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Evangelische Kirche in Otterbach entwidmet – Gottesdienste ab sofort im DGH„Wir nehmen Abschied von einem Gebäude, aber nicht von der Kirche“

OTTERBACH (ol). Um kurz vor 14 Uhr ließ sie am Pfingstsonntag ihr letztes Läuten als Kirchenglocke vernehmen. Die Glocke der Otterbacher Kirche eröffnete den Gottesdienst, in dem genau diese Kirche entwidmet wurde, außer Dienst gestellt – ein Abschied der besonderen Art in Otterbach, in der Katharinengemeinde und auch im Dekanat Vogelsberg.

Gemeinsam mit ihrer Pfarrerin Ursula Kadelka und Dekanin Dr. Dorette Seibert hatten sich die Gläubigen an der Straße und auf dem Platz gegenüber der Kirche versammelt – nicht einmal ein Abschied in der Kirche selbst war wegen der Corona-Auflagen möglich. Doch die Kirchentür stand noch einmal offen, sodass die Gemeindeglieder doch noch einmal hineingehen und sich ganz persönlich verabschieden konnten.

Fast 200 Jahre stand das ehemalige Schulgebäude, das 1834 zur Kirche geweiht wurde, den Otterbachern als Gotteshaus zur Verfügung, heißt es in der Pressemitteilung des Evangelischen Dekanats. Sie alle haben Erinnerungen an Lebensereignisse, die hier stattfanden, an Taufen und Hochzeiten, an Konfirmationen und Jubiläen genauso wie an traurige, schmerzhafte Erfahrungen.

Der Altar der Kirche in Otterbach vor der Entwidmung. Fotos: Traudi Schlitt

Die Entscheidung, sich dennoch von dem Gebäude zu trennen, war im Kirchenvorstand lange gereift und intensiv diskutiert worden. Am Ende hätten Vernunft und Mut gesiegt, wie es Pfarrerin und Dekanin ausdrückten und wie es den Otterbachern nun auch schon seit längerem bekannt war. So war die Stimmung verhalten, doch gefasst, als eine Abordnung des Evangelischen Posaunenchors unter der Leitung von Kirchenmusikerin Christine Geitl den Freiluftgottesdienst musikalisch eröffnete.

Nicht der Glaube wird aufgegeben

„Wir geben die Kirche in Otterbach auf, aber nicht unseren Glauben, wir nehmen Abschied von einem Gebäude, aber nicht von der Kirche“ – damit stieg Pfarrerin Kadelka in die schwierige Aufgabe des Abschiednehmens ein. Sie sprach von Trauer, aber auch von einem Neuanfang und sie stellte die Fragen in den Raum, wo Kirche stattfindet und warum – obwohl es nichts gibt, das Gott irgendwie fassen könne – Menschen Kirchen brauchen. „In einer Kirche redet Gott durch sein Wort mit den Menschen und die Menschen durch ihr Gebet mit Gott“, zitierte Kadelka Martin Luther.

Ein schwerer Abschied, auch für Pfarrerin Ursula Kadelka

Genau davon könnten auch die Otterbacher Kirchenmauern erzählen. Eine Kirche biete einen Ort; was darin geschieht sei Wegweiser und Orientierung. „Doch die Gemeinden sind in Bewegung, die Zeiten ändern sich“, stellte die Pfarrerin fest, „aber die Grundfragen der Menschen nach Glaube und Religion, nach dem Woher und Wohin, die bleiben gleich. Und Menschen suchen Antworten in der Kirche.“ So seien Kirchen auch Orte der Hoffnung, sichtbares Zeichen von Menschen, den Glauben vor Ort zu gestalten. Dennoch: „Es sind nicht die Mauern, die eine Kirche zu einem heiligen Ort machen, sondern die Gemeinschaft der Menschen, die sich in seinem Namen versammeln.“

Pfarrerin Ursula Kadelka (links), Dekanin Dr. Dorette Seibert fanden tröstende und zuversichtliche Worte für die Gemeinde zum Abschied von ihrer Kirche.

Dekanin Seibert griff Kadelkas Bild von einer Kirche in Bewegung auf – schließlich seien alle Menschen nur auf der Durchreise und jedes bewohnte Haus nur eine Zwischenstation. Dennoch könne man den Abschiedsschmerz in Otterbach mit Händen greifen, er sei für alle schwierig. Vier Gedanken zum Abschied gab die Dekanin den Otterbachern mit auf den Weg: Man könne zurückblicken auf das was war: Langanhaltendes Wachstum der Evangelischen Kirche und ihrer Gemeinden, das nun schon lange der Vergangenheit angehöre und die Aufgabe des Rückbaus fordere – ein bitteres Eingeständnis. Ein Abschied ermögliche es, Dinge zu ordnen, mit sich und den Menschen ins Reine zu kommen und sich der Aufgabe zu stellen, den Wandel mitzugestalten.

Eine mutige Entscheidung getroffen

Ein weiterer Aspekt von Abschied sei, sich offen und ehrlich den Tatsachen zu stellen. Ihr Respekt gelte dem Kirchenvorstand, der eine mutige Entscheidung getroffen habe, so Seibert. Zu guter Letzt bedeute Abschied auch Weitergehen. „Der Kirchturm mag das Wahrzeichen eines Ortes sein, es ist nicht das Wahrzeichen der Gemeinde. Dieses ist das Evangelium, das Wort Gottes und das werden Sie immer mitnehmen“, ermunterte Seibert die Gemeinde zu einem Neuanfang.

Mitglieder des Kirchenvorstandes trugen die gottesdienstlichen Gegenstände von der Kirche in das DGH.

Für genau diesen trugen sodann die Mitglieder des Kirchenvorstands die gottesdienstlichen Gegenstände aus der Kirche über die Straße in das DGH. Kerze, Bibel, Kreuz, Abendmahlgeschirr, Decken, Paramente. Hier, nur einen Steinwurf von dem nun ehemaligen Kirchengebäude entfernt, werden ab sofort die Otterbacher Gottesdienste stattfinden. Kleine Impulse zum Pfingstfest warteten dort schon auf die Menschen.

Und dann verlas Dekanin Seibert die Worte, die aus dem sakralen wieder ein profanes Gebäude machten – erstmals im Dekanat Vogelsberg, und auch in der Landeskirche eher selten: „So sei nun diese Kirche dem gottesdienstlichen Gebrauch entnommen und somit entwidmet. Sie ist von nun an nicht mehr für Gottesdienste vorgesehen, sondern wird als Ausstellungsraum dienen.“ Die Glocke des Gebäudes aber, sie wird weiterhin läuten.

Der neue Altar im Dorfgemeinschaftshaus.

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