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Bürgermeister Paule über das Wärmekonzept und die Folgen für Alsfelder„An der privaten Haustür endet unsere Planung in jedem Fall“

ExklusivALSFELD – Das Heizungsgesetz hat in der Republik für kontroverse Debatten gesorgt. Bei der Einigung ist ein Passus hinzugekommen: dass Kommunen erst einmal ein Wärmekonzept erstellen sollen, damit das Mammutprojekt der Umstellung auf Co2-neutrale Wärmeerzeugung sinnvoll ablaufen kann. Aber was bedeutet das genau für Kommunen und die Einwohner? Bürgermeister Stephan Paule erklärt im Gespräch mit OL-Autor Axel Pries, was auf Alsfelder in den nächsten Jahren zukommen wird. Eines ist klar: Es steht viel Arbeit bevor.

Frage: Inwiefern ist Alsfeld von dem im Heizungsgesetz vorgesehenen Wärmekonzept betroffen?

Paule: Im Moment noch nicht, da das Gesetz noch nicht verabschiedet ist, aber es ist davon auszugehen, dass alle Kommunen verpflichtet werden, eine kommunale Wärmeplanung zu erstellen. Insofern werden wir voraussichtlich betroffen sein, aber unabhängig davon haben wir durch die Klimaschutzmanagerin die Vorbereitungen zum Beantragen von Fördermitteln für eine Wärmeplanung fast abgeschlossen. Es gibt nämlich sowohl beim Land wie auch beim Bund verschiedene Fördertöpfe, aus denen Gemeinden unterstützt werden, die so etwas vorhaben. Dafür wollen wir einen Antrag stellen.

Frage: Ist Alsfeld nach aktuellem Stand von einem Gebot zur Erstellung eines Wärmekonzepts überhaupt betroffen?

Paule: Der letzte Entwurf des Gesetzes, den ich kenne, betrifft alle Kommunen, egal welcher Größe. Das hessische Gesetz geht nur von Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnern aus, das betrifft uns nicht, aber das Bundesgesetz betrifft alle.

Alsfeld greift dem Ganzen vor – warum eigentlich?

Das hat einen ganz pragmatischen Grund: Wenn irgendetwas davon mal zur Pflicht wird, nehmen die Fördermittel meistens schnell ab, weil man das eh machen muss. Wenn man sich rechtzeitig daran setzt, kann man aber noch eine höhere Förderquote erreichen.

Das heißt: Die Erstellung eines Wärmekonzepts ist im Alsfelder Rathaus bereits konkretes Thema. Wie will die Stadt das Projekt angehen?

Das geht gar nicht anders, als dass ein Planungsbüro damit beauftragt wird. Da müssen unheimlich viele Daten gesammelt werden. Dazu zählen die Kehrbücher der Schornsteinfeger, die Größe der bewohnten Flächen, der zurzeit benötigte Energiebedarf, die Art der Wärmeerzeugung und so weiter. Das alles muss aufgenommen werden, um dann – wie es im Gesetzentwurf heißt – einen Pfad zur Co2-Neutralität aufzuzeigen.

Dürfen Sie denn solche Daten überhaupt in der Menge und Tiefe von den Menschen erheben?

Das muss so ein Gesetz regeln, weil es in der Tat darum geht, datenschutzrelevante Daten zu erheben. Das heißt: Schornsteinfeger müssen zum Beispiel die Erlaubnis bekommen, diese Daten an die Behörde weiterzugeben.

Die Erhebung ergibt einen riesigen Wust an Daten. Was machen Sie dann damit?

Die Wärmeplanung bedeutet zunächst nichts anderes, als dass wir planen. Wie man dann die Alternativen zur bisherigen Wärmenutzung umsetzen kann, und was man dabei will, ist danach die nächste Frage, der sich die Politik und auch die privaten Haushalte stellen müssen. Für ein einzelnes Gebäude kann drinstehen: hat schon eine Co2-neutrale Wärmeversorgung, bei der nichts mehr gemacht werden muss – bis hin zu: hat eine traditionelle Heizung mit fossiler Energie, die man problemlos am Ende ihrer Lebenszeit durch eine andere Heizmethode ersetzen kann. Oder es zeigt sich, dass es schwierig ist, irgendwo eine individuelle Lösung zu finden, und der Anschluss an ein Nahwärmenetz wäre die Option. Das steht alles in der Planung, aber dann kommt es auf den einzelnen beziehungsweise auch die Stadt an, was am Ende daraus gemacht wird.

Das heißt: Sie kommen nach der Erstellung des Konzepts nicht mit der Verordnungskeule und erklären den Leuten: Sie müssen auf das oder das umstellen.

Genau! Es ist nur eine Planung, ein Konzept, wie eine Kommune die Co2-Neutralität erreichen kann. Egal was da drin steht: An der privaten Haustür endet unsere Planung in jedem Fall. Der private Haushalt ist natürlich an das Heizungsgesetz gebunden, aber man kann selbst entscheiden, die eigene, alte Heizung noch zu behalten, wenn die es noch tut. Da kann die Stadt schreiben, was sie möchte. Das individuelle Umstellen oder der Anschluss an z. B. ein Nahwärmenetz ist eine individuelle Entscheidung des Einzelnen, für das dieser überzeugt werden muss.

Bevorzugte Mittel der Wärmeproduktion werden wahrscheinlich Wärmetauscher und Biogasanlagen sein. In Dörfern und den Stadträndern lassen sich solche Anlagen gut installieren, aber was ist dem weiteren Stadtgebiet, insbesondere mit der Alsfelder Altstadt?

Die historische Altstadt ist schon ein ganz besonderes Gebiet, weil Fachwerkbauten aufwendiger sind, wenn man Wärmedämmung verbessern will, und weil die Installierung verschiedener Heizgeräte sich den örtlichen Gegebenheiten anpassen muss. Meine Prognose ist, dass ein Nahwärmenetz in der Altstadt das Mittel der Wahl sein könnte, wenn genügend Haushalte sich anschließen würden.

Inwiefern? Wo und wie soll dann die Wärme erzeugt werden?

Was die Wärme erzeugt, das ist die große Frage. Dazu wird auch die Wärmeplanung keine Vorgabe machen, denn es gibt verschiedene Möglichkeiten, CO2-neutral Wärme zu erzeugen, und dann wird in Konzept stehen, dass Nahwärme Sinn macht, aber nicht, wie die Wärme erzeugt wird: zum Beispiel ob mit Biogas oder einer Freiflächen-Solarthermieanlage oder etwas anderem. So ein Nahwärmenetz würde nach wirtschaftlichen Kriterien geprüft werden. Das Ganze geschieht ja technologieoffen – mit der Vorgabe eben, CO2-neutral zu werden.

Wäre aber nicht genau das die Frage an die Stadt: wie die Wärme erzeugt werden soll? Das kann die Stadt ja tatsächlich planen.

Zunächst ist jeder individuelle Hausbesitzer gefragt, wie er sein Haus beheizt. Die Stadt kommt mit ihrer Planung ins Spiel, wenn die Herausforderung größer ist, als das, was man individuell leisten kann. Dann spielt gemeinschaftliche Wärmeerzeugung eine Rolle.

Waren Sie bei dem Thema schon mit der OVAG oder anderen Energieversorgern im Gespräch? Die machen sich sicherlich auch Gedanken über ein Konzept.

Die machen sich alle Gedanken darüber, sowohl die OVAG als auch die Rhön-Energie. Wir sind ja in beiden Netzgebieten, OVAG beim Strom, RhönEnergie beim Gas. Es ist auch Teil des Auftrags vom Parlament an die Stadt, dass man die Versorger einlädt und sich über deren Planungen und Vorstellungen informiert.

Sehen Sie einen Konflikt zwischen Denkmalschutz und den Anforderungen einer klimaneutralen Heizung in der Altstadt? Stichwort Wärmedämmung etwa.

Der Denkmalschutz ist nicht zwingend das Problem. Die Herausforderung liegt vor allem in der engen innenstädtischen Bebauung.

Sie meinen die Verlegung von Leitungen in Altstadtgassen.

Ja, aber es ist nicht so, dass wir damit ganz unerfahren wären Unsere Stadtwerke haben mit Wasser- und Abwasserleitungen jahrelange Erfahrungen. Die Frage wird sein: Ist so etwas erforderlich? Gibt es genügend Leute, die bei der Nahwärme mitmachen würden? Und wenn ja: Wer ist der Träger eines solchen Nahwärmenetzes? Sollte dabei eine gewisse Goldgräberstimmung aufkommen, werden sicherlich auch verstärkt private Unternehmen auftreten und ihre Dienste anbieten, unter ihnen vielleicht auch Glücksritter, gegen die man sich wehren muss. Das wird die Zukunft zeigen.

Diese Zukunft klingt in jedem Fall nach vielen aufgegrabenen Straßenzügen.

Das ist so. Die Straße muss geöffnet werden, wenn man ein Nahwärmenetz baut. Wie viel und weit gegraben wird, ist auch eine wirtschaftliche Frage, denn die Kosten dafür werden später auf die Bezieher umgelegt.

Was kommt auf die Alsfelder als nächstes zu? Werden Sie Info-Abende veranstalten, werden Sie Konzepte vorstellen?

Zunächst einmal gibt es die Wärmeplanung für die gesamte Stadt, das geschieht aufgrund der vorhandenen Daten. Es wird vielleicht vereinzelt auch Ortsbegehungen geben. Wenn es konkret am die Planung eines Nahwärmenetzes geht, wird es so laufen, wie das vor zehn Jahren in Lingelbach (bei der Gründung der Bürgerenergiegenossenschaft) gelaufen ist: Da werden mögliche Kunden angesprochen, es wird Info-Abende geben, bei denen über Preise und Bindefristen informiert wird. Ganz klar ist: Wenn es um ein Nahwärmenetz geht, geht es nicht ohne die Kunden. Das ist ja alles freiwillig. Es funktioniert nur, wenn sich genügend Menschen beteiligen, damit sich das wirtschaftlich rechnet.

Wer bezahlt das Ganze am Ende?

Es gilt wie immer in ganz Deutschland: Die Wärme für die eigenen vier Wände bezahlt jeder selbst. Da ist auch Planung mit drin, die mit den Gesamtkosten auf die Nutzer umgelegt wird. Das ist nicht anders als beim privaten Heizungsbau.

Es kommt bei der Umstellung also einiges auf die Alsfelder zu.

Nur vordergründig. Lingelbach ist das beste Beispiel, wie die Nutzung der Nahwärme ein kostengünstiges Heizen ermöglicht. Das Konzept zieht, dort sind von 180 Häusern auch 100 an das Netz angeschlossen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4 Gedanken zu “„An der privaten Haustür endet unsere Planung in jedem Fall“

  1. Genau dieser Satz „An der privaten Haustür endet unsere Planung in jedem Fall“ zeigt, dass man aus Lingelbach nichts gelernt hat und keine Ahnung hat, wo es in Zukunft hingehen soll!

    1/4 der Bevölkerung soll in den nächsten Jahren an Fernwärmenetze angeschlossen werden. Großwärmepumpen, Geothermie, Solarthermie, Biomasse oder Abwärme aus Industrie sind einige Möglichkeiten hierfür.

    Wenn Alsfeld ein kommunales Wärmekonzept erstellen will, dann sollte das in einer Bürgerbeteiligung münden, in der es das Ziel sein sollte, X% der Bürger an dieser Maßnahme zu beteiligen. Wenn ich doch schon X Tausend Euro in eine neue Heizung Investieren soll, warum nicht in ein kommunales Fernwärmenetz.

    Wir beginnen mit dem DHL Standort, der eh nix wird, eine ideale Fläche für Solarthermie. Eine Studie für so eine Maßnahme wäre sinnvoll und mal ein zukunftsweisendes Projekt

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  2. FALSCH. In dem Moment in dem Alsfeld eine Wärmeplanung verabschiedet, ist der Neubau von Ölheizungen faktisch verboten. Diese sind derzeit ausverkauft, aufgrund der Torschlusspanik völligüberteuert und die Handwerker sind ausbucht.
    Im Ergebnis wird dann jedes ältere Haus mit bislang noch erlaubtem ü30 Niedertemperaturkessel oder in dem die Öl Heizung kaputt geht zum wirtschaftlichen Totalschaden – dann ist die Wahl entweder Sanierung + Wärmepumpe für weit über 100.000 EUR oder Ruine ohne Heizungsmöglichkeit per Gesetz und dann Abwanderung mit Leerstand, was ich machen würde denn ich werde mich nicht über den Wert des Hauses erneut verschulden.
    Die Kommune sollte daher die Wärme-Planung so spät wie möglich verabschieden, Pflicht ist erst 2028, um Bürgern maximal Zeit für eine finanzierbare Lösung zu verschaffen statt kurzfristig auf Fördertöpfe und Tempo zu schielen. Diese Enteignung und Verarmung der Hausbesitzer, die Alsfeld durch Leerstand zerstören wird sollte der CDU Bürgermeister nicht noch beschleunigen. Ich hätte niemals gedacht dass eine selbsternannte Klimadiktatur das Volk enteignet und aus der Stadt vertreibt, aber das ist es was gerade passiert. AUF DIE STRASSE!

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  3. Hört sich für mich alles in allem so an, als hätte man Stand heute noch gar nichts gemacht, startet auch erst wirklich, wenn man gesetzlich dazu gezwungen wird (die leise Hoffnung man ist evtl. als Kommune zu klein hört man ja unterschwellig raus) und hat dann auch erstmal nur ganz lockere vollkommen unverbindliche Planungen im Blick. Ich bin kein Freund von einem Zwang Heizungen sofort umzustellen aber wenn wir Projekte so angehen kann ich mir als Hausbesitzer vor 2070 vermutlich nicht mit einer kommunalen Alternative konkret auseinandersetzen. Da sind andere Kommunen deutlich weiter und haben dann schon heute oder in wenigen Jahren z.B. das Fernwärmenetz fertig als mögliche Alternative, wenn die Alte Ölheizung nicht mehr kann.

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  4. Herr Paule das zwingende Problen ist das kein normaler Hauseigentümer das bezahlen kann auch kein Mieter wenn es umgelegt wird. Viele Bürger reicht heute das Geld zum Leben nicht. Diese Politik versteht keiner ich auch nicht.

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