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„Die bewegte Linie“ – Ausstellung von Börries Hahn im Homberger Schloss bis zum 9. Oktober„Vielseitig und suchend“ – Natur, Umgebung, Alltag gedruckt

HOMBERG (ol). Das Feuer prasselte im Kamin, während draußen ein Herbstregen tobte. Im Homberger Schloss indes erklangen die Gitarren von Lutz Götzfried und Uli Thome. Hier hatte sich kürzlich ein erwartungsfreudiges Publikum versammelt, das gemeinsam mit dem Künstler Börries Hahn dessen Ausstellung „Die bewegte Linie“ eröffnen wollte.

In der letzten Ausstellung der diesjährigen Saison im Schloss zeigt der Wahl-Ober-Ofleidener erstmals seine Linolschnitte und präsentiert damit nicht nur eine fast in Vergessenheit geratene Technik, sondern Werke von einer außerordentlichen Präzision und gestalterischen Freude.

Sylke Bösking-Rieß, Vorstandsmitglied der Schlosspatrioten, begrüßte sowohl den Künstler als auch dessen Ehefrau Astrid Ruppert, die die Laudatio halten würde, heißt es in der Pressemitteilung. Mit der Technik des Linolschnitts befinde sich Hahn in der Gesellschaft von namhaften Künstlern wie Ernst Ludwig Kirchner oder August Macke.

Linolschnitt für sich entdeckt

Anfang des letzten Jahrhunderts hatten die Expressionisten den Linolschnitt für sich entdeckt – Linoleum wurde damit vom industriellen Massenprodukt zum Trägermaterial für künstlerische Darstellungen. Während viele Schülerinnen und Schüler sich im Kunstunterricht an dieser Technik versuchen müssten – oft mit zweifelhaftem Erfolg -, zeige Börries Hahn mit seinen Werken, was nötig sei, um mit diesem Druckverfahren zu arbeiten: volle Aufmerksamkeit, Muße, Kreativität und die Fähigkeit, spiegelverkehrt und dreidimensional zu denken.

Der Künstler schneidet mit speziellem Werkzeug ein Negativmuster in die Linoleumplatte. Beim Druck wird die an den erhabenen Stellen haftende Farbe auf das Papier übertragen, sodass insbesondere bei mehrfarbigen Drucken mit Bedacht geschnitten werden muss, da verschiedene Farbebenen entstehen, die sich mit dem letzten Druckdurchgang zu einem stimmigen Bild zusammenfinden müssen.

Sylke Bösking-Rieß begrüßte die Gäste der Vernissage. Alle Fotos: Schlitt

„Erst nach dem Druck sieht man, ob es gelungen ist“, betonte Bösking-Rieß eine Facette dieser Technik, die den Künstler vor besondere Herausforderungen stellt. „Börries Hahns Werke wollen, können und dürfen entdeckt werden“, lud die Rednerin ein.

Vor der Entdeckung führte die Autorin Astrid Ruppert in das Werk ihres Mannes ein. Sie beschrieb sowohl die Werke des gelernten Bühnenbildners als auch den Künstler selbst als „vielseitig und suchend“. Vielseitig seien der berufliche Werdegang – Hahn studierte unter anderem bei einem Musterschüler Paul Klees und kam von der Fotografie über Graphikdesign zum Bühnenbild – und die Lebensorte ihres Mannes: Von Halle an der Saale über unzählige Orte bis nach Ober-Ofleiden, wo sie sich gemeinsam niederließen, um ein Künstlerleben zu führen.

„Börries ist in seinem Schuppen-Atelier angekommen – örtlich wie gestalterisch“, sagte Ruppert und verwies auch auf Hahns Zeichnungen, von denen ebenfalls einige in den oberen Räumen des Schlosses zu sehen sind. „Gestalterisch bewegt sich der Künstler zwischen der Linie und der Dreidimensionalität“, so Ruppert, die überlegte, ob vielleicht gerade deshalb der Linolschnitt mit seinen Höhen und Tiefen genau das richtige für ihn sei.

Vertieft habe er sein Wissen darum im Rahmen der Sommerakademie in Marburg. „Ein schnödes Stück Linoleum wird bei Börries zu einer Gedanken-Landschaft aus Tälern und Hügeln. Die Hügel bilden sich ab, die Täler bleiben unberührt von Farbe.“

Börries Hahn selbst nutzte die Minuten vor der offiziellen Eröffnung, um sich bei allen zu bedanken, die ihm diese Ausstellung ermöglicht hatten. Gemeinsam schob das Ehepaar Ruppert/Hahn sodann den schweren Vorhang auf der Treppe beiseite und öffnete den Besucherinnen und Besuchern eine Welt voller Vielfalt, Schönheit und Lust an der Gestaltung.

Monochrom, filigran, ausdrucksstark: der „Hagebuttenzweig“.

Details entdecken

Hahns Linolschnitte selbst präsentieren sich abwechslungsreich: von monochromen Landschaften zu Ansichten mit starken Farbkontrasten oder von Landschaften und Blumen zu alltäglichen Gegenständen wie Sammeltassen. Den guten alten Plastikgartenstuhl adelt Hahn mit seiner Kunst und gönnt ihm Ansichten von allen Seiten. Ein Wasserglas wird zu einer gedruckten Farbstudie. Ein Sammeltassenstapel lädt zum Entdecken zahlloser Details ein und dazwischen immer wieder Landschaften aus der Heimat und der Ferne.

Hahns Linolschnitte bestechen durch eine schier unglaubliche Präzision, die sich insbesondere in dem Werk „Das Haus der Schriftstellerin“ Bahn bricht. Auf einem Tisch präsentiert der Künstler Druckplatten und Werkzeug und ermöglicht Einblicke in die Herstellung seiner Werke.

Die Ausstellung im Schloss wird abgerundet durch andere Arbeiten Hahns: Zeichnungen, Skizzen, 3-D-Arbeiten, Collagen. „Vielseitig und suchend“ hat Astrid Ruppert all das beschrieben. Fehlt noch „Findend“ als Attribut für die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung.

Diese haben noch bis zum 9. Oktober an jedem Sonntag von 14 bis 17 Uhr Gelegenheit, Börries Hahns „Bewegte Linie“ zu entdecken und ganz nebenbei auch noch Kaffee und Kuchen im Schlosscafé zu genießen. Der Künstler wird zu den Öffnungszeiten anwesend sein.

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