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Lutz Albert engagiert sich in der Gesangsgruppe des Kursana DomizilsVon seinem eigenen Glück etwas an andere weitergeben

MÜCKE (ol). Die Hefte mit den Texten und Noten der Stimmungs- und Volkslieder lassen die Senioren links liegen. Nur selten blättert jemand im Liederbuch, um die Zeilen der Strophen nachzulesen. „Kein schöner Land“, „Gold und Silber lieb´ ich sehr“ oder „Am Brunnen vor dem Tore“ – diese Melodien kennen die ein Dutzend Männer und Frauen, die an diesem Mittwoch den Musiknachmittag im Kursana Domizil Mücke besuchen, auswendig.

In der Pressemitteilung des Kursana Domizils Mücke heißt es, auch als „Hoch auf dem gelben Wagen“ erklingt, jenes Lied, das 1973 durch die Interpretation des damaligen Bundesaußenministers Walter Scheel populär wurde und das sich dann 15 Wochen in den deutschen Singlecharts hielt, lesen die 77-jährige Barbara Walter, der 83-jährige Gertrud Weber und die anderen in der Runde nicht vom Blatt ab. Alle haben den Text im Kopf: „Vorwärts die Rosse traben, lustig schmettert das Horn“.

Am lautesten singt Lutz Albert. Der 79-Jährige steht vorn am Kopf des Tisches, dirigiert zwar nicht, ist aber tonangebend. Lutz Albert gehört seit Jahren zum Kreis der ehrenamtlichen Mitarbeiter in der Pflegeeinrichtung. Er singt für sein Leben gern und hat den Musiknachmittag, den Berthold Sohl mit seinem Akkordeon begleitet, etabliert.

„Ich spüre die Freude, die die Menschen beim gemeinsamen Singen haben. Ich kenne das Gefühl. Das gibt auch mir sehr viel an innerer Kraft und Freude“, sagt Lutz Albert. Die Beschäftigung mit den Senioren ist eine Begegnung auf Augenhöhe – nicht allein wegen des Alters. Albert hatte rund zwei Jahrzehnte lang sein eigenes Altersheim geleitet. Den Umgang mit der älteren Generation ist der examinierte Anästhesie- Fachpfleger gewohnt. Diese Sozialarbeit gebe ihm so viel Energie und Erfüllung, dass er sich gern für die ehrenamtliche Aufgabe in der Gesangsgruppe beim Musiknachmittag entschieden habe.

Der Glaube und die Nächstenliebe seien oftmals Impulse für Menschen, die mit viel Einfühlungsvermögen ein Ehrenamt übernehmen. Lutz Albert sagt, er möchte von seinem Glück etwas an andere weiterleiten. Seine Aufgabe beinhalte aber nicht nur ein Geben, sondern er bekomme auch viel zurück und habe das Gefühl, beschenkt zu werden. Abgesehen von der sinnvollen Freizeitbeschäftigung bereichere das Ehrenamt auch die eigene Persönlichkeit.

Wie bei den anderen Senioren sind die Volks- und Stimmungslieder immer eine Einladungen zu einer Zeitreise. Die Älteren lassen bei Melodien wie „Jetzt kommen die lustigen Tage“ oder „Ein Jäger aus Kurpfalz“ alte Bilder von Wanderungen, Urlaubsreisen oder Familien- und Tanzfesten neu aufleben. Mit der Musik und den Erinnerungen sind starke Emotionen verbunden sind.

Das geht Lutz Albert nicht anders. Spätestens wenn beim Musiknachmittag das Lied „Heute an Bord, morgen geht´s fort“ gesungen wird, bekommt der ehrenamtliche Mitarbeiter Gänsehaut und denkt an die Zeit zurück, als er bei der Handelsmarine auf Schiffen nach Skandinavien, Südamerika und zum Persischen Golf anheuerte oder mit dem Segelschiff die Karibik durchkreuzte. „Hell die Gläser klingen, ein frohes Lied wir singen“ und „Jetzt kommen die lustigen Tage“ singen die Senioren beim Musiknachmittag, und Lutz Albert blickt in entspannte und dankbare Gesichter.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel – und entsprechend auch der darin behandelte Inhalt – bezieht sich auf eine Zeit vor der Corona-Krise, ehe Kontakteinschränkungen, Schulschließungen und andere Regeln in Kraft traten.

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