Erster offener Sprechtag für Menschen im Autismus-Spektrum mit Beate Faulstich-ReichhardtAlle Erfahrungen selbst gemacht
ALSFELD (ol). Ein wichtiges Standbein der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung ist die Peerberatung, also die Beratung von Betroffenen durch Betroffene. Eine erste solche Sprechstunde für Menschen im Autismusspektrum bot vor wenigen Tagen Beate Faulstich-Reichhardt in Alsfeld an.
Autismus – als Beschreibung für eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die mit eingeschränkter sozialer Interaktion einhergeht, ist der Name laut Pressemitteilung inzwischen in aller Munde. Doch selbstverständlich ist der Umgang damit nicht. Nicht selten wird Autismus spät diagnostiziert und ein adäquater Umgang mit betroffenen Menschen somit verzögert.
Beate Faulstich-Reichhardt könne ein Lied davon singen: Elf Jahre habe es gedauert, bis bei ihrem inzwischen 18-jährigen Sohn eine verlässliche Diagnose gestellt wurde, mit der schließlich nicht nur der Zugang zu autismusspezifischen Therapien möglich wurde, sondern auch ein anderes Vorgehen an der Schule, beispielsweise die Gewährung besonderer Nachteilsausgleiche, und mehr Verständnis im zwischenmenschlichen Bereich.
Mit einer Diagnose werde das Leben von Menschen im Autismus-Spektrum und ihrer Angehörigen zwar klarer, aber nicht unbedingt einfacher, weiß Faulstich-Reichhardt aus eigener Erfahrung: Es gebe Unterstützungsbedarf zu planen und einzufordern, es gehe um Antragsstellung und Hilfeplanung, um (Früh-) Förderung und Prozessbegleitung – häufig zu bewältigen von den Angehörigen der betroffenen Menschen.
Erstmals offener Sprechtag
Viele der Dinge, die heute das Leben ihres Sohnes erleichtern, musste sie sich hart erkämpfen, heißt es weiter. Informationen zusammenklauben, mit dem Mangel an Therapiemöglichkeiten auf dem Land zurechtkommen. Ihre Erfahrungen und ihr Wissen darüber bringt Faulstich-Reichhardt nun im Regionalverband Autismus Mittelhessen e.V. ein, wo sie Vorstandsmitglied ist. Nun habe sie in Kooperation mit der EUTB (Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung) Vogelsbergkreis erstmals einen offenen Sprechtag für Menschen im Autismus-Spektrum und deren Angehörige in Alsfeld angeboten.
Peer-Beratung, also die Beratung von Betroffenen durch Betroffene, ist ein großes Standbein der EUTB und soll sowohl an den Standorten in Alsfeld und Lauterbach weiter gefördert werden, wie Berthold Sommer von der EUTB betont. Seit knapp anderthalb Jahren sei die Beratung nun im Vogelsberg und einigen Randgemeinden der Landkreise Fulda und Schwalm-Eder installiert und kann auf zahlreiche Kontakte und Beratungstermine zurückblicken.
Die Kooperation mit Selbsthilfegruppen wie Autismus Mittelhessen e.V. oder lokalen Gruppen wie Barrierefreies Alsfeld e.V. oder dem Blinden- und Sehbehindertenbund soll laut Pressemitteilung ausgebaut werden, da betroffenen Menschen „nicht nur viel Erfahrung in dem Krankheitsbild mitbringen, sondern auch auf einer hohen emotionalen Ebene miteinander sprechen können“, weiß Sommer und freut sich sehr, dass mit Beate Faulstich-Reichhardt eine engagierte und erfahrene Mitstreiterin für Menschen im Autismus-Spektrum bereitsteht, die auch bereits Einzelberatungen in Alsfeld und Lauterbach angeboten hat. „Die Angebote werden gut wahrgenommen“, so ein erstes Fazit.
Ein ganzes Portfolio an Informationen
Gerade für Menschen, die sich erstmals mit der Diagnose Autismus auseinandersetzen müssen, biete Faulstich-Reichhardt ein ganzes Portfolio an Informationen, das im Gespräch auf die Bedürfnisse der jeweiligen Personen zugeschnitten werden kann. Aus eigener Erfahrung weiß sie: „Gerade im Vogelsberg ist es wichtig, Informationen in die Fläche zu tragen. Denn es gibt hier noch viel zu wenig Angebote an Menschen im Autismus-Spektrum wie Beratungen und Gesprächsabende, von Therapiemöglichkeiten ganz zu schweigen.“ Dies ist für die Mutter eines Betroffenen die eigentliche Behinderung: der auf dem Land fehlende Zugang zu Informationen und Hilfe. „Hier gibt es noch viel zu tun, und ich freue mich, dass die EUTB mein Angebot, mit meiner Peer-Beratung tätig zu werden, so großartig unterstützt.“
Im Lauf der Jahre sei Beate Faulstich-Reichhardt Expertin auf ihrem ganz persönlichen Bereich geworden, die nicht nur Anschubinformationen liefern könne, sondern mit Betroffenen auch über Folgeerscheinungen, beispielsweise Depression oder Isolation, sprechen kann. Sie hört zu und vermittelt Stellen, an die sich die Betroffenen wenden können. Sie kennt die Therapieangebote und informiert über die Antragsstellung. Auch der Übergang von Schule in Beruf sowie die Volljährigkeit von Menschen im Autismus-Spektrum sind ihr Thema.
Und sie weiß, wie wichtig dies für Betroffene ist. „Daher möchten wir gerne, dass unser Angebot im Vogelsbergkreis noch bekannter wird. Menschen sollen unsere Expertise nutzen können“, so die engagierte Ehrenamtliche, mit der man über die EUTB auch Termine für Einzelberatungen vereinbaren kann. Zweimal im Jahr soll es darüber hinaus an den Standorten de EUTB Vogelsberg auch offene Sprechtage geben. Auch hierüber kann man sich bei Berthold Sommer und seiner Kollegin Andrea Schmidt informieren. Information zu Autismus und zur Selbsthilfegruppe gebe es hier.
Zur EUTB Vogelsbergkreis:
Seit März 2018 gibt es die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung im Vogelsberg als Anlaufstelle für Menschen mit Fragen zur Teilhabe, beispielsweise zu Assistenz und Hilfsmitteln, zu Arbeits- und Wohnmöglichkeiten und vielen anderen Themen. Ausgehend von zwei Stützpunkten in Alsfeld und Lauterbach werden zehn Gemeinden im Altkreis Alsfeld und neun Kommunen im Altkreis Lauterbach versorgt. Darüber hinaus ist die EUTB für angrenzende Kommunen zuständig: Ottrau, Schrecksbach und Neukirchen im Schwalm-Eder-Kreis sowie Großenlüder, Hosenfeld und Bad Salzschlirf im angrenzenden Kreis Fulda. Mehr Infos unter www.eutb-vb.de und info@eutb-vb.de
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