0

Qualitätszirkel Notfallmedizin der Landkreise Gießen, Marburg-Biedenkopf und VogelsbergkreisAktuelle Themen und Probleme im Rettungsdienst beleuchtet

VOGELSBERGKREIS (ol). Zahlreiche Interessierte haben am 21. Mittelhessischen Rettungsdienstsymposium des Qualitätszirkel Notfallmedizin der Landkreise Gießen, Marburg-Biedenkopf und Vogelsbergkreis teilgenommen. Bei der überregionalen Fortbildungsveranstaltung wurden aktuelle Themen und Probleme im Rettungsdienst beleuchtet.

Zum 21. Mal veranstaltete der gemeinsame Qualitätszirkel Notfallmedizin der Landkreise Gießen, Marburg-Biedenkopf und Vogelsbergkreis das Mittelhessische Rettungsdienstsymposium. Die Onlineveranstaltung war laut einer gemeinsamen Pressemitteilung in drei Themenblöcke unterteilt und enthielt Vorträge zu wichtigen Themen und aktuellen Problemen im Rettungsdienst. Demnach sei das Angebot gut angenommen worden – über 200 Interessierte haben an der überregionalen Fortbildungsveranstaltung teilgenommen, die online durchgeführt wurde.

Dr. Andreas Jerrentrup (Marburg) eröffnete das Symposium mit einem Vortrag über die flächendeckende Einführung von Ultraschall (Sonographie) im Rettungsdienst Mittelhessen. Bei einer entsprechenden Schulung des Personals kann eine Sonographie auch von nicht ärztlichem Personal durchgeführt werden. Die Sonographie bereits im Rettungsdienst und nicht erst im Krankenhaus bilde eine wichtige diagnostische Ergänzung, die auch therapieentscheidend sein kann.

Eine der größten Herausforderungen im Rettungsdienst sei die Behandlung des traumatischen Kreislaufstillstandes, also eines Kreislaufstillstandes, der durch Verletzungen verursacht wurde – Carl Christian Hahn (Gießen) referierte daher über „Clamshell Thorakotomie“ (Öffnung des Brustkorbes). Diese Maßnahme hat das Ziel, eine interne Herzdruckmassage durchführen zu können und die Herzbeuteltamponade zu entlasten. In der Praxis könnte diese Prozedur Rettungsdienstbereichsweit oder in Form von speziell geschultem Team, das bei Bedarf nachalarmiert wird, umgesetzt werden.

Schulungen für Personal nötig

Ergebnisse aus dem Deutschen Reanimationsregister stellte Patrick Ristau (Kiel) vor. Das Deutsche Reanimationsregister ist die größte überregionale Datenbank für die Erhebung, Auswertung und Beurteilung von Reanimationen in Rettungsdienst und Klinik sowie von innerklinischen Notfallversorgungen im deutschsprachigen Raum. Der Bericht enthält Aussagen zu den Patienten, Ergebnissen, der Weiterversorgung und dem Langzeitverlauf und sei daher ein wichtiges Instrument für die Nachbesprechung des Einsatzes mit den entsprechenden Mitarbeitenden, um damit die Reanimationsergebnisse stetig zu verbessern. Dr. Nils Lenz (Ärztlicher Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) Landkreis Gießen) referierte über die Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Kohlenmonoxidvergiftung“.

Den dritten Themenblock zu den aktuellen Problemen im Rettungsdienst leitete Dr. Thomas Plappert (stellv. ÄLRD Fulda) mit seinem Vortrag zur „Präklinischen Akutmedizin im Rettungsdienst“ ein. In den vergangenen Jahren habe es es eine Veränderung im Einsatzgeschehen gegeben. Nicht nur im Landkreis Fulda zeige sich, dass die Anzahl der Einsätze mit einer niedrigen Komplexität des Krankheitsbildes und einer niedrigen Dringlichkeit (R0 Einsätze) stärker zunehmen als die Notfalleinsätze.

Veränderung im Einsatzgeschehen

„R0-Einsätze sind ein Problem im Rettungsdienst. Uns allen ist bewusst, dass diese Patienten Hilfe benötigen, einer von 20 ist sogar lebensbedrohlich erkrankt. Die Frage ist aber, ob alle diese Patienten einen Transport in eine Klinik brauchen. Wir produzieren damit immer mehr rettungsdienstliche Vorhaltung und Belastung der Kliniken, wenn diese Patienten alle transportiert werden“, erklärt Plappert.

Ein Lösungsansatz könnte eine ambulante Versorgung durch Notfallsanitäter sein, die über eine dreimonatige Zusatzausbildung verfügen. Um ein solches Vorgehen in der Praxis zu testen, soll ein Pilotprojekt „Akutmedizin im Rettungsdienst Hessen“ etabliert werden, das sich aktuell aber noch in der Entwicklung befände.

In der anschließenden Diskussion mit Susanne Sommer (Hausärztin im Vogelsbergkreis), Dr. Henrik Vollbracht (Referent Rettungsdienst HSMI), Prof. Dr. Alexander Lechleuthner (ÄLRD Köln) und Dr. Erich Wranze-Bielefeld (ÄLRD Vogelsbergkreis) wurden die aktuellen Problemstellungen noch einmal erläutert. „Es gibt eine Versorgungslücke zwischen der Hausärztlichen Versorgung und dem Rettungsdienstsystem“, erklärt Lechleuthner.

Einige Patienten, deren Krankheitsbild eigentlich nicht vom Rettungsdienst versorgt werden muss, die aber aus verschiedenen Gründen nicht selbst zu einem Hausarzt gehen können, finden im derzeitigen Gesundheitssystem keine Anlaufstelle und wählen dann den Notruf. Für den Rettungsdienst führe die Vielzahl dieser Einsätze oft auch zu einer Nichteinhaltung der Hilfsfristen. Unter den Beteiligten herrschte Einigkeit darüber, dass ein differenziertes System für die Hilfsfristen notwendig ist, das zum Beispiel auch Meldebilder berücksichtige.

Problemlösung durch Vernetzung und Absprache

Das Fazit der interessanten Diskussion: Probleme können nicht allein im Rettungsdienst gelöst werden. Um Veränderungen herbeizuführen seien eine Vernetzung und enge Absprachen zwischen hausärztlicher Versorgung, ärztlichem Bereitschaftsdienst, Leitstellen und Rettungsdienst sowie Kliniken unabdingbar.

Die Veranstaltung wurde auch genutzt, um sich bei Dr. Erich Wranze-Bielefeld zu bedanken, der sich Ende Januar in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Bereits seit 1988 war Wranze-Bielefeld als Notarzt im Einsatz. Von 1995 bis 2021 war er als Leitender Notarzt im Landkreis MarburgBiedenkopf tätig. Zudem war er viele Jahre der ÄLRD im Landkreis MarburgBiedenkopf und im Vogelsbergkreis.

„Erich Wranze-Bielefeld war dabei immer um eine Entwicklung bemüht, die die rettungsdienstliche Versorgung im Raum Mittelhessen verbessern sollte. Sein Engagement in all den Jahren hat den Rettungsdienst in der Region und auch das Mittelhessische Rettungsdienstsymposium entscheidend vorangebracht. Dafür sind wir ihm sehr dankbar“, erklärte Dr. Martin Sassen (ÄLRD des Landkreises MarburgBiedenkopf) abschließend

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren