückhaltenden Mentalität eingeflossen ist.

Mit ihrem diesjährigen Text hat sie sich noch einmal verbessert, „Der viertätige Workshop in Bad Kissingen, zu dem die Preisträger eingeladen waren, hat mir wahnsinnig geholfen“, erzählt Julia im Rückblick. „Ich achte seitdem noch mehr auf die Worte, auf Wiederholungen, auf Überflüssiges, auf Füllwörter, die eine Geschichte oft schwächer machen.“

In der 7. Schulklasse nahm Julia Rausch an einer Presse AG ihrer Schule teil. „Das war schon eine Erfahrung, wie man mit Worten jenseits des Schulunterrichts umgehen kann“, sagt sie. „So eine AG geht ja in die journalistische Richtung, man schreibt über andere, über Ereignisse. Ich wollte danach etwas darüber schreiben, was von mir selbst ausgeht, was mich beschäftigt.“ Mit Erfolg, wie ihre beiden bisherigen Teilnahmen beim Jugend-Literaturpreis der OVAG beweisen.

Wie sie nun auf die Idee mit ihrer diesjährigen Geschichte gekommen ist? „Ich möchte nach dem Abitur erst einmal aus Romrod wegziehen möchte, um irgendwo zu studieren. Ich habe mir eben vorgestellt, wie das sein könnte, wenn man sein Elternhaus und seine gewohnte Umgebung verlässt. Schwierig wird das, das ist mir klar.“

Bewusst offen gelassen hat Julia in ihrer Geschichte, um welche Personen es sich handelt, die Abschied nehmen: Die Jugendliche von dem Vater, von der Mutter, die Enkelin vom Großvater, von der Großmutter? Der Leser – und das ist ein gleichwohl geschickter wie gelungener Kniff bei ihrer Vorgehensweise – wird sich selbst und jene Person vor sich sehen, von der er Abschied nehmen muss oder Abschied genommen hat. Denn – der zweite geschickte Schachzug – die Geschichte ist von beiden Seiten zu lesen, von jenen die bleiben sowohl von jenen, die gehen, so heißt es.

Eine Thematik, die gerade dazu verleite in Sentimentalität, wenn nicht gar Kitsch abzudriften. Dieser Versuchung sei Julia mit einer für ihr Alter erstaunlichen Reife nicht erlegen. Sie hat sehr wohl mit viel Empathie und Gefühl geschrieben, mit Einfühlungsvermögen und dem Vermögen stets den richtigen Ton zu treffen. „Du hast mir lange nicht mehr vorgelesen“, gibt sie gleich im ersten Satz die Richtung vor. „Ich vermisse, wie du Figuren mit deiner Stimme zum Leben erweckt hast.“ In den Erinnerungen, die die Erzählerin (oder der Erzähler?) Revue passieren lässt, schleicht sich ungeschrieben die nüchterne Feststellung ein: Das ist eben so, das muss so sein, das lässt sich nicht ändern. So ist es eben, das Leben. „Ich bin älter geworden als damals in dem Ohrensessel und es ist an der Zeit, das hinter mit zu lassen. Auch wenn es bedeutet, mich von dir zu entfernen“, mündet in die Frage: „Doch wie verabschiedet man sich von einem Menschen, der immer da war“ die wiederum zu der Erkenntnis leitet: „Es wird sich nicht alles verändern. Wenn ich einen Zebrastreifen überquere, werde ich weiterhin nur auf die weißen Streifen treten.“

Zu lesen gegeben hat Julia ihren Text, an dem sie mehrere Wochen geschrieben hat, zunächst nur einem Lehrer, und ihren Eltern erst, als sie die Geschichte abgeschickt hatte, heißt es. Was für ein ordentliches Selbstbewusstsein spreche.

Was sie genau studieren möchte, darauf hat sie sich noch nicht festgelegt. Vielleicht etwas mit Politik. Dem Schreiben werde sie auf alle Fälle verbunden bleiben, wenn auch nicht beruflich. „Allein zum Ausgleich.“ Möglicherweise auch, um Dinge, die sie bewegen, besser verarbeiten, besser einordnen zu können. „Ich denke schon, dass mir nach dem Verfassen dieser Geschichte der Abschied von zu Hause ein wenig einfacher fallen wird.“ Mal sehen, über welchen Text von Julia Rausch man sich im nächsten Jahr freuen darf. Ihr jetziger Text zumindest ist in dem im Februar 2024 erscheinenden Buch „Gesammelte Werke“ zu lesen.

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