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Adem Maden im Gespräch über die Zeit nach dem 11. September 2001„Es hätte uns spalten können, aber wir haben zusammengehalten“

ALSFELD (akr). Es ist der Dienstag vor genau 20 Jahren, als mehr als 3.000 Menschen in den USA ihr Leben bei terroristischen Anschlägen verloren. Der 11. September 2001 ist ein Tag, der die ganze Welt erschüttert und verändert hat. Adem Maden, Vorsitzender der islamischen Gemeinde in Alsfeld, erzählt, wie er den Tag und die Zeit danach erlebt hat und – und warum durch dieses grausame Ereignis auch Gutes entstanden ist.

Adem Maden kann sich noch ganz genau an den 11. September 2001 erinnern. „Den Tag vergesse ich nie“, erzählt er und atmet tief ein. Er ist an diesem Tag nach dem Feierabend wie so oft noch in die Moschee gegangen. „Ich kam fröhlich in den Teeraum und die Männer, die dort saßen haben mich ganz verdutzt angeguckt, einer war total aufgebracht und hat mich gefragt, wie ich denn noch lachen könnte“, erzählt Maden.

Der 52-Jährige wusste überhaupt nicht, was passiert war – erst als ihn die Männer aufklärten und er die Bilder im Fernsehen sah. „Ich war einfach nur baff.“ Besonders in Erinnerung geblieben sind im die Gesichter der Männer. Diese hatten nämlich, so erzählt Maden, das Schlimmste befürchtet – einen dritten Weltkrieg.

Als sich dann herausstellte, dass es sich dabei um einen Angriff islamistischer Terroristen handelte, sei es kritisch geworden. „Wenn man in die Stadt gegangen ist, hatte man schon das Gefühl, angeschaut zu werden, von Menschen, die einen nicht kennen. Vielleicht habe ich es mir aber auch eingebildet. Doch das hat schon weh getan und das waren schon Momente, wo man überlegt hat, vielleicht Deutschland doch zu verlassen, weil man nicht wusste, wie es ausgehen wird“, erzählt Maden, der seit ebenfalls mittlerweile 20 Jahren Vorsitzender der islamischen Gemeinde ist.

„Terroristische Organisationen, jede Gewalttat, die im Namen des Islams verübt wird, haben mit dem Islam nichts zu tun“, betont Maden. Doch es gibt Menschen, die das anders sehen. Er habe Angst gehabt, mit den Terroristen über einen Kamm geschert zu werden, hier in Deutschland, seiner Heimat, nicht mehr geduldet zu werden. „Eines der schlimmsten Gefühle“, erinnert er sich.

Solidarität erfahren

Doch dem war zum Glück nicht so. „Gott sei Dank haben mich meine Freunde in Alsfeld angerufen und gesagt, dass sie uns in der Moschee gerne besuchen wollen, auch um Solidarität zu zeigen“, erzählt Maden. Er hat kurzerhand ein Gästebuch in ein Freundschaftsbuch umgewandelt – ein Freundschaftsbuch zwischen der islamischen Gemeinde und den übrigen Alsfeldern, in das sich die Besucher der Moschee dann eintragen konnten. Dieses Buch hat Maden heute immer noch. Stolz hält er es in der Hand und lächelt beim Durchblättern und Lesen der Zeilen.

Das Freundschaftsbuch, in dem sich viele Gäste verewigt haben.

„Das hat uns Mut gemacht“, betont er. Das habe auch dazu geführt, dass immer mehr christliche Deutsche die Moschee besucht haben, um die islamischen Mitbürger besser kennenzulernen. „Wir haben dadurch auch gemerkt, dass wir die Moscheen mehr öffnen müssen, auch für Nicht-Muslime. Das haben wir dann auch getan“, erzählt Maden. Es wurde mehr Öffentlichkeitsarbeit betrieben, Parteien und Schulen angeschrieben, dass sie die islamische Gemeinde besuchen sollen, damit man sich einfach mehr miteinander austauscht.

Ein wichtiges Signal

Maden kann sich hierbei noch an eine ganz bestimmte Situation erinnern: „Als uns Kinder in der Moschee besucht haben, haben sie gefragt, wo wir denn unsere Waffen verstecken“ – die Vorurteile waren einfach da und genau diese sollten aus der Welt geschafft werden, und zwar durch gemeinsame Veranstaltungen, beispielsweise mit der evangelischen und katholischen Kirchengemeinde. „Wir waren dafür auch gut vorbereitet“, erzählt Maden.

Denn schon vor den Terroranschlägen am 11. September hatte man gemeinsame Veranstaltungen geplant. Ralf Müller vom evangelischen Dekanat sei dabei stark aktiv gewesen. „Er hat uns geholfen, dass wir in Alsfeld und auch unsere Religion akzeptiert wird“, lächelt Maden. Aber es habe auch viele weitere Menschen gegeben, die dafür gesorgt haben, dass man sich in Alsfeld nicht auseinanderlebt.

Dadurch, dass man eben gut vorbereitet war, fand auch nur kurze Zeit nach den grausamen Ereignissen in den USA eine gemeinsame Aktion der Glaubensgemeinschaften in Alsfeld statt. Gemeinsam traf man sich auf dem Alsfelder Marktplatz, um dort für den Frieden zu beten, erzählt er. „Wenn man ein Signal gibt, dass wir zusammengehören, wir ein Alsfeld sind, dann gibt es weniger Feindschaften“, sagt Maden.

Man sei sogar so weit gewesen, dass die islamische Gemeinde in der evangelischen Kirche gepredigt hat und die evangelische Gemeinde ihren Gottesdienst in der Moschee abhielt – mit gemischten Publikum. „Wir wollten zeigen, wir gehören zusammen. Das war auch das erste Mal in Alsfeld, dass so etwas passiert ist“, erinnert sich der 52-Jährige.

Gerne spricht er über die gemeinsamen Aktionen, die Besuche von Freunden, von Nachbarn in der Moschee. „Das war aufmunternd und hat dafür gesorgt, dass wir den Kopf nicht in den Sand stecken.“ Für ihn habe der Anschlag die Religionsgemeinschaften stärker zusammengebracht. „Man hat sich in der Verantwortung gefühlt, gemeinsam etwas zu machen, damit keine Vorurteile aufgebaut werden, die gar nicht sein dürften“, erklärt er. Der Tag, den er und so viele andere Menschen nie vergessen werden, hat also auch etwas Gutes zustande gebracht. „Es hätte uns spalten können, aber wir haben zusammengehalten.“

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