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Günter Herles verlässt nach über 30 Jahren Hessen Mobil„Mr. Straßenbau“ geht in den Ruhestand

VOGELSBERGKREIS (ol). Günter Herles war im Gießener und Vogelsberger Raum für sein Engagement bei Hessen Mobil bekannt. Mit dem Jahreswechsel endete seine Zeit als Sachgebietsleiter Bau Mittelhessen. Nach über 30 Dienstjahren wurde er in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet.

Eine Straße vom Schwalmtaler Ortsteil Brauerschwend bis zur Münchener Allianzarena. Manchmal ist es kurios, wie genau sich darstellen lässt, was ein Mensch in seiner beruflichen Laufbahn geleistet hat, heißt es in einer Pressemitteilung von Hessen Mobil. Im Falle von Günter Herles, dem Sachgebietsleiter Bau von Hessen Mobil in Schotten, sind Start- und Endpunkt der Route aber mit Bedacht gewählt. Denn der 64-Jährige sei nicht nur Fan des FC Bayern München, sondern vor allen Dingen fest in seinem Heimatort verankert. Die knapp 420 Kilometer zwischen Haustür und Stadion entsprechen dabei genau der Strecke, die er in seiner Karriere beackert hat. Zum Jahresende geht Herles nun in den Ruhestand.

Als er kürzlich zur Verabschiedung einlud, löste die genannte originelle Verbildlichung seiner Karriere vom Ersten Kreisbeigeordneten Jens Mischak anerkennendes Murmeln im Raum aus. Neben vielen langjährigen direkten Weggefährten ließ auch die überraschend hohe Anzahl an Bürgermeistern im Saal erahnen, welche Unmengen an Respekt sich Herles in den über 30 Jahren, die er für Hessen Mobil tätig war, erarbeitet habe.

Gleich zwei Mal erhoben sich alle Gäste im Laufe des Abends sogar zu Standing Ovations. „Was hier stattfindet, hat es so im Vogelsberg noch nicht gegeben. Man müsste dir eigentlich ein Denkmal setzen“, befand auch Helmut Klein, Dezernent für Planung und Bau – Mittelhessen, und damit Vorgesetzter des Scheidenden bei Hessen Mobil. Wie hat es Herles geschafft, rundum einen derart positiven Eindruck zu hinterlassen?

Foto: Hessen Mobil

Aufgewachsen im Vogelsberg führte das Interesse für Bau und Technik den jungen Schwalmtaler zur Lehre in einer Alsfelder Baufirma mit den Zwischenstopps Bundeswehr und Bauingenieurswesen-Studium im Jahr 1990 zu Hessen Mobil.

Für ganze zwölf Jahre sollte er die Straßenmeisterei in Grünberg leiten. „Das war spannend und interessant, ich habe das gerne gemacht. Aber ich wollte dann wieder mehr in die Praxis, was den konkreten Straßenbau angeht“, berichtet Herles von seiner Lust, Anfang des neuen Jahrtausends neue Wege zu gehen. Vom Außendienst in den Innendienst – das hat nicht jeder verstanden „Bleib doch dein eigener Chef“, wurde ihm geraten. Doch was Herles sich in den Kopf setzt, zieht er auch durch. So landete er schließlich in Schotten im Bereich Straßenbautechnik.

Ausgezeichnete Fähigkeiten

Dort zeichnete er sich bald für verschiedene Autobahnabschnitte verantwortlich. Die Strecke der A5 zwischen Pohlheim, Fernwald und Reiskirchen wurde beispielsweise unter seiner Federführung saniert. Es war ein herausfordernder Auftrag, den Herles auch dank seiner ausgezeichneten Fähigkeit zum Netzwerken mit Bravour erledigte. Und das trotz viel Verantwortung bei gleichzeitig wenig Zeit. „Oft mussten Entscheidungen getroffen werden. Ohne langes Zögern und Zaudern. Und dann musste man auch mit dem ganzen Rattenschwanz an Folgen leben, wenn die Entscheidung erst einmal getroffen war“, blickt der 64-Jährige zurück.

Parallel dazu leitete Herles auch zahlreiche Sanierungsmaßnahmen im Kreis Gießen und auch immer öfter im Vogelsberg. Er war zudem Mitbegründer der jahrelangen Kooperation mit den Hessen Mobil-Kollegen in Westhessen, um sich gegenseitig personell zu unterstützen. Je öfter seine Behörde reformiert wurde, desto mehr agierte er schließlich „vor der eigenen Haustür“. Sein Ziel, die Region Vogelsberg strukturell voranzubringen, erreichte er deutlich. „An Bundesstraßen im Vogelsberg gibt es nirgendwo ein Stück, das nicht in Ordnung wäre“, brachte es sein Vorgesetzter Klein in seine Rede mit Nachdruck auf den Punkt.

Lob und Anerkennung

Herles selbst hat das viele Lob an seinem großen Abend durchaus stolz, aber auch etwas unangenehm berührt aufgenommen. „Die gute Zusammenarbeit mit Kommunen, mit Brückenbaukollegen, Straßenmeistereien und all den anderen Kollegen – ohne diese erfolgreiche Koordination kann auch ich allein nichts ausrichten“, führt er bescheiden aus. Er weiß um seine Verdienste, stellt sich aber ungern in den Mittelpunkt. So kann er sich kaum an Jahreszahlen persönlicher Erfolge erinnern, wohl aber an die Weggefährten in jenen Zeiten. Und mehrfach betont er im Gespräch: „Man darf nicht vergessen, dass es bestimmt auch ein paar Leute gibt, die nächstes Jahr durchatmen und sagen: „Wie gut, dass der Kerl endlich weg ist“.

Weg war der leidenschaftliche Fußballfan allerdings auch schon während der letzten Jahrzehnte: Nicht nur Ausflüge zu Fußballspielen von der Kreis- bis in die Bundesliga unternimmt er gerne – noch mehr konnte er die Akkus bei den weiten Reisen mit seiner Frau aufladen. Wer denkt, dass der Vogelsberger sicherlich eine Ehrenmedaille für 30 Jahre Südtirol-Urlaub oder Ähnliches im Schrank habe, irrt gewaltig. Herles kann auf Abenteuer-Reisen in China, auf den Galapagos-Inseln und sogar Feuerland zurückblicken.

Die spektakulären Landschaften, die abweichende Küche und vor allem die Begegnungen mit Menschen unterschiedlichster Kulturen haben seinen Horizont erweitert und gleichzeitig verhindert, Ärgernisse im Alltag zu schwer zu nehmen. „14 Tage nach Mauritius reisen und dann nur am Strand liegen – das wäre nichts für mich“, kommentiert er süffisant mit (herlestypisch) leicht angezogenem Mundwinkel.

Hessen Mobil soll nicht stehen bleiben

Neues sehen, Neues wagen: Das war schon immer sein innerer Antrieb. Und der zeigte sich auch in der Berufswelt. „Bitte nicht immer den gleichen Trott. Die Welt bleibt nicht stehen, wir sollten es bei Hessen Mobil also auch nicht“, erklärt er seine nimmermüde Motivation für durchdachte Experimente im Straßenbau.

Ein paar erfolgreiche Beispiele hierfür wären das inzwischen aufgrund neuer Bundesrechnungshofregularien eingestellte Kaltrecycling-Verfahren KRC, von dem viele Kreis- und Landstraßen in Mittelhessen profitiert haben. Und zuletzt brachte Herles eine neuartige Konservierungsmaßnahme nahe Alsfeld auf den Weg. Dort präsentierte er kürzlich auch noch die vielversprechende Auswertung eines Pilotprojekts zur Schadstoffreduzierung in der Luft mithilfe eines speziellen Granulats im Straßenbelag. Die Liste ließe sich um einiges erweitern.

So wurde es dem Schwalmtaler, der sich in seinem Wohnort als Erster Beigeordneter auch lokalpolitisch einbringt, bis zum Schluss nicht langweilig. An seinem Arbeitsort Schotten schätzt er die familiäre Atmosphäre. „Diese Philosophie vom Haus der offenen Türen, dieses meist vorhandene Gefühl der Einheit, das gefällt mir sehr gut.“ Nur selten zogen schwarze Wolken an der Decke im zweiten Stock auf, wenn er mit Kollegen aneinanderrasselte.

„Gerade, wenn Unwahrheiten im Spiel sind oder der Stresspegel sehr hoch ist, kann ich schon durchaus laut werden“, so Herles, „für mich gehört das aber – und das mag komisch klingen – zu Aufrichtigkeit und Transparenz mit dazu. Ich finde sogar, ein Gewitter kann reinigen. Denn Ehrlichkeit sollte immer die Basis sein.“ Zumindest über Kollegen muss sich Günter Herles ab dem Jahreswechsel nicht mehr ärgern. Sein Körper hat ihm in den letzten Jahren allerdings auch ein paar Mal deutlich gezeigt, dass er nicht überall Kraft hineinstecken muss.

Ein Auge weint, das andere lacht

So ist sein größter Wunsch in Bezug auf den neuen Lebensabschnitt auch Gesundheit. Wohin dann die nächsten Reisen gehen? Sekundär. Auch neckisch vorgetragene Ängste seiner Schwalmtaler Mitbürger, er würde sicherlich bald den ganzen Ort vor lauter Langweile umbauen, kann er entkräften. Statt Großprojekten wie dem Bau eines Kunstrasenplatzes, wie er es vor wenigen Jahren fast im Alleingang in Brauerschwend koordiniert hat, steht es „Mr.Straßenbau“ (Titel aus der Oberhessischen Zeitung) eher nach Zeit mit der einjährigen Enkeltochter, einer Wanderung, Zeitungslektüre oder Ausschlafen. „Es muss also niemand im Ort zittern“, lacht Herles.

Dennoch betont er immer wieder das „weinende Auge“ im Zusammenhang mit seinem baldigen Ausscheiden: „Die sozialen Kontakte über die Arbeit werden innerhalb von recht kurzer Zeit naturgemäß zurückgehen. Das wird mir klar fehlen und es wird sicher schwer, das dann wegzustecken“, bekennt er. Wer sich an seinem Abschiedsabend umgehört und umgeschaut hat, kann sich aber kaum vorstellen, dass dieser Mann im Sommer völlig isoliert und traurig auf der Couch sitzt. „Wir hätten gerne mehr vom Schlag Günter Herles“, war das treffende Fazit des Ersten Kreisbeigeordneten Mischak. Herles habe immer nach Lösungen gesucht und nicht nach Gründen, warum etwas nicht gehe. Nun geht er allerdings höchstselbst – und hinterlässt riesengroße Fußstapfen.

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